616/AB XXIV. GP

Eingelangt am 10.03.2009
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BM für Unterricht, Kunst, Kunst

Anfragebeantwortung

 

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

        

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

                                                                                             Geschäftszahl:       BMUKK-10.000/0019-III/4a/2009

                                                                                           

                                                                                                                                       

                                                                                                     

Wien, 6. März 2009

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 662/J-NR/2009 betreffend Abgehen von der Koedukation im schulischen Unterricht, die die Abg. Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen am 20. Jänner 2009 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Fragen 1 bis 6:

Das Leitprinzip ist „Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit“. Eine an diesem Prinzip „ausgerichtete Schule bemüht sich aktiv um individuelle und diskriminierungsfreie Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern unterschiedlicher familiärer und kultureller Herkunft“ (Regierungsprogramm Kapitel Bildung, S. 192). Kinder und Jugendliche sollen ihre Interessen und Handlungsoptionen frei von geschlechterhierarchischen und stereotypen Rollenzuweisungen entwickeln und entfalten können. Dies kann am besten in einer gender-kompetenten Schule erfolgen.

 

Schulen sind im Zuge von „Gender Mainstreaming“ und dem damit verbundenen Ziel der Gleichstellung der Geschlechter angehalten, sich mit der Relevanz der Kategorie Geschlecht auf allen Ebenen des Lehrens und Lernens auseinanderzusetzen. Die Lehrpläne bieten zunehmend Ansatzpunkte im Bereich des Allgemeinen Bildungsziels, der Allgemeinen didaktischen Grundsätze und in den Bildungs- und Lehraufgaben der einzelnen Unterrichtsgegenstände.

 

Voraussetzung für die Umsetzung sind Gender Kompetenz seitens der Lehrerinnen und Lehrer, geschlechtssensible Pädagogik und „bewusste Koedukation“: Dazu gehört auch die bewusste Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Bildern und Vorurteilen. Lerninhalte und Unterrichtsmethoden sind so auszuwählen, dass sie beide Geschlechter gleichermaßen ansprechen. Der Unterricht ist so zu gestalten, dass er sozialisationsbedingten unterschiedlichen Vorerfahrungen entgegensteuert. Lehrerinnen und Lehrer sind angehalten, ein (Lern-)Klima der gegenseitigen Achtung zu schaffen, eigene Erwartungshaltungen und Umgangsformen gegenüber Mädchen und Burschen zu reflektieren, sowie sich ein Grundwissen über geschlechtsspezifische Sozialisationsprozesse im Jugendalter anzueignen.

 

Die gemeinsame Erziehung von Mädchen und Burschen, die Koedukation, seit 1975 für alle öffentlichen Schulen verbindlich (§ 4 Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes), hat sich in österreichischen Schulen durchgesetzt. Bildungspolitische Maßnahmen gehen nicht in Richtung einer neuerlichen Trennung der Geschlechter durch die Abschaffung der Koedukation und Einrichtung von Mädchen- und Bubenschulen, sondern einer Beibehaltung des gemeinsamen Unterrichts bei gleichzeitiger Optimierung der Koedukation. Bei speziellen Themen oder Situationen kann es jedoch durchaus sinnvoll sein (und ist unter Beachtung von § 8a des Schulorganisationsgesetzes auch möglich) den Unterricht in geschlechtshomogenen Gruppen durchzuführen. Die Entscheidung darüber liegt in der Hand der Lehrerinnen und Lehrer bzw. der Schule.

 

Aufbauend auf internationaler Forschung mit geschlechterdifferenzierendem Blick bzw. Erfahrungen mit geschlechtshomogenem Unterricht, entstanden in Österreich Schulprojekte, die auf unterschiedliche Art und Weise die Koedukation reflektieren. Die Unterschiede der Projekte liegen in der Zielsetzung, den organisatorischen Rahmenbedingungen und in den Erfahrungen, die damit gemacht wurden. Gemeinsam ist diesen Projekten, dass durch Veränderungen der Unterrichtsorganisation (wie zB. die Einrichtung geschlechtshomogener Unterrichtsmöglichkeiten), der Unterrichtsinhalte und -methoden sowie der schulischen Interaktionen wertvolle Reflexionsprozesse auf Seiten der Lehrenden und Lernenden bewirkt wurden. Folgende Projekte wurden mit Unterstützung des Ressorts wissenschaftlich begleitet und dokumentiert:

-     Geschlechtsdifferenzierender Unterricht und Koedukation. BG & BRG Rahlgasse, Wien VI. (1997)

-     Geschlechtshomogen geteilter Unterricht, RG Schopenhauerstraße, Wien XVIII. (1997)

-     Geschlechtssensible Koedukation. Schulverbund Mittelschule Anton-Krieger-Gasse, Wien XXIII. (1997 und 1999)

-     Die Mädchen-KoKoKo-Stunden. Kommunikation, Kooperation, Konfliktlösung. BG & RG Schulschiff Bertha von Suttner, Wien XXI (1999)

-     PAIS - Partnerschaftliches Arbeiten in der Institution Schule. Teil I und II. HS Johann-Hoffmann-Platz, Wien XII (2002)

Seitens des BIFIE (Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens), Zentrum Graz, erfolgt derzeit die wissenschaftliche Begleitung der Einführung des koedukativen Unterrichts am Gymnasium/ORG der Ursulinen in Graz (im Laufen). Hintergrund: Im Schuljahr 2004/05 haben die Schulen der Ursulinen in Graz erstmals auch Burschen in ihre Volksschule, Hauptschule und das Gymnasium aufgenommen, ab 2005/06 auch im ORG. Der Umstellungsprozess von Mädchen-Monoedukation auf Koedukation wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

 

Zu Frage 7:

In dieser Frage finden Kontakte auf politischer Ebene ebenso wie auf Ebene der Beamtinnen und Beamten statt.

 

Zu Fragen 8 bis 17:

Im Hinblick auf die Ausführungen zu den Fragen 1 bis 6 ist die Umsetzung der Koedukation von Buben und Mädchen im schulischen Unterricht mit keinen schulorganisatorischen oder budgetären Konsequenzen verbunden.

 

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.