5238/AB XXIV. GP

Eingelangt am 09.07.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Inneres

Anfragebeantwortung

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben am 11. Mai 2010  unter  der Zahl 5314/J  an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Schubhäftlingen, insbesondere Cletus B. und Vincent A.“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Einleitend wird festgehalten, dass die in der Anfrage teilweise ausdrücklich und teilweise implizit aufgestellten Vorwürfe von „Unregelmäßigkeiten“, „missbräuchlichen Falschinformationen“, „schikanöser Umgangsweise mit den Verfahrensrechten“ zurückgewiesen werden.

 

Zu den Fragen 1 und 2:

Am 29.04.2010 wurde Cletus B. um 15.35 Uhr und Vincent A. um 15.43 Uhr im Polizeianhalte­zentrum Hernalser Gürtel als aufgenommen registriert. Cletus B. wurde dann in das Polizeianhalte­zentrum Roßauer Lände verlegt, da sein Abschiebungstermin bereits festgelegt war.

 

Zu den Fragen 3 bis 9:

Cletus B. und Vincent A. verweigerten bei der Befüllung des Haftberichtes II (Verständigungsblatt) alle Angaben, weshalb unmittelbar auch kein Rechtsvertreter verständigt werden konnte. Jedenfalls hatten sowohl Cletus B., am 30.04.2010 um 14.09 Uhr, als auch Vincent A., am 30.04.2010 um 11.52 Uhr, bereits von ihren Rechtsvertretern – Fr. Mag. Kurtulan bzw. Hr. Ausserhuber – Besuch. Laut den Aufzeichnungen dauerte der Besuch bei Vincent A. bis ca. 12.15 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt fand keine Einvernahme statt.

 

Zu den Fragen 10 bis 12:

Es entspricht nicht den Tatsachen, dass das in der Anhalteordnung normierte Recht der Häftlinge, zu telefonieren, generell eingeschränkt wird und es konnten keine den Vorwürfen entsprechenden individuellen Einschränkungen festgestellt werden.

Cletus B., der - wie oben ausgeführt -  das Befüllen des Haftberichts  und jede Kommunikation mit den Beamten verweigerte, lehnte auch das regelmäßige Angebot entsprechender Telefonate ab.

Die Telefonvorschriften stützen sich auf die Anhalteordnung, BGBl. II Nr. 128/1999 idF. BGBl. II Nr. 439/2005, im Speziellen auf § 19 leg. cit.

 

Zu Frage 13:

Am 04.05.2010 mussten aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen wegen der angekündigten Demonstration vor dem PAZ Roßauer Lände sämtliche Angehörigenbesuche vom Leiter der AFA (Abteilung für fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Anhaltevollzug) aus Sicherheitsgründen auf den Folgetermin, Sonntag, verwiesen werden. Die betroffenen Insassen wurden informiert und hatten die Möglichkeit ihre Angehörigen zu verständigen.

 

Zu Frage 14:

Die in § 8 Richtlinien-VO normierten Rechte beziehen sich nicht auf die Absage eines Angehörigenbesuchs sondern auf solche, welche durch die Befüllung des Haftberichtes II (Verständigungsblatt) gewährleistet werden. Sämtliche Angaben zur Befüllung des Haftberichts II wurden von beiden Fremden verweigert.

 

Zu den Fragen 15 bis 18 und 22:

Aufgrund früherer Erfahrungen bei jeglichen Interventionen von Fr. Mag. Klaric wird im Polizeianhaltezentrum eine schriftliche Dokumentation in Form einer Meldung, Eintragung oder eines Vermerkes verfasst. Eine Nachschau für den in Frage kommenden Zeitraum verlief negativ.

Es haben sich keine Hinweise auf eine Falschinformation bzw. auf die behauptete Rechtsverweigerung ergeben.


Zu den Fragen 19 bis 21:

Es gibt sowohl einen Erlass des Bundesministerium für Inneres als auch einen internen Aktenvermerk.

 

Der Text dieses Erlasses, der zuletzt am 07.02.2010 aktualisiert wurde, lautet auszugsweise wie folgt:

 

Der Besuch hat grundsätzlich während der Besuchszeit, die von der Behörde festzulegen ist, zu erfolgen.

Für folgende Personen gibt es jedoch besondere Bestimmungen, welche die Besuchsmöglichkeiten erweitern (§ 21 Abs. 3 AnhO):

-        Rechtsvertreter

-        Vertreter inländischer Behörden

-        Vertreter diplomatischer oder konsularischer Vertretungen des Heimatstaates

-        Vertreter von Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind

-        Personen, deren Anwesenheit für die Regelung wichtiger persönlicher Angelegenheiten glaubhaft gemacht wird

-        Vertreter der Schubhaftbetreuung, nunmehr Rückkehrberatung.

 

Nach Möglichkeit sind Besuche dieser Personen innerhalb der Amtsstunden, soweit erforderlich jedoch auch außerhalb dieser Zeit, zu ermöglichen.

 

Rechtsvertreter sind jedenfalls Rechtsanwälte (die sich gegebenenfalls auf eine auch mündlich erteilte Vollmacht gem. § 8 Abs. 1 RAO berufen) und Personen im Besitz einer Vollmacht. Der Begriff Rechtsvertreter ist jedoch im Hinblick auf § 53c Abs. 5 VStG umfassend zu verstehen (vgl. Andre/Vogl, Anhalteordnung, § 20 Anm. 3).

 

Eine Person ist somit auch dann Rechtsvertreter, wenn sie einen bestimmten Häftling zwecks Unterzeichnung einer Vollmacht besuchen will. In diesem Fall kann nicht das Vorzeigen einer Vollmacht verlangt werden, sondern ist der Person Zugang auch ohne eine solche, mit dem Zweck der Unterzeichnung der Vollmacht und anschließendem Gespräch, zu ermöglichen.

Um sicherzustellen, dass es sich bei dem Besucher um einen Rechtsbeistand des Häftlings handelt, ist dieser jedenfalls vor dem Besuch dahingehend zu befragen.

 

Bejaht der Häftling den Wunsch durch den ausgewählten Rechtsbeistand vertreten zu werden, so ist diesem der Zugang zum Häftling auch außerhalb der Besuchszeiten, notwendigen falls auch außerhalb der Amtsstunden, zu gewähren.


Verneint der Häftling die Vertretung durch den Besucher (Rechtsbeistand), ist dies dem Besucher mitzuteilen, dieser auf die Besuchszeiten hinzuweisen und der Sachverhalt in einem Aktenvermerk zu dokumentieren.

Der Rechtsvertreter bzw. der Rechtsbeistand hat sich, wie jeder andere Besucher auch, durch einen Lichtbildausweis zu legitimieren.

 

Der Text des internen Aktenvermerkes vom 17.03.2010 lautet auszugsweise wie folgt:

 

Nach Möglichkeit sind Rechtsvertretern Besuche innerhalb der Amtsstunden, soweit erforderlich jedoch auch außerhalb dieser Zeit, zu ermöglichen.

 

Rechtsvertreter sind jedenfalls Rechtsanwälte (die sich gegebenenfalls auf eine auch mündlich erteilte Vollmacht gemäß § 8 Abs. 1 RAO berufen) und Personen im Besitz einer Vollmacht (= Rechtsbeistände).

 

Eine Person ist somit auch dann Rechtsvertreter, wenn sie einen bestimmten Häftling zwecks Unterzeichnung einer Vollmacht besuchen will. In diesem Fall kann nicht das Vorzeigen einer Vollmacht verlangt werden, sondern ist der Person der Zugang auch ohne eine solche, mit dem Zweck der Unterzeichnung der Vollmacht und anschließendem Gespräch, zu ermöglichen.

 

Um sicherzustellen, dass es sich bei dem Besucher um einen Rechtsbeistand des Häftlings handelt, ist dieser jedenfalls vor dem Besuch dahingehend zu befragen.

 

Bejaht der Häftling den Wunsch durch den ausgewählten Rechtsbeistand vertreten zu werden, so ist diesem der Zugang zum Häftling auch außerhalb der Besuchszeiten, notwendigen falls auch außerhalb der Amtsstunden, zu gewähren.

 

Verneint der Häftling die Vertretung durch den Besucher (Rechtsbeistand), ist diese dem Besucher mitzuteilen, dieser auf die Besuchszeiten hinzuweisen und der Sachverhalt in einem Aktenvermerk zu dokumentieren.

 

Der Rechtsvertreter bzw. Rechtsbeistand hat sich, wie jeder andere Besucher auch, durch einen Lichtbildausweis zu legitimieren.

 

Zu den Fragen 23 bis 25:

Das angesprochene Telefonat wurde am 30.04.2010, gegen 14.52 Uhr, geführt. Eine Nachfrage beim verfahrensführenden Referenten erbrachte keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Begehr um Einlass gestellt wurde. Es wurde daher um ca. 15.10 Uhr die Auskunft erteilt, dass für die behauptete Nichtzulassung des Rechtsvertreters Ausserhuber im Bereich des Fremdenpolizeilichen Büros keinerlei Anhaltspunkte festgestellt werden können.

 

Zu den Fragen 26 bis 31:

In den Polizeianhaltezentren Hernalser Gürtel und Roßauer Lände werden alle Asyl- und Asylfolgeanträge ordnungsgemäß entgegengenommen und in weiterer Folge durch den zuständigen Fachbereich 3 (Zentrale Bearbeitung fremdenrechtlicher Angelegenheiten) bearbeitet.

Hr. Ausserhuber brachte in einer Eingabe am 04.05.2010 vor, dass Vincent A. am 29.04.2010 einen Asylantrag vor einem Polizeibeamten gestellt habe und er selbst um 13.37 Uhr telefonisch Zeuge davon geworden sei. Dies wurde umgehend einer Überprüfung anhand des Aktes unterzogen. Es konnten jedoch keine Anhaltspunkte dafür gefunden werden. Vincent A. nahm bei einer niederschriftlichen Einvernahme am 30.04.2010, die unter Beiziehung eines Dolmetschers stattfand, keinerlei Bezug auf den von Hr. Ausserhuber behaupteten Asylantrag. Es wurde auch bei dieser niederschriftlichen Einvernahme kein Asylantrag gestellt.

Cletus B. stellte vielmehr am 03.05.2010, um 16.35 Uhr, während seines Gespräches mit Herrn Ausserhuber und auf dessen Anraten gegenüber dem überwachenden Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Asylantrag, welcher entgegengenommen und unmittelbar nach Beendigung des Besuches dem zuständigen, oben erwähnten Fachbereich 3 weitergeleitet wurde.

Vom zuständigen Referenten dieses Fachbereiches wurden alle weiteren Erhebungen und erforderlichen Schritte einschließlich Rücksprache mit dem Journaldienst des Bundesasylamtes gesetzt.

Sowohl die Asylantragstellung im Zuge des Besuches des Rechtsvertreters als auch die Bearbeitung dieses Antrages sind in Form eines Berichtes bzw. einer Meldung/Asylantrag dokumentiert.

 

Zu den Fragen 32 und 33:

Die Beantwortung dieser Fragen fällt nicht in den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Inneres.

 

Zu Frage 34 bis 38:

Die Information über den konkreten Abschiebetermin, jeweils für 04.05.2010, lag bei Cletus B. am 19.04.2010, bei Vincent A. am 03.05.2010 vor. Cletus B. wurde der Termin im Zuge der Amtshandlung (Festnahme) am 29.04.2010 mitgeteilt. Vincent A. wurde am 03.05.2010 um 13.15 Uhr schriftlich informiert. Eine Information der Rechtsvertreter ist gemäß § 67

Abs. 4 FPG nicht vorgesehen.


Die Vorsprache des Hr. Ausserhuber erfolgte am 03.05.2010 beim zuständigen Referenten jedenfalls vor 12.00 (Parteienverkehr im Fremdenpolizeilichen Büro erfolgt an Werktagen ausschließlich zwischen 08.00 und 12.00 Uhr). Der Abschiebetermin stand lt. Bundespolizeidirektion Wien zu diesem Zeitpunkt nicht fest.

Vincent A. selbst wurde unmittelbar nach Feststehen des Abschiebetermins am 03.05.2010 um 13.15 Uhr schriftlich in Kenntnis gesetzt.

 

Zu den Fragen 39 bis 44:

Nein. Die Behauptungen von „Schikanen“, „Falschinformationen“, „Besuchsverweigerungen“ und „Nichtannahme von Asylgesuchen in Schubhaft“ haben sich nicht erwiesen.

 

Zu Frage 45:

Die Beantwortung dieser Frage ist aus Gründen der Amtsverschwiegenheit und unter Zugrundelegung datenschutzrechtlicher Erwägungen nicht zulässig.

 

Zu Frage 46:

Die aufgeworfene Frage betrifft die sogenannte Refoulment-Prüfung, die im Asylverfahren durchgeführt wird und bei glaubhaft gemachter Gefahr entweder zur Zuerkennung eines Status oder zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Ausweisung führt.

 

Zu Frage 47:

Eine Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung wird als eines der Merkmale, welche eine soziale Gruppe auszeichnen kann, gesehen und daher von der österreichischen Rechtssprechung – Glaubwürdigkeit vorausgesetzt – im Einzelfall als Asylgrund anerkannt.

 

Zu Frage 48:

Ein Asylwerber hat gemäß § 15 Abs 1 Z 1 iVm Abs 3 AsylG am Verfahren mitzuwirken und ohne unnötigen Aufschub alle Gründe, die zum Antrag auf internationalen Schutz geführt haben, wahrheitsgemäß darzulegen. Gleichzeitig kennt das Asylgesetz in § 40 unter konkreten Bedingungen ein Neuerungsverbot vor dem Verfahren des Asylgerichtshofs.

 

Zu den Fragen 49 und 50:

Gemäß § 3 Abs. 1 Anhalteordnung haben die Aufsichtsorgane Häftlinge vor unzulässigen Rechtseingriffen zu schützen. Dieser Fürsorgepflicht durch das Wachpersonal wird nachgekommen

Das Bundesministerium für Inneres setzt zahlreiche Maßnahmen im Rahmen der Aus- und Fortbildung von PolizeibeamtInnen im Bereich der Menschenrechte. Hervorzuheben ist hier das im Jahre 2003 erarbeitete und laufend aktualisierte Strukturkonzept zur Menschenrechtsbildung.

Diskriminierende Verhaltensweisen auf Seiten der Polizei werden bei Vorliegen strafrechtlicher Relevanz durch das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (.BAK) bzw. die Staatsanwaltschaften verfolgt. Dessen ungeachtet besteht unterhalb der strafrechtlichen Schwelle durch die zuständigen Dienst- und Disziplinarbehörden die Verpflichtung einer Prüfung.

Zudem wird in den polizeilichen Anhaltestellen ein spezifisches Augenmerk im Umgang mit homosexuellen Häftlingen und dem professionellen Management gewidmet.

Bekennt sich eine Person in einem Polizeianhaltezentrum zu seiner homosexuellen Neigung, wird auf Wunsch des Insassen zumeist die Möglichkeit der Anhaltung gem. § 5 Abs. 3 Ziffer 1 in einer Einzelzelle angeboten. Die Vorteile bzw. Rechte einer Anhaltung in einer Gemeinschaftsunterbringung werden dabei nicht eingeschränkt.

 

Zu Frage 51:

Die in dieser Frage implizit aufgestellte Behauptung, dass Heimreisezertifikate (HRZ) von den Behörden nicht für diese Personen, sondern für andere abzuschiebende Personen verwendet werden könnten, wird zurückgewiesen.

 

Der Ausstellung eines HRZ geht eine individuelle Verifizierung/Anerkennung als eigener Staatsbürger durch den ausstellenden Staat voraus und in der Regel erfolgt die Ausstellung für einen befristeten Zeitraum. Bei der Einreisekontrolle/Übernahme im Zielstaat würden Personen mit nicht originär für sie ausgestellten Dokumenten zurückgewiesen werden.

Wenn ein Reisepass vorhanden und für die Behörde verfügbar ist, kann selbstverständlich damit die Abschiebung erfolgen. Für die Übernahme im Zielstaat ist ein HRZ dann in der Regel nicht erforderlich. Wurde für eine Person dennoch ein HRZ eingeholt und schließlich nicht in Anspruch genommen, so verbleibt es beim Akt.