5796/AB XXIV. GP

Eingelangt am 20.08.2010
Dieser Text wurde elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Am 05.11.2018 erfolgte eine vertraulichkeits-/datenschutzkonforme Adaptierung

 

 

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordnete zum Nationalrat Anneliese Kitzmüller und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Kinder-Sexpartys im „N.N.““ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 4:

Die Staatsanwaltschaft Wien führt zur AZ 202 St 76/10t ein Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Beschäftigte des „N.N.“, da ein schon im Jahr 2000 zur AZ 2 St 522220/00a der Staatsanwaltschaft Wien einvernommener Zeuge neuerlich Beschuldigungen erhoben hat. Es wurden bereits umfangreiche polizeiliche Erhebungen getätigt. Die Erhebungsergebnisse werden von der Staatsanwaltschaft Wien mit den Ergebnissen des damaligen Verfahrens (GZ 032 HV 1896/01b des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) abzugleichen sein, um eine allenfalls gebotene Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen.

Zu 5 bis 7:

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt auch gegen den Betreiber der genannten Reinigungsfirma.

Zu 8 und 9:

Der Staatsanwaltschaft Wien ist die Identität der Personen bekannt; ich ersuche aber um Verständnis, dass ich die Namen dieser Personen während eines laufenden nicht öffentlichen Ermittlungsverfahrens (§ 12 StPO) sowie aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht bekannt gebe.

Zu 10 bis 44:

Das Sexualstrafrecht hat in vergangenen Jahren bereits umfangreiche Änderungen erfahren.

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2001 wurden die Strafdrohungen für Vergewaltigung (§ 201 StGB) sowie für Schweren sexuellen Missbrauch von Unmündigen (§ 206 StGB) angehoben.

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 erfolgte eine Gesamtreform des Sexualstrafrechts. Neben Modernisierungen (im terminologischen Bereich) waren zentrale Eckpfeiler dieser Reform: Aufhebung der Privilegierung bei Vergewaltigung oder geschlechtlicher Nötigung in aufrechter Ehe oder Lebensgemeinschaft; Einführung einer Schwangerschaftsqualifikation bei den §§ 201 und 202 StGB; Neufassung der §§ 201, 205, 207a, 213 bis 215 und 218 StGB; Einführung einer neuen Strafbestimmung der Förderung der Prostitution und pornographischer Darbietungen Minderjähriger (§ 215a StGB) und Anhebung der Strafdrohungen in den §§ 202 und 216 StGB.

Weitreichende Änderungen wurden zudem mit dem 2. Gewaltschutzgesetz vorgenommen: Einerseits wurde die Verjährungsfrist ein weiteres Mal verlängert. Die Zeit von der Tat bis zur Erreichung des 28. Lebensjahres des Opfers wird seither nicht mehr in die Verjährung eingerechnet; die Verjährungshemmung ist außerdem nicht auf taxativ aufgezählte Delikte beschränkt, sondern gelangt allgemein bei strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung zur Anwendung.

Mit BGBl. I Nr. 142/2009 wurde schließlich klargestellt, dass die Zeit bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres nicht in die Verjährung einzurechnen ist.

Außerdem wurden in §§ 202 Abs. 1 und 205 Abs. 1 StGB Strafuntergrenzen eingeführt, die Strafrahmen in den §§ 205 Abs. 2 und 207 Abs. 3 StGB erweitert und die Strafdrohung für das Herstellen, Einführen, Befördern oder Ausführen von pornographischen Darstellungen einer minderjährigen Person zum Zweck der Verbreitung durch Erweiterungen der Tathandlungen in § 207a Abs. 2 StGB ebenso wie die Strafdrohung in § 214 Abs. 2 StGB erhöht. Darüber hinaus wurde mit § 207a Abs. 3a StGB der wissentliche Zugriff auf Kinderpornografie im Internet unter Strafe gestellt.

Derzeit wird gerade das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern (SEV Nr. 201) ratifiziert. Dieses Übereinkommen sieht die Verpflichtung vor, einen Straftatbestand für die Kontaktanbahnung eines Erwachsenen im Internet an einen unmündigen Minderjährigen zum Zweck des sexuellen Missbrauchs oder der Herstellung von Kinderpornografie (so genanntes „grooming“) zu schaffen. In Anlehnung an das Europaratsübereinkommen wird derzeit auch an einem Entwurf einer EU-Richtlinie des Rates an das Europäische Parlament zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern verhandelt. Auch im Hinblick auf diese Entwicklungen werden in Zukunft allfällige Änderungen des Sexualstrafrechts zu erwarten sein.

Im Hinblick auf die hier dargestellten, umfangreichen Änderungen im Bereich des Sexualstrafrechts sind weitere, darüber hinausgehende Änderungen vorerst nicht indiziert.

Zu 45 und 46:

Wie bereits angeführt, wurden die Strafrahmen in den letzten Jahren systematisch erhöht. Hat der Missbrauch den Tod der unmündigen Person zur Folge, sieht § 206 Abs. 3 StGB schon jetzt einen Strafrahmen von zehn bis zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe oder lebenslange Freiheitsstrafe vor. Es muss aber dem erkennenden Gericht genügend Spielraum eingeräumt werden, jeden Einzelfall individuell und seinen Besonderheiten nach zu beurteilen und bei der Strafbemessung die Schuld des Täters (§ 32 StGB) sowie besondere Erschwerungs- und Milderungsgründe (§§ 33 und 34 StGB) zu berücksichtigen und entsprechend zu werten. Eine Pauschalfreiheitsstrafe lehne ich daher ab.

Zu 47 und 48:

 

Schon bisher gibt es die Möglichkeit, dass sich Strafgefangene einer medikamentösen Behandlung zur Hemmung bzw. Dämpfung des Sexualtriebes unterziehen können. Begleitend dazu werden meist psychotherapeutische oder sozialtherapeutische Maßnahmen eingesetzt. Für die Behandlung ist stets auch die Zustimmung des Verurteilten notwendig.

Eine darüber hinausgehende Zwangskastration verstößt gegen elementare Menschenrechte. Überdies ist höchst fraglich, ob eine (chemische) Kastration tatsächlich den Effekt hätte, Rückfälle von Sexualstraftätern zu vermeiden, weil damit zwar eine Triebdämpfung bewirkt werden kann, die dahinter stehenden Motive der Tat – wie das Ausüben von Macht – jedoch nicht bekämpft werden können.

Zu 49 und 50:

Der Zuspruch einer Entschädigung durch das Strafgericht setzt gemäß §§ 366 ff StPO einen Schuldspruch des Angeklagten voraus. Da der Angeklagte im Verfahren GZ 032 HV 1896/01b des Landesgerichtes für Strafsachen Wien freigesprochen wurde, konnte demgemäß auch kein Privatbeteiligtenzuspruch erfolgen.

Zu 51 bis 53:

Die Gewährung professioneller psychologischer Betreuung für Opfer fällt nicht in meinen Wirkungsbereich. Gemäß § 66 Abs. 2 StPO kann Opfern im Sinne des § 65 Ziffer 1 StPO psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Strafverfahren gewährt werden, soweit dies zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte erforderlich ist. Die Entscheidung über die Gewährung von Prozessbegleitung erfolgt durch die Opferschutzeinrichtungen.