6062/AB XXIV. GP

Eingelangt am 09.09.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für europäische und internationale Angelegenheiten

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Wolfgang Schüssel, Kolleginnen und Kollegen haben am 9. Juli 2010 unter der Zl. 6221/J-NR/2010 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Steinigungen im Iran“ gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Die genannten Berichte sind mir bekannt und zutreffend. Die gravierenden Menschenrechtsprobleme im Iran haben sich nach der Präsidentschaftswahl im Juni 2009 weiter verschärft. Es gibt massive Einschränkungen bei Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit, sowie Einschüchterung durch die Behörden. Schauprozesse stehen auf der Tagesordnung. Ethnische und religiöse Minderheiten, insbesondere Kurden und Mitglieder der Baha’i, werden in vielen Lebensbereichen diskriminiert. Zahlreiche Menschen, die von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung Gebrauch machten, wurden in intransparenten und meist weder für Familienangehörige noch Anwälte zugänglichen Verfahren zu langjährigen Haftstrafen oder gar zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe wurde im Jahr 2009 rund 402 Mal vollstreckt, auch an jugendlichen Straftätern. Es gibt zahlreiche Berichte über Folter und Misshandlungen in Haft.

 

Nicht zuletzt aufgrund des Drucks der EU wurde 2002 vom damaligen Justizminister ein Moratorium für Steinigungen und Exekutionen von Jugendlichen erlassen. Dieses Moratorium wird jedoch in der Praxis von iranischen Gerichten, insbesondere von Gerichten in den Provinzen, nicht immer berücksichtigt. Offiziell wird vom iranischen Außenministerium jedoch versichert, dass das Moratorium weiterhin gelte, was insofern nicht sehr glaubwürdig ist, als Berichte über mehrere Steinigungen als gesichert gelten, so z. B. über eine Steinigung in Rasht (Nordiran) am 5. März 2009.

Zu den Fragen 3 und 4:

Der Lage der Menschenrechte im Iran gilt die besondere Aufmerksamkeit meines Ressorts. Vor Ort wird die Situation der Menschenrechte im Iran von der österreichischen Botschaft in Teheran gemeinsam mit den anderen EU-Botschaften verfolgt. Menschenrechtsverletzungen werden von der EU und Österreich gegenüber dem Iran regelmäßig und mit Nachdruck thematisiert. Die schwerwiegenden Repressionen gegenüber der iranischen Zivilgesellschaft habe ich auch bei meinem Treffen mit dem iranischen Außenminister Manouchehr Mottaki am 25. April 2010 in Wien persönlich angesprochen. Der iranische Botschafter in Wien wurde wiederholt ins Außenministerium geladen, um die Einhaltung der Menschenrechte einzufordern und konkrete Fälle vorzubringen. Dabei wurde insbesondere die Sorge über Fälle von Steinigungen im Widerspruch zum bestehenden Moratorium ausgesprochen. Dem Botschafter wurde auch eine von NGOs erstellte Liste von über 100 zum Tode verurteilten jugendlichen Straftätern mit der Bitte um Aufklärung überreicht.

Auf EU-Ebene bringt sich Österreich aktiv in Menschenrechtsfragen ein und initiiert gemeinsam mit anderen Staaten Demarchen und Erklärungen der Hohen Vertreterin der EU zur Situation der Menschenrechte im Iran. Die Hohe Vertreterin verurteilte in einer Erklärung zuletzt am 6. Juli 2010 die bevorstehende Exekution von mehreren Personen, unter ihnen die zur Steinigung verurteilte Sakineh Mohammadi-Ashtiani und rief den Iran zur Einrichtung eines Todesstrafenmoratoriums als ersten Schritt zur endgültigen Abschaffung der

Todesstrafe auf. Österreich initiierte auch eine Demarche im Falle von 13 zur Steinigung verurteilter Frauen, die Anfang August von der belgischen EU-Präsidentschaft in Teheran durchgeführt wurde.

Österreich setzt sich auch auf multilateraler Ebene für die Menschenrechte im Iran ein. In der Generalversammlung der Vereinten Nationen unterstützte Österreich zuletzt im Herbst 2009 eine umfassende Resolution zur Menschenrechtslage im Iran. In dieser von einer Mehrheit der VN-Mitgliedstaaten angenommenen Resolution wird, neben anderen Themen, auch die große Besorgnis über die nach wie vor verhängten Strafen durch Steinigung ausgedrückt und der Iran zu einer Abkehr von dieser Praxis aufgefordert. Auf der Basis eines Berichts des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über die Lage der Menschenrechte im Iran beginnen jetzt die Vorbereitungen für eine weitere Resolution auf der bevorstehenden Tagung der Generalversammlung zur Situation der Menschenrechte im Iran.

Bei der Überprüfung des Iran im Rahmen der „Regelmäßigen Universellen Staatenprüfung“ des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen hat Österreich im Februar 2010 die kritische Situation im Iran angesprochen und mehrere konkrete Empfehlungen gemacht. Unter anderem wurde die schwierige Lage von ethnischen und religiösen Minderheiten, die häufige Verhängung der Todesstrafe, auch für Jugendliche, die weit verbreitete Folter in Gefängnissen sowie die Gewaltanwendung von Sicherheitskräften gegenüber friedlichen TeilnehmerInnen an Demonstrationen angesprochen. Weiters wurde die Zulassung des Besuchs von VN- Sonderberichterstattern gefordert. Während der 14. Tagung des Menschenrechtsrates im Juni 2010 unterstützte Österreich eine von der EU und den USA initiierte Erklärung von insgesamt 56 Staaten zur Menschenrechtslage im Iran.

Österreich wird die Situation der Menschenrechte im Iran auch weiterhin aktiv verfolgen und konkrete Fälle auch in Zukunft umgehend aufgreifen und ansprechen.

Zu Frage 5:

Die Menschenrechtslage im Iran wird von mir und auch anderen EU-Außenministern regelmäßig im Außenministerrat angesprochen. Die Forderung nach einer Verbesserung der Lage der Menschenrechte ist ein Kernelement der Strategie der EU gegenüber dem Iran. Ich werde die Situation der Menschenrechte im Iran auch bei zukünftigen Sitzungen des Außenministerrates regelmäßig ansprechen.