614/AB XXIV. GP
Eingelangt am 10.03.2009
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möglich.
BM für Unterricht, Kunst und Kultur
Anfragebeantwortung
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Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien
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Geschäftszahl: |
BMUKK-10.000/0006-III/4a/2009 |
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Wien, 6. März 2009
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 541/J-NR/2009 betreffend Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Schule, die die Abg. Mag. Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde am 12. Jänner 2009 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Zu Frage 1:
In den Lehrplänen für die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik (5-jährige Ausbildung sowie Kolleg - BGBl. II Nr. 327/2004 und II Nr. 173/2007) ist „geschlechtssensible Pädagogik“, „Erziehung zur Gleichstellung“, „Chancengleichheit der Geschlechter“, „Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen“ u.a. mehrfach als zu beachtendes Querschnittsprinzip bzw. -thema ausformuliert, z.B. in den Allgemeinen Bildungszielen, in den Allgemeinen Didaktischen Grundsätzen und explizit auch in fast allen Pflichtgegenständen, insbesondere in „Pädagogik“, „Didaktik“, „Deutsch“, „Geschichte und Sozialkunde, Politische Bildung“, „Lebende Fremdsprache“, „Rhythmisch-musikalische Erziehung“, „Werkerziehung“. Die Sensibilität für Genderaspekte bedarf eines längeren Prozesses, dem an den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik sowohl hinsichtlich der Ausbildung für die Schülerinnen und Schüler selbst, als auch hinsichtlich deren Verantwortung als zukünftige Pädagoginnen und Pädagogen gendersensibel zu agieren, Rechnung getragen wird. Daher finden sich Grundsätze der gendersensiblen Pädagogik als durchgängiges Unterrichtsprinzip während der gesamten Ausbildungszeit.
Zu Fragen 2 und 3:
Die Pädagogischen Hochschulen sind entsprechend dem Hochschulgesetz 2005 grundsätzlich zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter verpflichtet. Gemäß § 3 Abs. 2 Hochschul-Curriculaverordnung, BGBl. II Nr. 495/2006, haben die Curricula der Ausbildungsstudiengänge der Pädagogischen Hochschulen (zur Erlangung des Lehramtes für Volksschulen bzw. für Hauptschulen) auf die Anforderung „Gender Mainstreaming“ Bedacht zu nehmen. Für die konkrete Umsetzung dieses Grundsatzes in den Curricula und die Konzipierung von Lehrveranstaltungen ist die jeweilige Studienkommission der Pädagogischen Hochschulen zuständig. Ein bestimmter Umfang für die Behandlung dieses Themas ist nicht vorgegeben. Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur hat damit begonnen, die Ausweisung einzelner Schwerpunktthemen in den Ausbildungscurricula zu verlangen und wird das Thema „Gender Mainstreaming“ auch in der „Arbeitsgemeinschaft Curriculumsentwicklung und Studienrecht“ der Pädagogischen Hochschulen behandeln. Seit Dezember 2008 bestehen an jeder Pädagogischen Hochschule sog. „GM-Beauftragte“. Eine Vernetzungsstruktur zwischen diesen und dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (AG GM im BMUKK) wird derzeit aufgebaut und soll die Implementierung von Gender-Kompetenz vorantreiben.
Zu Frage 4:
Die Fortbildung der Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen liegt nicht im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, sondern ist Ländersache.
Zu Fragen 5 und 6:
Vom Bundesministerium
für Unterricht, Kunst und Kultur wurde das Thema „Geschlechtssensible
Pädagogik – Gender- und Diversity-Kompetenz“ als einer von neun
zu beachtenden Schwerpunkten für das Jahr 2009 an die Pädagogischen
Hochschulen, welche auch für die Fort- und Weiterbildung aller Lehrerinnen
und Lehrer verantwortlich sind, kommuniziert; dies auch im Hinblick auf das
bestehende Unterrichtsprinzip „Erziehung zur Gleichstellung“
für die Volks- und Hauptschulen. Die Pädagogischen Hochschulen
unterliegen auch in diesem Bereich dem rechtlichen Auftrag, auf Gleichstellung
hinzuwirken,
Gender Mainstreaming zu verankern und Gender Studies zu integrieren. Dahingehend
werden auch Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen betreffend
Geschlechtspezifische Unterschiede in den Schulen angeboten, es besteht jedoch
keine Fortbildungsverpflichtung.
Zu Frage 7:
Im Auftrag oder mit Unterstützung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur laufen vielfältige Initiativen und Projekte, um Mädchen für Mathematik, Naturwissenschaften und Technik zu motivieren bzw. vorhandene „Gender Gaps“ in diesen Bereichen zu beseitigen:
FIT – Frauen in die Technik: FIT wird im Rahmen der ministerienübergreifenden Initiative fFORTE (Frauen in Forschung und Technologie - www.fforte.at) durchgeführt und informiert junge Frauen über Studienmöglichkeiten an technischen Ausbildungseinrichtungen in Österreich (Universitäten, Fachhochschulen, Kollegs), bietet einschlägige Institutspräsentationen, Laborübungen und Diskussionsrunden. FIT macht Frauen in technischen Berufsfeldern sichtbar, vermittelt Kontakte und schafft berufliche Identifikationsmöglichkeiten. Zielgruppe sind Schülerinnen ab der 10. Schulstufe; diese können sowohl an Informationsveranstaltungen (direkt an den Schulen in allen Bundesländern) als auch an Schnuppertagen (die in sechs Bundesländern stattfinden) zu technisch-naturwissenschaftlichen Studienrichtungen teilnehmen (http://www.bmukk.gv.at/fit).
mut! - Mädchen und Technik: Das Projekt mut! - Mädchen und Technik, das im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur seit 2002 im Rahmen der ministerienübergreifenden Initiative fFORTE durchgeführt wird, unterstützt Lehrerinnen und Lehrer, Direktorinnen und Direktoren sowie andere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus dem pädagogischen Bereich bei der Umsetzung geschlechtssensibler Berufsorientierung mit Fokus auf Mädchen und Technik (www.mut.co.at). Neun mut!-Regionalstellen in ganz Österreich fungieren als Anlaufstellen für interessierte Lehrerinnen und Lehrer sowie für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, entwickeln unterschiedliche Angebote (z.B. Fortbildungen, Seminare und Workshops) und stellen Materialien sowie Informationen zum Thema geschlechterreflektierte Berufsorientierung zur Verfügung. Im Rahmen von mut! wird eine überregionale Internetplattform zu geschlechterreflektierter Berufsorientierung mit Fokus auf „Mädchen und Technik“ im Rahmen des BMUKK-Portals „Gender + Bildung“ aufgebaut: http://www.gender.schule.at/bo. Auf dieser Plattform finden alle Interessierten Informationen rund um das Thema (geschlechterreflektierte) Berufsorientierung, Materialien- und Methodentipps, Kontaktadressen von Expertinnen und Experten sowie Berichte über erfolgreiche Projekte.
IMST - Gender-Netzwerk: IMST ist ein vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur in Kooperation mit Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, Schulen etc. getragenes Projekt, mit dem der Unterricht in Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik sowie verwandten Fächern verbessert wird. Das IMST Gender-Netzwerk bietet Beratung und Weiterentwicklung sowie Aus- und Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema Gender an. Ziel des Gender-Netzwerks ist u.a. die Erweiterung der Lernperspektiven und Handlungsspielräume für Mädchen und Buben, um dadurch vorhandene gender gaps im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht bzw. in Studium und Beruf zu verringern (http://imst.uni-klu.ac.at/programme_prinzipien/gender/).
Lehrgang „Geschlechtersymmetrie in der Schule“: Im Frühjahr startete ein viersemestriger Universitätslehrgang für Lehrende aller Schultypen sowie für Personen, die in der Lehrkräfteaus und -fortbildung tätig sind
(https://imst.uni-klu.ac.at/programme_prinzipien/gender/geschlechtersymmetrie/).
LISE – Webseite für Mädchen und Physik: Das Ziel dieser Website mit Informationen für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler ist es, dazu beizutragen, dass Schülerinnen ihre Begabungen für Physik und Technik erkennen, dass sie ihr Selbstbewusstsein gegenüber diesen Bereichen stärken, dass sie erkennen, dass Physik und Technik Spaß machen können und es in diesen Bereichen Berufe und Ausbildungswege gibt, die auch für sie interessant sein können (http://lise.univie.ac.at/index1.html).
Über die angeführten Projekte hinaus gibt es an den Höheren technischen Lehranstalten (HTL) zahlreiche Initiativen um Mädchen für Technik zu begeistern, insbesondere für die Altersgruppe der 13- und 14-Jährigen – Schnittstelle 8. / 9. Schulstufe. „Girl Scouts“ bzw. „Scouts“ (Schüler und Schülerinnen von HTLs) gehen in die Zubringerschulen (überwiegend Hauptschulen) und informieren vor Ort die Schülerinnen gezielt über die Ausbildung an der HTL. Unterstützt wird diese Maßnahme auch durch direkten Kontakt von Vertreterinnen und Vertretern der HTLs zu den Berufsorientierungslehrkräften, den Lehrerinnen und Lehrern sowie durch eigene Informationsveranstaltungen an den Zubringerschulen. Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes zwischen einer Volksschule und der HTL Hollabrunn besuchten beispielsweise die Schülerinnen und Schüler der Volksschule die HTL Hollabrunn. Durch den Besuch der Werkstätten konnten die Volksschulkinder einen Einblick in den Bereich des fachpraktischen Unterrichtes der HTL gewinnen und „Technik zum Angreifen“ erleben.
An vielen HTL Standorten sind an den Tagen der offenen Tür eigene „Mädchenstände“ eingerichtet, welche im Besonderen potentielle Schülerinnen und deren Eltern Informationen über den Schultyp zur Verfügung stellen. An einigen Standorten werden „Mädchenschnuppertage“ angeboten. An diesen können interessierte Mädchen einen Tag den Schulbetrieb an einer HTL miterleben und sich so ein Bild vom Schulalltag machen.
Um den Anteil von Schülerinnen in den HTLs zu erhöhen, wurde im Oktober 2008 eine Arbeitsgruppe „Schülerinnen an HTLs“ eingerichtet. Ziel dieser AG ist die Entwicklung eines Strategiepapiers, in welchem Maßnahmen formuliert sind, die zur Erhöhung des Mädchenanteils an den technisch, gewerblichen und kunstgewerblichen Schulen beitragen können. Die Ergebnisse sollten im Mai dieses Jahres vorliegen.
Zudem wird auf den derzeit laufenden Schulversuch zur Erprobung eines neuen Lehrplanentwurfs für den Pflichtgegenstand „Sachunterricht“ in der dritten und vierten Schulstufe der Grundschule hingewiesen. Ziel dieses neuen Lehrplanentwurfs ist u.a. ein Aktualisieren und Forcieren der Erfahrungs- und Lernbereiche „Technik“ und „Natur“ sowie eine weitere Individualisierung des Unterrichts. Durch eine Straffung des Lehrstoffs der dritten und vierten Schulstufe soll für die Lehrerinnen und Lehrer mehr Planungsfreiheit geschaffen werden. Vermehrt sollen Querverbindungen zu den anderen Pflichtgegenständen hergestellt werden und die einzelnen Gegenstände besser vernetzt werden. Dieses Projekt wird in fast allen Schulbezirken Österreichs an zumindest einem Standort im Schuljahr 2008/09 durchgeführt.
Zu Frage 8:
Im Bereich der Leseförderung gilt seit Jahren das Bemühen nach Umsetzung individualisierter Lesestrategien, wobei vor allem Kinder (Volksschule und Sekundarstufe I) mit hohen Defiziten in diesem Bereich unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Interessen gefördert werden. Dies bedeutet, dass z.B. Buben unter Nutzung unterschiedlicher Medien und Textsorten motiviert werden. Dieses Prinzip wird auch in der Aus- und Fortbildung an den Pädagogischen Hochschulen angewendet. Auch die vor allem im Pflichtschulbereich verbreiteten Materialien des Buchklubs der Jugend werden in Kooperation mit dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und den regionalen Leseförderungsinstitutionen unter dem Aspekt der geschlechtsspezifischen Fördermöglichkeiten entwickelt. Im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur wurde 2007 eine Studie „Gender & Lesen“ (http://www.bmukk.gv.at/medienpool/15230/genderlesenwebfassung.pdf, Dr. Margit Böck, Universität Salzburg) vorgelegt, die als wissenschaftliche Basis für gendergerechte Leseförderung verwendet wird; ergänzend dazu erscheint 2009 eine „Praxismappe“ mit Unterrichtsmaterialien zu diesem Thema.
Zudem wird auf die Zeitschriften und Schulinitiativen des Österreichischen Jugendrotkreuzes hingewiesen (Mini-Spatzenpost, Spatzenpost und Kleines Volk in der Grundschule; JÖ und Topic in der Sekundarstufe I). In all den genannten Zeitschriften wird durch spezielle Initiativen, wie z.B. „Lesestern“, dem Anliegen der Leseerziehung Rechnung getragen. Darüber hinaus werden beide Geschlechter gleichermaßen sowohl in den genannten Zeitschriften als auch ergänzend dazu z.B. durch Plakataktionen (etwa Gefühle, Humanitäres Völkerrecht) und Kampagnen wie „Deine Stärken, Deine Zukunft, ohne Druck“, die gemeinsam mit Deutschland, der Schweiz und Luxemburg durchgeführt wird, für soziale Aufgaben sensibilisiert (www.jugendrotkreuz.at).
Zu Frage 9:
Im Rahmen der jährlichen schulstatistischen Erhebungen werden keine Informationen über die Unterrichtsform bzw. -organisation in den verschiedenen Fächern erhoben und somit auch nicht darüber, ob in bestimmten Schulfächern geschlechtshomogener Unterricht erfolgt. Informationen über die betroffene Zahl der Schulen bzw. Schulklassen sowie Angaben zu den Schultypen stehen daher nicht zur Verfügung.
Zu Frage 10:
Schulen sind im Zuge von „Gender Mainstreaming“ und dem damit verbundenen Ziel der Gleichstellung der Geschlechter angehalten, sich mit der Relevanz der Kategorie Geschlecht auf allen Ebenen des Lehrens und Lernens auseinanderzusetzen. Die Lehrpläne bieten zunehmend Ansatzpunkte im Bereich des Allgemeinen Bildungsziels, der Allgemeinen didaktischen Grundsätze und in den Bildungs- und Lehraufgaben der einzelnen Unterrichtsgegenstände. Voraussetzung für die Umsetzung sind geschlechtssensible Pädagogik, bewusste Koedukation sowie Gender Kompetenz seitens der Lehrerinnen und Lehrer. Dazu gehört auch die bewusste Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Bildern und Vorurteilen. Lerninhalte und Unterrichtsmethoden sind so auszuwählen, dass sie beide Geschlechter gleichermaßen ansprechen. Der Unterricht ist so zu gestalten, dass er sozialisationsbedingten unterschiedlichen Vorerfahrungen entgegensteuert. Lehrerinnen und Lehrer sind angehalten, ein (Lern-)Klima der gegenseitigen Achtung zu schaffen, eigene Erwartungshaltungen und Umgangsformen gegenüber Mädchen und Burschen zu reflektieren, sowie sich ein Grundwissen über geschlechtsspezifische Sozialisationsprozesse im Jugendalter anzueignen. Die gemeinsame Erziehung von Mädchen und Burschen, die Koedukation, seit 1975 für alle öffentlichen Schulen verbindlich (§ 4 Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes), hat sich in österreichischen Schulen durchgesetzt. Bildungspolitische Maßnahmen gehen nicht in Richtung einer neuerlichen Trennung der Geschlechter durch die Abschaffung der Koedukation und Einrichtung von Mädchen- und Bubenschulen, sondern einer Beibehaltung des gemeinsamen Unterrichts bei gleichzeitiger Optimierung der Koedukation. Bei speziellen Themen oder Situationen kann es in sinnvoll sein (und ist unter Beachtung von § 8a des Schulorganisationsgesetzes auch möglich) den Unterricht in geschlechtshomogenen Gruppen durchzuführen. Die Entscheidung darüber liegt in der Hand der Lehrkräfte bzw. der Schule.
Die Bundesministerin:
Dr. Claudia Schmied eh.