5998/AB XXIV. GP

Eingelangt am 08.09.2010
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0116-I 3/2010

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 7.9.2010

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Werner Neubauer,

Kolleginnen und Kollegen vom 9. Juli 2010, Nr. 6174/J,

betreffend EU Kommissionsurteil zu Temelin

 

 

 

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen vom 9. Juli 2010, Nr. 6174/J, teile ich Folgendes mit:

 

Grundsätzliches:

 

Eingangs sei klargestellt, dass die Europäische Kommission (EK) keine Urteile fällen kann. Sie hat die Tschechische Republik am 23. September 2009 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt, der am 10. Juni 2010 in dieser Rechtssache (C-378/09) ein dem Antrag der EK folgendes Urteil gefällt hat. Das Urteil des EuGH bezieht sich auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage. Das tschechische UVP-Gesetz ist zwischenzeitlich mit dem Ziel novelliert worden, dieses Gesetz vollständig mit der UVP-Richtlinie in Einklang zu bringen. Ob dies nunmehr tatsächlich der Fall ist, ist von der EK zu prüfen. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die EK als Hüterin der Verträge bereits 2006 ein Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Umsetzung der UVP-Richtlinie in tschechisches Recht eingeleitet hat. Die nunmehrige Verurteilung zeigt, dass sowohl die EK als auch der EuGH ihre diesbezüglichen Aufgaben umsichtig, aber konsequent wahrnehmen.

 

Die einzelnen Fragen werden wie folgt beantwortet:

 

Zu Frage 1:

 

Die Anti-Atom Politik der Bundesregierung, wie sie im Regierungsprogramm für die laufende Legislaturperiode festgelegt ist, bleibt vollinhaltlich aufrecht. Darüber hinaus wird Österreich auch weiterhin in Kontakt mit der EK auf die Klärung offener EU-Rechtsfragen im Hinblick auf nationale UVP-Gesetze, so weit sie für die österreichische Anti-Atom Politik von Bedeutung sind, achten.

 

Zu Frage 2:

 

Das UVP-Verfahren nach dem tschechischen UVP-Gesetz wurde vom EuGH im o.e. Urteil nicht beanstandet. Die Verurteilung erfolgte, weil nach alter Rechtslage gegen – einer durchgeführten UVP nachfolgenden – Entscheidungen kein vollständiger Zugang zu unab­hängigen Gerichten bestand. Die bisherigen Verfahrensschritte der grenzüberschreitenden UVP zum Vorhaben der Errichtung eines 3. und 4. Blocks im KKW Temelín werden von dem Urteil überhaupt nicht berührt, da noch keine "Entscheidung" im Sinn des Art. 10a UVP-Richtlinie getroffen wurde. Es wird darauf hingewiesen, dass der „Standpunkt“ des tschechischen Umweltministeriums zum Feststellungsverfahren (Scoping) den österreichi­schen Anliegen fast vollständig Rechnung getragen hat. Wir werden darauf achten, dass dieses Verfahren korrekt abgewickelt wird.

 

Zu Frage 3:

 

Das Urteil des EuGH vom 10. Juni betrifft ausschließlich die Rechtslage in der Tschechischen Republik, die mit der Rechtslage in der Slowakischen Republik und dem UVP-Verfahren zur Fertigstellung der Blöcke 3+4 des KKW Mochovce in keinerlei Zusammenhang steht. Auch hier ist es Aufgabe der Europäischen Kommission als Hüterin der Verträge, zu prüfen, ob die slowakische Republik die UVP-Richtlinie vollständig in nationales Recht umgesetzt hat. Gegenüber Österreich hat die Slowakische Republik bislang alle formalen Verpflichtungen eingehalten, auch wenn nicht alle Schritte im Geiste gut nachbarschaftlicher Kooperation erfolgt sind. Darüber hinaus wurde von den zuständigen slowakischen Behörden schriftlich bestätigt, dass der Zugang zu den nachfolgenden Bewilligungsverfahren und letztlich auch zu den Gerichten gegeben ist.

 

Zu den Fragen 4 und 5:

 

Auch hier sei klargestellt, dass das Urteil des EuGH vom 10. Juni 2010 weder das „Melker Protokoll“ aus dem Jahre 2000 noch die „Vereinbarung von Brüssel“ aus dem Jahre 2001 in irgendeiner Weise berührt. Im Übrigen wird auf das Regierungsprogramm verwiesen, das zu diesem Thema ausführt: “Beim Kernkraftwerk Temelín wird der Sicherheitsdialog intensiv fortgesetzt. Die Bundesregierung verfolgt weiter das Ziel, dass die im Anhang I der „Vereinbarung von Brüssel“ festgelegten Sicherheitsmaßnahmen vollständig realisiert werden.“

 

Zu Frage 6:

 

Da es sich vorerst um eine Standortsuche für ein geologisches Tiefenlager in der Tschechischen Republik handelt und somit noch kein formelles Verfahren eingeleitet wurde, kommen derzeit weder das nationale UVP-Recht noch die UVP-Richtlinie zum Tragen.

 

Auf alle zukünftigen UVP-Verfahren hinsichtlich kerntechnischer Anlagen in der Tschechischen Republik findet die novellierte Rechtslage Anwendung, die nun ausreichenden Zugang zu den Gerichten gewähren sollte. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird – wie oben bereits erwähnt – derzeit von der Europäischen Kommission als Hüterin der Verträge geprüft und wird letztlich von dieser zu beurteilen sein.

 

Zu Frage 7:

 

Es sei nochmals unterstrichen, das das Urteil des EuGH vom 10. Juni 2010 ausschließlich die Rechtslage in der Tschechischen Republik betrifft.

 

Grundsätzlich beteiligt sich Österreich an allen grenzüberschreitenden Verfahren nach der UVP-Richtlinie bzw. der Espoo-Konvention, nach der SUP-Richtlinie (Strategische Umweltprüfung) bzw. im Rahmen der bilateralen „Nuklearinformationsabkommen“, wo „voraussichtlich erhebliche grenzüberschreitende nachteilige Auswirkungen“ nicht ausgeschlossen werden können. Oberste Maxime ist der Schutz der österreichischen Bevölkerung und der Umwelt.


Zu Frage 8:

 

Es wird auf die Beantwortung der Frage 3 verwiesen.

 

Der Bundesminister: