6086/AB XXIV. GP
Eingelangt am 09.09.2010
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0196-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 6161/J-NR/2010
Der Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Gerhard Kurzmann und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Flucht eines Häftlings aus der Justizanstalt Graz-Karlau 2“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Die rumänischen Behörden haben mit Europäischem Haftbefehl vom 15. Oktober 2008 um die Auslieferung des rumänischen Staatsangehörigen I. P. zur Vollstreckung einer über ihn in Abwesenheit verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Jahren ersucht, weil dieser versucht hat, am 19. November 2002 in Wien 55.000 Tabletten Ecstasy mit einem Gesamtgewicht von 11,5 kg in Verkehr zu setzen.
Wegen dieses Sachverhalts wurde I. P. mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 7. Juli 2008 des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und fünfter Fall, Abs. 4 Ziffer 3 SMG schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf eine italienische Vorverurteilung zu einer Zusatzstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.
Das Landesgericht Wiener Neustadt hat mit Beschluss vom 11. November 2008 die Auslieferung nach Rumänien zur Vollstreckung der in Abwesenheit verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Jahren abgelehnt, weil die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nach § 7 Abs. 1 EU-JZG dann unzulässig ist, wenn gegen die gesuchte Person im Inland wegen derselben Tat eine endgültige Entscheidung ergangen ist, die nur unter den Voraussetzungen der ordentlichen Wiederaufnahme aufgehoben werden kann und der weiteren Strafverfolgung im Ausstellungsstaat entgegensteht. Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls durch eine österreichische Justizbehörde ist nach § 6 EU-JZG auch dann unzulässig, wenn sich dieser auf Taten bezieht, die im Inland begangen wurden. Da der Tatort auch in Österreich lag und das rumänische Gericht seine Zuständigkeit nur auf die Staatsangehörigkeit des I. P. gründete und Tathandlungen in Rumänien nicht angenommen wurden, steht auch diese Bestimmung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls entgegen.
Das Bundesministerium für Justiz hat sich in der Folge im Interesse der Erwirkung der Übernahme der Strafvollstreckung der in Österreich verhängten Freiheitsstrafe unter Vorbehalt der Spezialität aufgrund des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen an die rumänischen Justizbehörden gewendet. Zum Zeitpunkt der Flucht lag bereits eine rumänische Anpassungsentscheidung vor, allerdings waren noch Fragen der Spezialität mit der rumänischen Seite abzuklären.
Zu 2:
Von den 171 Insassen, die im Jahr 2009 von einem Freigang, Ausgang oder einer Strafunterbrechung nicht zurückgekehrt sind, haben bisher 151 ihre Freiheitsstrafe weiter verbüßt.
Zu 3 und 4:
Von diesen 151 Personen sind 46 freiwillig zurückgekehrt, 105 wurden aufgegriffen und verhaftet.
Zu 5:
Im Fall einer Nichtrückkehr von Freigang, Ausgang oder Strafunterbrechung liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die gemäß § 109 StVG mit einer oder mehreren der nachstehenden Maßnahmen bestraft werden kann:
– Verweis;
– Beschränkung oder Entziehung von Vergünstigungen;
– Beschränkung oder Entziehung der Rechte auf Verfügung über das Hausgeld, Fernsehempfang, Briefverkehr, Besuchsempfang oder Telefongespräche;
– Geldbuße;
– Hausarrest.
Zur konkreten Ausgestaltung dieser Ordnungsstrafen darf ich auf die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 110 ff StVG verweisen.
. August 2010
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)