6022/AB XXIV. GP
Eingelangt am 08.09.2010
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am September 2010
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0176-I/4/2010
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 6066/J vom 8. Juli 2010 der Abgeordneten Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Im Jahr 2009 wurden die notwendigen Vorarbeiten für die Umsetzung des Programms „BürgerInnen entlasten in Verwaltungsverfahren“ getätigt sowie die Erhebung der Belastungen für BürgerInnen im Herbst 2009 gestartet.
Die notwendigen Vorarbeiten umfassten folgende Punkte:
· die Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt auch hinsichtlich der vorgezogenen Maßnahmen in den Bereichen Geburt, Eheschließung und Todesfall,
· die Einrichtung einer Steuerungsgruppe zur Abwicklung des Bürgerprogramms,
· die methodische Adaptierung der Standardkostenmodell-Methode (SKM-Methode) für BürgerInnen, dh Integration von qualitativen Aspekten in das rein quantitative SKM-Modell,
· die Erstellung eines Handbuchs für das Bürgerprogramm,
· die Auswahl der 100 wichtigsten Verwaltungsverfahren für die Erhebung, d.h. Rechtsnormenanalyse in den Ressorts und Bereitstellung der notwendigen Daten wie z.B. Fallzahlen,
· die Ausarbeitung eines strukturierten Fragebogens für die Erhebung durch Meinungsforscher, d.h. für die rund 4.000 persönlichen/telefonischen Interviews mit betroffenen BürgerInnen,
· die Vorbereitung und Begleitung der Ausschreibung für die Leistung der Meinungsforscher,
· die Vorbereitung der Erhebung durch Information der beteiligten Behörden/Institutionen, Kommunikation mit den Ressorts über die bereits etablierte Interministerielle Arbeitsgruppe aus der Unternehmensinitiative sowie die
· Begleitung der Erhebung durch die Meinungsforscher, d.h. laufende Kontrolle und Steuerung des Projektfortschritts.
Zu 2., 4. und 5.:
Anhand des strukturierten Fragebogens wurden quantitative Daten für die SKM-Messung, d.h. Zeit und direkte Kosten (Barauslagen wie etwa Fahrt- und Kopierkosten) erhoben und qualitative Fragen als Ansatzpunkte für Maßnahmen gestellt. Auf Basis dieser Daten wurde im März 2010 die Hochrechnung für die Belastung der Bürgerinnen und Bürger durchgeführt.
Die rund 100 erhobenen Verwaltungsverfahren für Bürger/innen verursachen:
· 22 Mio. Anträge, Ansuchen, Erklärungen etc. pro Jahr,
· 32,3 Mio. Stunden Gesamtbelastung und
· 113 Mio. EUR Barauslagen (Kopien, Fahrscheine, etc.) für alle Österreicherinnen und Österreicher.
Von den rund 22 Mio. Anträgen werden 12,5 Mio. persönlich, 7,7 Mio. per Post und nur 1,6 Mio. über elektronische Verfahren eingebracht. Von diesen 1,6 Mio. entfallen rund 1,5 Mio. auf das Bundesministerium für Finanzen, dh auf FinanzOnline. 62% der Befragten, die bis dato Anträge manuell abwickeln, können sich vorstellen, in Zukunft Verfahren elektronisch durchzuführen. Hohes Potential ergibt sich daher im eGovernment-Bereich mit vollelektronischen Anträgen, weiters durch One-Stop-Shops, durch Vernetzung zwischen den Behörden, einfachere Prozesse sowie verbesserte Beratungs- und Informationsangebote.
Die detaillierten Ergebnisse wurden an die beteiligten Ressorts für die Phase der Maßnahmenfindung übermittelt. Vorrangiges Ziel des Bürgerprojekts ist es, Bürgerinnen und Bürger durch weniger Zeit- und Kostenaufwand im Zusammenhang mit Verwaltungswegen zu entlasten und die Servicequalität der Behörden zu erhöhen. In einer ersten Runde wurden so genannte Kreativworkshops durchgeführt, an denen Vertreter/innen der Ressorts, von Vollzugsbehörden und Interessensvertretungen teilnahmen. Zielsetzung war es, die Ergebnisse zu präsentieren und zu evaluieren sowie von diesen ausgehend erste Maßnahmen zu entwickeln. In den Konsolidierungsworkshops wurden diese ersten Maßnahmen noch einmal hinterfragt und präzisiert sowie Details für die Berechnung von Entlastungspotentialen erhoben. Aus den Workshops ergab sich eine Liste mit rund 150 Maßnahmen mit unterschiedlich hohem Entlastungspotenzial, das von 50 tsd. Stunden Entlastung bis deutlich über 500 tsd. Stunden reicht.
Die Maßnahmen befinden sich in unterschiedlichen Konkretisierungs- und Umsetzungsstadien, manche sind bereits in Umsetzung, manche können umgehend umgesetzt werden und andere müssen noch analysiert und vorbereitet werden.
Die wichtigste Maßnahme ist, eine möglichst große Verbreitung der „Handy Signatur“ zu erzielen, die im Rahmen des Bürgerkartenkonzepts (qualifizierte elektronische Signatur und eindeutige elektronische Identifikation) entwickelt wurde, um die Voraussetzung für mehr E-Government für Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Dafür wird bis zum 1. Quartal 2011 unter Einbindung aller Ressorts, Gebietskörperschaften sowie der privaten Partner eine umfassende Strategie erstellt, die folgende Elemente umfasst:
· Bereitstellung der Handy Signatur in bereits vorhandenen elektronischen Verfahren;
· Ausbau des Angebotes von elektronischen Verfahren mit integrierter digitaler Signatur;
· Forcierung der Anwendung der digitalen Signatur in der Wirtschaft (single sign on);
· Optimierung und Ausweitung der Freischalte-Möglichkeiten der Handy Signatur und der Bürgerkarte, verwaltungsintern aber auch unter Einbindung privater Infrastrukturen.
Einige Maßnahmen laufen bereits in den Ressorts. So wurde zum Beispiel das eAMS-Konto für Arbeitskräfte bereits 2009 gestartet, wird aber sein volles Potenzial erst 2010 bzw. im Vollausbau 2014 entfalten. Für Menschen mit Behinderung, die im Rahmen des Bürgerprojekts besonders berücksichtigt werden sollen, hat das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit dem EDV-Projekt "PROFIT" eine wesentliche Maßnahme auf den Weg gebracht. So soll unter anderem die Möglichkeit geschaffen werden, elektronische Anträge an das Bundessozialamt zu stellen und eine zentrale Kundendatenbank aufgebaut werden, um Mehrfachabfragen zu vermeiden.
Geplante Maßnahmen in meinem Ressort sind unter anderem:
· Weitere Erhöhung der Benutzerfreundlichkeit des Finanz-Online-Verfahrens (FON): Eine weitere Erhöhung der Benutzerfreundlichkeit von FON kann den Ausfüllprozess substantiell vereinfachen und die Online-Quote deutlich erhöhen: Neugestaltung der Einsstiegsseite in FON, Ergänzung FON um gezielte Informationsaufbereitung für Bürger/innen, elektronische Formulardarstellung in FON, weitere Verbesserung der Usability, der elektronischen Prüfroutinen, Verlinkungen.
· Elektronisches Gebührenverfahren schaffen: Einrichtung eines elektronischen Verfahrens, das für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich ist, Schaffung einer Gebührenerklärung.
Zu 3. und 6.:
Auf Initiative des Bundesministeriums für Finanzen brachte die Bundesregierung die Novelle zum Bundeshaushaltsgesetz ein, welche die Bestimmung in § 14a BHG um die Kalkulationspflicht für Verwaltungskosten für Bürgerinnen und Bürger erweiterte, die seit 1. September 2009 gilt.
Im Jahr 2009 enthielten sieben Regelungsvorhaben geänderte oder neue Informationsverpflichtungen für Bürgerinnen und Bürger. Insgesamt wurde daraus eine Netto-Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in Höhe von rund 150.000 Stunden und rund 1,5 Mio. EUR berechnet. Eine wesentliche Entlastung konnte in der Finanzverwaltung erreicht werden: zukünftig können Bürgerinnen und Bürger bei jedem allgemeinen Finanzamt fristwahrend ihre Abgabenangelegenheiten einbringen.
Im Jahr 2010 wurden bis Juli vier Regelungsvorhaben mit geänderten oder neuen Informationsverpflichtungen für Bürgerinnen und Bürger kalkuliert. Die Berechnungen ergaben in Summe eine Netto-Entlastung in Höhe von rund 35.000 Stunden.
Mit freundlichen Grüßen