5588/AB XXIV. GP

Eingelangt am 03.08.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

 

 

An die

Präsidentin des Nationalrats

MagBarbara PRAMMER

Parlament

1017     W i e n

 

GZ: BKA-353.110/0133-I/4/2010

Wien, am 30. Juli 2010

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Tamandl, Kolleginnen und Kollegen haben am 7. Juni 2010 unter der Nr. 5616/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Menschenrechte - sexueller Missbrauch in Kinderheimen der Stadt Wien gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 bis 14:

Ø Sind Ihnen die Medienberichte über die Vorfälle in den Kinderheimen der Stadt Wien bekannt, wenn ja, seit wann?

Ø Haben Sie persönlich und/oder das Bundeskanzleramt bereits vor diesen Berich­ten irgendeine Kenntnis von diesen Vorfallen gehabt, wenn ja, wann haben Sie welche Kenntnisse erlangt?

Ø Handelt es sich bei diesen Vorfällen um Menschenrechtsverletzungen?

Ø Was haben Sie unternommen, als Sie davon erfuhren?

Ø Haben Sie in diesem Zusammenhang Gespräche mit den Verantwortlichen der Stadt Wien geführt, wenn nein, warum nicht?

Ø Wenn ja, wann und mit wem haben diese Gespräche stattgefunden?

Ø Was waren der Inhalt und die Ergebnisse dieser Gespräche?

Ø Sind Gesetzesänderungen zur Sicherung der Menschenrechte in den Kinderhei­men der Stadt Wien erforderlich, wenn ja welche?


Ø Welche unabhängigen Untersuchungen der Vorfälle im Sinne der internationalen Menschenrechtsstandards haben - abgesehen von strafrechtlichen Untersuchun­gen - stattgefunden?

Ø Was genau war das Ergebnis dieser Untersuchungen?

Ø Wurden die Opfer in irgendeiner Weise entschädigt, wenn ja wie, wenn nein, wa­rum nicht?

Ø Wurden die Menschenrechtsverletzungen wenigsten anerkannt oder eine Entschul­digung ausgesprochen, wenn ja, wann und von wem, wenn nein, warum nicht?

Ø Gibt es einen wirksamen Mechanismus zur Prävention von sexuellem Missbrauch in Kinderheimen der Stadt Wien, wenn ja, welchen, wenn nein, warum nicht?

Ø Was bedeutet es aus menschenrechtlicher Sicht, dass die Vorfälle in den Kinder­heimen der Stadt Wien offenbar jahrzehntelang weitgehend vertuscht wurden?

 

Grundsätzlich unterliegen die in Rede stehenden Kinderheime dem Kompetenztat­bestand „Jugendfürsorge“ (Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG). Die Vollziehung dieser Angele­genheiten kommt daher dem Bund im Allgemeinen nicht zu; damit betrifft sie nicht den Vollziehungsbereich des Bundeskanzleramtes.

 

Zu den in der Anfrage mittelbar angesprochenen Grundrechtsaspekten möchte ich aber allgemein Folgendes ausführen:

 

Im Grundsatzgesetz, aber auch im Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz, sind zahlreiche Regelungen betreffend die Aufsicht über Heime und andere Einrichtungen der Ju­gendwohlfahrt sowie deren Mitteilungspflichten enthalten. Zusätzlich zu den beste­henden Präventionsmechanismen, insbesondere den aufsichtsbehördlichen Befug­nissen, soll künftig ein weiterer Präventionsmechanismus eingerichtet werden: Es finden zur Zeit legistische Vorbereitungsarbeiten für eine Umsetzung und Ratifikation des am 25. September 2003 von Österreich unterzeichneten „Optional Protocol to the Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment – OPCAT”, eines Zusatzprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (UN-Antifolterkonvention), statt.

 

Ziel dieses Zusatzprotokolls ist es, zum Schutz der Menschenrechte ein System re­gelmäßiger Besuchskontrollen an „Orte[n] der Freiheitsentziehung“ im Sinn des Art. 4 OPCAT einzurichten. Auch Einrichtungen der Jugendwohlfahrt wie die in Rede ste­henden Kinderheime scheinen von der relativ weiten Begriffsdefinition des OPCAT erfasst. Die Kontrollen sollen insbesondere in (veröffentlichte) Empfehlungen mün­den.

 


Als internationaler Präventionsmechanismus ist ein Unterausschuss zur Verhü­tung von Folter vorgesehen (Art. 5 ff), der insbesondere berechtigt ist, einzureisen und vor Ort zu kontrollieren. Als nationaler Präventionsmechanismus ist eine unab­hängige, mit den erforderlichen Fachkenntnissen ausgestattete und pluralistisch zu­sammengesetzte Stelle zu unterhalten (Art. 17 ff). Ein Gesetzesvorschlag ist in Aus­arbeitung.

 

Sollten zuständige (verantwortliche) staatliche Organe in Rede stehende Vorfälle „vertuscht“ haben, impliziert dies in aller Regel die Rechtswidrigkeit deren Handelns, die nach den von der Rechtsordnung dafür vorgesehenen Mitteln (insbesondere Strafrecht, Aufsichts- und Disziplinarrecht, Amtshaftung) aufgegriffen werden kann und mit den vorgesehenen Rechtsfolgen zu sanktionieren ist. Die derart zur Verfü­gung stehenden Rechtsmittel bieten wirksame Beschwerdemöglichkeiten auch zur Geltendmachung allfälliger Menschenrechtsverletzungen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen