5223/AB XXIV. GP
Eingelangt am 07.07.2010
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
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An die
Präsidentin des Nationalrats
Mag.a Barbara PRAMMER
Parlament
1017 W i e n
Wien, am . September 2018
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Der Abgeordnete zum Nationalrat Kunasek und weitere Abgeordnete haben am 7. Mai 2010 unter der Nr. 5289/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Alpenkonvention und Bau S 36/37 gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Ø Fällt die S 37 aus Sicht des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie unter die Alpenkonvention?
Ø Wenn nein, aus welchen Gründen gilt aus Sicht des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie die Alpenkonvention nicht für die S 37?
Österreich hat durch die Annahme des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention (VProt), welches vom österreichischen Gesetzgeber ohne Erfüllungsvorbehalt genehmigt wurde und innerstaatlich den Rang eines Gesetzes einnimmt (BGBl. III Nr. 234/2002 idF. BGBl. III Nr. 108/2005), auf die Realisierung neuer hochrangiger Straßen im Bereich des alpenquerenden Verkehrs verzichtet (Art. 11 Abs. 1 VProt) und sich verpflichtet, hochrangige Straßenprojekte im inneralpinen Bereich lediglich unter bestimmten Voraussetzungen zu realisieren (Art. 11 Abs. 2 VProt), jedoch unter Beachtung der Übergangsbestimmung des Art. 8 VProt. Die in diesem Zusammenhang relevanten Bestimmungen des Art. 8 und des Art. 11 VProt sind unmittelbar anzuwenden, da sie im Sinne des verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzips (Art. 18 B-VG) ausreichend bestimmt sind.
Nach Art. 8 Abs. 2 VProt ist das Recht der Vertragsstaaten, den Bau von Verkehrsinfrastrukturen vorzunehmen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieses Protokolls im Rahmen ihrer Rechtsordnung beschlossen sind oder für die der Bedarf gesetzlich festgestellt ist, nicht präjudiziert („Rückwirkungsverbot“). Mit anderen Worten sind die Bestimmungen des Art. 11 VProt auf Projekte, die zu dem im Art. 8 Abs. 2 leg.cit. bezeichneten maßgeblichen Zeitpunkt in den Verzeichnissen des Bundesstraßengesetzes 1971 enthalten waren, nicht anzuwenden.
In der Übergangsbestimmung des Art. 8 VProt kommt das von den Vertragsparteien vertraglich vereinbarte „Rückwirkungsverbot“ zum Ausdruck, das grundsätzlich dem allgemeinen völkerrechtlichen Rückwirkungsverbot des Art. 28 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK) entspricht, wonach die Bestimmungen von (völkerrechtlichen) Verträgen eine Vertragspartei nicht in Bezug auf eine Handlung oder Tatsache binden, die vor dem Inkrafttreten des Vertrages hinsichtlich der betreffenden Vertragspartei vorgenommen wurde oder eingetreten ist.
Es ist richtig, dass das „Verzeichnis der Verkehrsinfrastrukturen, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Protokolls von den Vertragsparteien beschlossen sind oder für die der Bedarf gesetzlich festgestellt ist“ in Bezug auf die Projekte in Österreich lediglich zwei hochrangige Bundesstraßenprojekte im Bereich des inneralpinen Verkehrs und zwar die S 18 Bodensee Schnellstraße und die (vor Inkrafttreten des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes BGBl. I Nr. 50/2002 noch als Bundesstraße B bezeichnete) B 179 Fernpass Straße (Tschirganttunnel) enthält. Aus der Sicht meines Ressorts ist jedoch davon auszugehen, dass das Verzeichnis jedenfalls keine vollständige Darstellung der unter die Übergangsbestimmung das Art. 8 VProt fallenden Bundesstraßenbauprojekte bietet, wobei die Klärung dieser Frage im Zusammenhang mit der Übergangsbestimmung nicht von Relevanz sein kann.
Ich darf festhalten, dass die Formulierung der genannten Bestimmung in Art. 8 Abs. 2 VProt, wonach das Recht der Vertragsstaaten, den Bau von Verkehrsinfrastrukturen vorzunehmen, die zum Zeitpunkt der Annahme des VProt im Rahmen ihrer Rechtsordnung beschlossen sind oder für die der Bedarf gesetzlich festgestellt ist, nicht präjudiziert ist, ausschließlich auf objektives Recht und nicht auf die im Zuge der Annahme des Protokolls von (nicht allen) Vertragsstaaten vorgelegten Verzeichnissen bzw. Projektlisten abstellt und somit aus dem Verzeichnis nichts für die Interpretation des Art. 8 Abs. 2 VProt gewonnen werden kann und darf.
Das genannte Verzeichnis kann weder als Vertragsbestandteil noch als eigenständiger Vertrag angesehen werden. Aber auch wenn man das Verzeichnis als Auslegungsübereinkunft im Sinne des Art. 31 Abs. 2 lit. a WVK oder als Urkunde im Sinne des Art. 31 Abs. 2 lit. b WVK deutet und es als authentische Interpretation des Vertragstextes heranzieht, ist daraus in Bezug auf die Auslegung des Art. 8 Abs. 2 VProt nichts zu gewinnen, da eine derartige Auslegungsmethode jedenfalls dort ihre Grenzen findet, wo der Inhalt der Übereinkunft bzw. der Urkunde keinen Niederschlag im Wortlaut der entsprechenden Bestimmung im völkerrechtlichen Vertrag gefunden hat und ihm somit auch keine rechtliche Bedeutung zukommt. Wie ich bereits ausgeführt habe, stellt die Übergangsbestimmung ausschließlich auf objektives Recht ab, weshalb das Verzeichnis folglich nicht als authentische Interpretation des gegenständlichen Vertragstextes heranzuziehen ist. An diesen juristischen Rahmenbedingungen vermag selbst eine - vom BMVIT nach wie vor bestrittene - Vollständigkeit des Verzeichnisses der Verkehrsinfrastrukturen nichts zu ändern.
Der Straßenzug der S 37 Klagenfurter Schnellstraße war zum Zeitpunkt der Annahme des VProt im Verzeichnis 3 („Bundesstraßen B“) des BStG idF BGBl. I Nr. 182/1999 als Teil der B 317 Friesacher Straße (Judenburg (S 36) – Scheifling – Neumarkt – Friesach – St.Veit/Glan – Klagenfurt Nord (A 2, B 83)) enthalten und fällt somit unter die Übergangsbestimmung des Art. 8 Abs. 2 VProt.
Zu Frage 3:
Ø Wer legt fest, welche Straßen unter die Alpenkonvention fallen?
Welche hochrangigen Straßenbauvorhaben in den Anwendungsbereich der Alpenkonvention bzw. des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention fallen, bestimmt sich nach der bereits oben genannten Übergangsbestimmung in Art 8 Abs. 2 VProt.