5881/AB XXIV. GP

Eingelangt am 30.08.2010
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger diplô

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0255-II/A/9/2010

Wien, am 27. August 2010

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 6109/J der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 und 2:

Detaillierte Endberichte von Schwerpunktaktionen werden routinemäßig an die Lebensmittelaufsicht der Bundesländer, die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und die Landesuntersuchungsanstalten der Länder Wien, Kärnten und Vorarlberg versendet. Dies gilt auch für die Endberichte der Schwerpunktaktionen A-042-09 „Flaschen- und Beruhigungssauger“ und A-003-10 „Babytrinkflaschen aus Polycarbonat auf Bisphenol A (BPA)“.


Fragen 3, 5, 13 und 17:

Die Bekanntgabe von Produktbezeichnungen und Firmennamen von im Rahmen der amtlichen Lebensmittelkontrolle gezogenen, untersuchten und bewerteten Proben durch das Bundesministerium für Gesundheit bzw. durch andere an der amtlichen Lebensmittelkontrolle beteiligten Stellen (Bundesländer, AGES, Untersuchungs-anstalten Wien, Kärnten und Vorarlberg) sieht das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) nicht vor.

Eine Information der Öffentlichkeit nach dem LMSVG ist nur dann vorgesehen, wenn eine Ware als gesundheitsschädlich eingestuft wurde und Gemeingefährdung vorliegt. (siehe § 43 LMSVG). Dies war bei keinem der im Zuge beider gegenständlichen Schwerpunktaktionen untersuchten Produkte der Fall.

Das LMSVG stellt darüber hinaus sicher, dass gesundheitsschädliche und nicht sichere Produkte rasch vom Markt kommen bzw. nicht mehr in den Markt kommen.

 

Frage 4:

Bei A-042-09: 11 Beruhigungssauger

2009 (aufgrund dieser Aktion zusätzlich): 6 Beruhigungssauger

2010: 1 Beruhigungssauger

 

Frage 6:

Bei A-042-09: 8 Latex, 3 Silikon

2009 (aufgrund dieser Aktion zusätzlich): 1 Latex, 5 Silikon

2010: 1 Silikon

 

Frage 7:

Es befanden sich keine als BPA-frei gekennzeichnete Produkte unter den beprobten Schnullern und Ernährungssaugern.

 

Frage 8:

Von den 11 Beruhigungssaugern hatten 8 Latexsaugteile und 3 Silikonsaugteile.

Die Migrationsuntersuchungen wurden getrennt, sowohl an den weichen Saugteilen (Latex, Silikon) als auch an den Hartteilen (Schild), durchgeführt (14 Tage lang bei 37°C in synthetischer Speichellösung abwechselnd bewegt und unbewegt gelagert). Messungen erfolgten nach 24, 48, 144 und 336 Stunden. Die Bestimmungsgrenze betrug 0,002 mg/l Speichelsimulans. Der höchste Messwert bei den Saugteilen lag mit 0,003 mg/l knapp über der Bestimmungsgrenze. Die Migrationsergebnisse für die Schilde lagen zwischen <BG (unter der Bestimmungsgrenze) und 0,021 mg/l.

Die Extraktionsuntersuchungen wurden an den Saugteilen durchgeführt. 8 Ergebnisse lagen unter der Bestimmungsgrenze von 0,002 mg/l Extraktionslösung bzw. unter 0,2 mg BPA/kg Saugermaterial. Aufgrund von Matrixeffekten - bei einer Extraktion wird eine Vielzahl von Substanzen aus dem Material herausgelöst - lag die Bestimmungsgrenze bei 3 Proben höher, nämlich 2 mal bei 0,005 mg BPA/l und 1 mal bei 0,01 mg BPA/l Extraktionslösung. Daraus errechnet sich für diese Proben ein materialbezogenes Ergebnis von < 0,5 mg/kg und < 1 mg/kg.


Fragen 9, 10 und 11:

Es wurden Gespräche mit betroffenen Herstellern geführt, die auch diesbezügliche Eigenuntersuchungen durchführten. Die plausibelste Erklärung ist eine Kontamination im Produktionsprozess, da häufig keine räumliche Trennung der verschiedenen Herstellungsprozesse erfolgt. Eine gezielte Maßnahme eines großen betroffenen Herstellers: komplette Umstellung auf polycarbonatfreie Produkte und Komplettreinigung sämtlicher Fertigungsbereiche (vom Rohstofflager bis zu den Filteranlagen) während eines Betriebsstillstandes.

Einzelmaßnahmen zur Vermeidung von BPA-Kontaminationen werden mit den betroffenen Unternehmen vereinbart und die Wirksamkeit dieser Maßnahmen durch Marktkontrollen überprüft.

 

Frage 12:

Bei A-042-09: 11 Ernährungssauger (5 Latex, 6 Silikon)

2009 (aufgrund dieser Aktion zusätzlich): 5 Ernährungssauger (1 Latex, 4 Silikon)

2010: 1 Ernährungssauger (Silikon)

 

Frage 14:

26 Fläschchen waren aus Polycarbonat.

 

Frage 15:

Ja, es wurden 30 verschiedene Produkte getestet.

 

Frage 16:

Unter den getesteten Fläschchen  befanden sich 4 als BPA-frei gekennzeichnete Produkte.

 

Frage 18:

Bei 12 Produkten konnte mit dem für Milchprodukte nun strengeren Simulanzlösemittel, 50%igem Ethanol, keinerlei BPA-Migration (kleiner als Nachweisgrenze, also 0,6 µg/kg in allen drei Migraten) nachgewiesen werden. Davon waren 3 Produkte nicht aus Polycarbonat gefertigt und somit erwartungsgemäß BPA-frei.

Grundsätzlich findet sich bei allen Produkten, bei denen eine BPA-Migration nachgewiesen werden konnte, eine tendenzielle Abnahme der Gehalte von der ersten bis zur dritten Migration, wobei häufig in der dritten Migration kein BPA mehr nachweisbar war.

Messbare BPA-Werte lagen bei den aus Polycarbonat gefertigten Flaschen nach der ersten Migration zwischen 2 und 3,7 µg/kg.

Nach der zweiten und auch nach der dritten beurteilungsrelevanten Migration lagen die Messwerte unter der Bestimmungs- (2 µg/kg) oder unter der Nachweisgrenze.

 

Fragen 19 und 20:

Die Degradation (Abbau des Polymers in seine Bestandteile, insbesondere in dessen Monomere) erfolgt bei Polycarbonat unter Einwirkung stark alkalischer Umgebungsbedingungen bei gleichzeitig hoher Temperaturbelastung. Dieser bekannte Effekt wird auch sehr anschaulich in der zitierten Studie gezeigt. Die Studie ist wichtig, da sie die Einsatzgrenzen des Materials und der daraus hergestellten Produkte aufzeigt und andererseits auch bestätigt, dass bei bestimmungsgemäßer Verwendung und Einhaltung der Reinigungshinweise von den Herstellern (nicht im Geschirrspüler reinigen, keine Verwendung von scharfen Reinigungsmitteln) diese Produkte sicher sind und eine Degradation des Materials auch langfristig verhindert werden kann. Ein wesentliches Ergebnis der Studie ist, dass selbst bei gröbster Fehlbehandlung erst BPA-Konzentrationen im Bereich des Grenzwertes von 0,6 mg/kg gemessen werden können. Diese BPA-Mengen wurden erzielt, nachdem die Flaschen im Laborgeschirrspüler mit stark alkalischen Laborreinigungsmitteln, die nur im einschlägigen Fachhandel erhältlich sind und auch nur für Laborgeschirrspülgeräte geeignet sind, behandelt wurden und nach Antrocknen dieses alkalischen Mediums bei hohen Temperaturen (80°C) und nicht Ausspülen(!) und nicht Vollfüllen des Fläschchens.

Das in der Studie angewandte Prozedere mit stark alkalischen Spülmitteln, Laborgeschirrspülmaschine, Antrocknen des Spülmittels und anschließender Extraktion mit Methyl tert. Butylether simuliert daher in keiner Weise den vorhersehbaren Übergang von BPA in Fläschchennahrung. Einen „missbräuchlichen Zerstörungsfaktor“ berücksichtigt die AGES bei der Produktbewertung nicht, da für die Beurteilung der Erfüllung von gesetzlichen Anforderungen immer der bestimmungsgemäße und vorhersehbare Gebrauch vorausgesetzt wird.

 

Fragen 21 und 22:

Europaweit ist zurzeit bekanntlich ein spezifischer Migrationsgrenzwert für BPA im Zusammenhang mit Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff, sowie es Babyfläschchen aus Polycarbonat darstellen, von 0,6 mg/kg bzw. 600 µg/kg Lebensmittel festgelegt. Daher wurde dieser auch in Österreich rechtlich verbindliche Grenzwert zur Beurteilung der Erfüllung gesetzlicher Anforderungen herangezogen.

Die BPA-Gehalte aller untersuchten 30 Produkte liegen weit unterhalb von 250 µg/kg bzw. 250 µg/ l.

 

Fragen 23 und 24:

Ich arbeite daran, Regelungen betreffend Bisphenol A nicht nur national, sondern auch auf gemeinschaftlicher, europäischer Ebene zu schaffen.

In einem Brief an den zuständigen EU-Kommissar Dalli drückte ich klar aus, dass dafür Sorge zu tragen wäre, dass der Stoff Bisphenol A zumindest in Artikeln für Säuglinge und Kleinkinder vorsorglich nicht mehr enthalten sein solle, wenn gesundheitsschädliche Wirkungen wissenschaftlich nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Dies beschränkt sich nicht auf Lebensmittelkontaktmaterialien, sondern muss alle verbrauchernahen Produkte für Kinder erfassen. Solange erhebliche wissenschaftliche Widersprüche bestehen, soll das Vorsorgeprinzip angewendet werden und BPA EU-weit in Kinderprodukten verboten werden. Eine entsprechende Wortmeldung im Zusammenhang mit Spielzeug habe ich auch am letzen Gesundheitsministerrat am 8. Juni in Luxemburg abgegeben.