5991/AB XXIV. GP

Eingelangt am 07.09.2010
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Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

 

 

 

An die

Präsidentin des Nationalrats

MagBarbara PRAMMER

Parlament

1017     W i e n

GZ: BKA-353.110/0161-I/4/2010

Wien, am 7. September 2010

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Grillitsch, Kolleginnen und Kollegen haben am 9. Juli 2010 unter der Nr. 6122/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Strategie „Europa 2020“, Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Ø Welche Position haben Sie beim Europäischen Rat im März 2010 zur Frage der Landwirtschaft in der Strategie "Europa 2020" eingenommen? Haben sie den Vor­schlag von Frankreich für die Ergänzung der Schlussfolgerungen aktiv unterstützt?

 

Der Europäische Rat hat sowohl im März 2010 als auch im Juni 2010 in seinen Schlussfolgerungen zum Ausdruck gebracht, dass die Strategie „Europa 2020“ durch alle gemeinsamen Politiken - darunter auch die Gemeinsame Agrarpolitik - unter­stützt werden soll und betonte, dass in Anbetracht des Wachstum- und Beschäfti­gungspotentials der ländlichen Gebiete ein nachhaltiger, produktiver und wettbe­werbsfähiger Agrarsektor einen bedeutenden Beitrag zur Strategie Europa 2020 leis­ten wird. Weiters wurde festgehalten, dass neben der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbes und dem Ausbau der Infrastruktur, der wirtschaftliche, soziale und ter­ritoriale Zusammenhalt zu fördern ist.

 

Die Aufnahme des französischen Formulierungsvorschlags zum Agrarsektor im Rah­men der Schlussfolgerungen wurde von Österreich begrüßt.

 

Zu Frage 2:

Ø Wie werden Sie sich zukünftig bei der weiteren Ausgestaltung der Strategie Euro­pa 2020 bezüglich Landwirtschaft positionieren?

 

Der Europäische Rat hat im Juni 2010 die neue Strategie für Beschäftigung und intel­ligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum "Europa 2020" angenommen.

 

Die Strategie Europa 2020 legt ihren Schwerpunkt auf Maßnahmen in den drei Schlüsselbereichen Wissen und Innovation, stärkere Ausrichtung der Wirtschaft auf Nachhaltigkeit sowie hohes Beschäftigungsniveau und soziale Eingliederung. Die Mitgliedstaaten und die Europäische Union sollen in den kommenden zehn Jahren ihre wirtschaftspolitischen Maßnahmen so gestalten, dass sie zur Erreichung der folgenden fünf Kernziele bis zum Jahr 2020 beitragen:

        Erhöhung der Beschäftigungsquote der 20- bis 64-jährigen Frauen und Männer auf 75%,

        Erhöhung der Forschungsquote auf 3% des BIP,

        20-20-20-Ziel: Verringerung der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Niveau des Jahres 1990 um 20%, Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 20% und Erhöhung der Energieeffizienz in Richtung 20%,

        Senkung der Schulabbrecher- und Schulabbrecherinnenquote auf unter 10% und Erhöhung des Anteils der 30-34-Jährigen mit einem Hochschulabschluss oder einem gleichwertigen Abschluss auf mindestens 40%,

        Förderung der sozialen Eingliederung, insbesondere durch Verminderung von Ar­mut, wobei mindestens 20 Millionen Menschen vor dem Risiko der Armut oder der Ausgrenzung bewahrt werden sollen.

 

Entsprechend den Schlussfolgerungen der Europäischen Räte vom März und Juni 2010 wird die Strategie „Europa 2020“ durch alle gemeinsamen Politiken - darunter auch die Gemeinsame Agrarpolitik - unterstützt. Die gemeinsamen Politiken werden künftig einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Kernziele leisten.

 

Zu Frage 3:

Ø Welche konkreten Maßnahmen werden Sie als Bundeskanzler auf europäischer Ebene erstens im Lauf dieses Jahres und zweitens in den Folgejahren setzen,
- dass die Gemeinsame Agrarpolitik ein Schlüsselbereich der Gemeinschaftspolitik und somit des Gemeinschaftshaushaltes bleibt?
- dass das derzeitige Finanzvolumen für die GAP auch in der neuen Finanzperiode 2013-2020 auf einem hohen Niveau bleibt?
- dass weiterhin eine flächendeckende, nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft als Ziel der europäischen Agrarpolitik definiert wird und das bewährte, sich ergänzen­de Zusammenspiel von erster und zweiter Säule der GAP fortgesetzt wird?

 

Einleitend möchte ich festhalten, dass laut Bundesministeriengesetz das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft federführend für die bun­desweite Abstimmung der Agrarpolitik im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) zuständig ist.

 

Daher beantworte ich Frage 3 vor dem Hintergrund meiner mittelbaren Betrof­fenheit, insbesondere mit Hinblick auf meine Zuständigkeiten, die Angelegenheiten des Europäischen Rates betreffend.

 

Im Dezember 2005 wurde vom Europäischen Rat vereinbart, eine weitreichende Überprüfung und Neubewertung des Finanzrahmens vorzunehmen. Die Einigung des Europäischen Rates enthält eine Revisionsklausel („Review“), nach der die Kommis­sion aufgefordert wird, eine vollständige, weitreichende Überprüfung vorzunehmen, die sämtliche Aspekte der EU-Ausgaben, einschließlich der Gemeinsamen Agrarpo­litik, und der Eigenmittel, einschließlich der Ausgleichszahlungen an Großbritannien, abdeckt. Auf Grundlage dieser Überprüfung kann der Europäische Rat zu allen Punk­ten, die darin behandelt wurden, entsprechende Beschlüsse fassen. Die Überprüfung wird auch bei der Vorbereitung der nächsten Finanziellen Vorausschau berücksichtigt.

 

Über die Finanzausstattung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 wird daher im Kontext der Verhandlungen über den neuen mehrjährigen Finanzrahmen entschie­den. Dabei werden die Konsolidierungserfordernisse in den Mitgliedstaaten auch im EU-Haushalt zu berücksichtigen und dementsprechend Prioritäten für die verschie­denen Politikbereiche der EU zu setzen sein. Die Kommission hat für den Herbst 2010 die Veröffentlichung ihrer Mitteilung zum Haushaltsreview angekündigt.

 

 

Hinsichtlich des Reviewprozesses wurde bereits im Frühjahr 2008 von der Bundes­regierung die Verhandlungsführung in ihren Eckpunkten definiert, die auch in das aktuelle Regierungsprogramm aufgenommen worden sind. Mit Hinblick auf die Ge­meinsame Agrarpolitik (GAP) können sie folgendermaßen zusammengefasst wer­den:

·           Österreich wird weiterhin für ein sparsames EU-Budget eintreten.

·           Umstrukturierung des EU-Haushaltes zu Gunsten neuer Schwerpunkte und Kernthemen, wie insbesondere den Lissabon-Prozess (Europa 2020) oder die Ländliche Entwicklung im Sinne der österreichischen Agrarpolitik.

·           Maßnahmen und Vorschläge im Bereich der ersten Säule werden im Hinblick auf die Beschränkung der Gesamtausgaben und die Nettoposition Öster­reichs unterstützt. Neben einer starken zweiten Säule zur Weiterentwicklung des Ländlichen Raums sollen auch ausreichend Mittel in der ersten Säule der GAP sichergestellt werden, damit Versorgungssicherheit, Sicherheit von Le­bensmitteln, Natur- und Umweltschutz, Tierschutz sowie Landschaftserhalt und –pflege auch in Zukunft verwirklicht werden können.

·           Die Bundesregierung tritt für eine verstärkte finanzielle Beteiligung der EU an der Entwicklung des ländlichen Raums ein, damit zusätzliche Belastungen der nationalen Haushalte vermieden werden.

 

Diese Position wird in enger Abstimmung mit den zuständigen Bundesministern im Lichte der angekündigten Vorschläge der Europäischen Kommission und der Debatten auf europäischer Ebene zu präzisieren und weiterzuentwickeln sein.

 

Zu Frage 4:

Ø Welche Maßnahmen wurden im Rahmen der Strukturfondsprogramme zur Ver­einbarkeit von Beruf und Familie umgesetzt? Wie viele Kinderbetreuungsplätze wurden im Rahmen dieser Programme geschaffen?

 

Primär sind die von der Europäischen Kommission genehmigten österreichischen EFRE-Programme 2000 bis 2006 und 2007 bis 2013 auf die Stärkung der regionalen Innovationskraft, der Wissensbasis und die Verbesserung der regionalen Wettbe­werbsfähigkeit sowie die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen ausgerichtet. Allgemein ist dabei anzumerken, dass die Federführung bei der inhaltlichen Gestal­tung der EFRE-Programme bei den Bundesländern liegt.

 

In diesem Zusammenhang haben die Bundesländer Salzburg und Vorarlberg in ihren EFRE-Ziel 2 -Programmen in der Periode 2000 – 2006 ergänzend auch Maßnahmen zur Verbesserung der Chancengleichheit am Arbeitsmarkt aufgenommen.

 

Eine Auswertung der im EFRE-Monitoringsystem verfügbaren Indikatoren bzw. Daten ergab Folgendes:

Im Rahmen des Ziel-2-Programms Salzburg 2000 – 2006 betraf eine Maßnahme die Errichtung und den Ausbau von Weiterbildungs- und betrieblichen Kinderbe­treuungseinrichtungen zur Verbesserung der Chancengleichheit. Vier betriebliche Kinderbetreuungseinrichtungen wurden gefördert, die gemeindeübergreifend fle­xible Kinderbetreuung ermöglichen.

 

Im Ziel 2-Programm Vorarlberg 2000 – 2006 zielte ebenfalls eine Maßnahme auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Erwerbstätigkeit von Frauen ab. Neun Kinderbetreuungseinrichtungen konnten errichtet bzw. ausgebaut werden. Erwähnenswert ist weiters das Projekt „Frauenförderungsplan Großes Walsertal“.

 

Die Anzahl der Kinderbetreuungsplätze wurde im Programm-Monitoring nicht erfasst.

 

Zu Frage 5:

Ø Wie viele Mittel sind in den Strukturfondsprogrammen 2007-2013 für energiebe­zogene Projekte im ländlichen Raum eingeplant?

 

Bei den regionalen EFRE-Programmen „Regionale Wettbewerbsfähigkeit“ (dazu zäh­len die Bundesländer Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steier­mark, Tirol, Vorarlberg und Wien) und „Konvergenz-Phasing Out“ (Burgenland) sind insgesamt – mit Ausnahme von Wien - für die Periode 2007 - 2013 EFRE-Mittel in Höhe von rund € 30,2 Mio. für energiebezogene Projekte eingeplant.

 

Zu Frage 6:

Ø Wie viele Projekte mit welchem Mittelvolumen wurden bereits bewilligt? Aufgliederung dieser bewilligten Projekte nach den Kategorien Wasserkraft, Wind­kraft, Solarenergie und sonstige erneuerbare Energieträger?

 

Im Rahmen der regionalen EFRE-Programme 2007 – 2013 wurden bisher rund 17,1 Millionen € für insgesamt 81 energiebezogene Projekte genehmigt (siehe Tabelle).

 

Energie-Kategorien

EFRE-Mittel

Projekte

Erneuerbare Energien: Wind

0

0

Erneuerbare Energien: Sonne

221.971

4

Erneuerbare Energien: Biomasse

6.754.338

26

Erneuerbare Energien: Wasserkraft, Erdwärme u. a.

119.705

1

Energieeffizienz, Kraft-Wärme-Kopplung, Energiemanagement

9.960.871

50

Quelle: EFRE-Monitoring, Daten Mai 2010

 

Zu Frage 7:

Ø Werden auch Projekte, die fossile Energieträger betreffen im Rahmen der Struktur­fonds gefördert?

 

Die österreichischen EFRE-Programme sehen keine Förderung derartiger Projekte vor.

 

Zu Frage 8:

Ø Wie stellen Sie sicher, dass es in den aus den Strukturfonds finanzierten Program­men zu keiner Überschneidung mit anderen EU-finanzierten Programmen und Maßnahmen kommt? Welche Möglichkeiten gibt es um Synergien zwischen den Strukturfonds und anderen EU-Fonds zu nutzen?

 

Die Abstimmung mit anderen EU-finanzierten Programmen erfolgt grundsätzlich auf der thematischen Ebene und auf der Ebene der Förderungsempfänger. Die Anwen­dung von nationalen Förderrichtlinien mit klar definierten Zielgruppen und Fokus auf spezifische Förderungstatbestände zur Kofinanzierung der EU-geförderten Program­me führt zu einem geringen Überschneidungspotential.

 

Bereits in der Phase der Programmerstellung wurden die im Rahmen des EFRE ge­planten Maßnahmen insbesondere in Hinblick auf ihre Komplementarität zum Pro­gramm für Beschäftigung (ESF) und zum Programm für ländliche Entwicklung (ELER) geprüft und im Falle möglicher Überschneidungen mittels Kriterien klar abge­grenzt. Entsprechende Kapitel in den operationellen Programmen stellen die Kom­plementarität dar.

 

Allfällige verbleibende Überschneidungsmöglichkeiten sind jedenfalls im Rahmen der Projektantragsprüfungen durch die genehmigenden Stellen zu berücksichtigen, um Doppelförderungen auszuschließen.

 

Die Zielgruppensegmentierung der EU-Programme lässt kaum Spielraum für Syner­gien durch „integrierte“ Projekte zu. Synergien auf regionaler Ebene ergeben sich eher durch die thematische Komplementarität der EU-Fonds.

 

Möglichkeiten der Nutzung von Synergien liegen - unter Beachtung der Komplemen­tarität der Förderungen – bei der Entwicklung, Konzeption und Umsetzung von Pro­jekten vor allem bei der in Österreich praktizierten serviceorientierten Beratung der ProjektträgerInnen durch die Förderstellen des Bundes, der Länder und intermediä­rer Einrichtungen wie z.B. den Regionalmanagements über die Inanspruchnahme der verschiedenen EU-Förderinstrumente/EU-Förderprogramme. Der Information über die diversen EU-Förderprogramme sowie dem Herstellen von hilfreichen Kon­takten bzw. der Vermittlung an andere für das Vorhaben in Frage kommenden öster­reichischen Förderstellen kommt wesentliche Bedeutung bei der Umsetzung der EU-Programme in Österreich zu.

 

Insgesamt darf jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Programme der EU-Ko­häsionspolitik nur Ausschnitte der nationalen Politikfelder abdecken.

 

Zu Frage 9:

Ø Welche Partner, insbesondere NGO, werden im Rahmen der Begleitung der Struk­turfonds in welcher Form eingebunden?

 

Die Geschäftsordnungen der Begleitausschüsse für die Programme im Rahmen des EFRE sehen vor, dass sich die Begleitausschüsse aus VertreterInnen folgender Insti­tutionen zusammensetzen:

Europäische Kommission (mit beratender Funktion), jeweils betroffene Bundes­ministerien, Länder, die verantwortlichen Förderstellen des Bundes und der Län­der sowie die Wirtschafts- und Sozialpartner (als stimmberechtigte Mitglieder); Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Österreichischer Städte- und Gemein­debund, eine VertreterIn des BMASK in der Funktion der Verwaltungsbehörde für das ESF-Programm in Österreich; eine VertreterIn des BMLFUW in der Funktion der Verwaltungsbehörde des Österreichischen Programms für die Entwicklung des ländlichen Raumes (mit beratender Funktion).

 

Eingebunden sind folgende Nichtregierungsorganisationen:

        eine Person in Vertretung einer mit Fragen zur Chancengleichheit der Geschlech­ter befassten Nichtregierungsorganisation (Frauenstiftung Steyr);

        eine Person in Vertretung einer von den mit Umweltfragen befassten Nichtregie­rungsorganisationen einhellig autorisierten bundesweiten Organisation (Umwelt­dachverband);

        eine Person der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation – Dach­organisation der Behindertenverbände Österreichs (ÖAR).

 

 

Mit freundlichen Grüßen