6226/AB XXIV. GP

Eingelangt am 25.10.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0206-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 6302/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Offenlegungspflicht von Jahresabschlüssen von Kapital- und Personengesellschaften für die Bilanzjahre 2008 und 2009 (II)“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 8 und 14:

Ich habe auf Grund dieser Anfrage eine verfeinerte Auswertung durch die Bundesrechenzentrum (BRZ) GmBH in Auftrag gegeben. Die Daten sind der dieser Anfrage angeschlossenen Tabelle zu entnehmen. Sie betreffen insbesondere die Fragen 1 bis 8 und 14, wobei jedoch statistische Unschärfen von bis zu 5 % auftreten können.


Darüber hinaus beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 3:

Die Kontrolle der Einhaltung der Offenlegungspflicht ist eine Aufgabe der unabhängigen Rechtsprechung und liegt im Ermessen des jeweiligen Entscheidungsorgans. Entsprechend den freien Arbeitskapazitäten ergeht nach Nichtvorlage des Jahresabschlusses innerhalb der Vorlagefrist eine Aufforderung zur Vorlage des Jahresabschlusses (Erinnerungsschreiben). Falls darauf innerhalb der gesetzten Frist keine Reaktion erfolgt, wird von Amts wegen ein Zwangsstrafenverfahren eingeleitet (mittels Androhung der Verhängung einer Zwangsstrafe bei weiterer Nichtvorlage). Bei Bedarf werden Erhebungen durchgeführt, die vorlagepflichtigen Organe müssen angehört werden und schließlich wird – wenn der Jahresabschluss noch immer nicht vorgelegt wurde – eine Zwangsstrafe verhängt. Diese kann mit Rechtsmittel an das Oberlandesgericht bekämpft werden. Nach Entscheidung des Oberlandesgerichts ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs möglich.

Zur Frage der automatisierten (elektronischen) Kontrollverfahren (Frage 1) teilt die Bundesrechenzentrum (BRZ) GmbH mit, dass die Entscheidungsorgane online von der BRZ GmbH eine Liste – jeweils auf Gerichtszuständigkeit und/oder Zeitraum eingeschränkt – jener Unternehmen abfordern können bzw. erhalten, deren Jahresabschlüsse ausständig sind. Des Weiteren erhalten sie eine Liste der Unternehmen mit fehlendem Bilanzstichtag.

Hinsichtlich der Daten zu Frage 3 darf auf die von der BRZ GmbH übermittelte Tabelle „Jahresabschlüsse“ (Kontrolle Stichtag 2008 und 2009), die als Beilage angeschlossen ist, verwiesen werden.

Demnach wurden zu fehlenden Bilanzen mit Stichtagen im Jahr 2008 (1.1.2008 bis 31.12.2008) von den Firmenbuchgerichten im Jahr 2009 171 mal Firmenlisten mit Erinnerungsschreiben angefordert und im Jahr 2010 nochmals 124 mal Firmenlisten mit Erinnerungsschreiben zu Kontrollzwecken abgerufen.

Diese Firmenliste wird in der Regel vom Entscheidungsorgan entsprechend der Geschäftseinteilung (nach Buchstaben) für alle der Zuständigkeit des Organs unterliegenden Rechtsträger zu einem bestimmten Stichtag angefordert und sodann „abgearbeitet“ (zuerst Erinnerungsschreiben, dann Strafandrohung, ordentliches Zwangsstrafverfahren mit Anhörung und gegebenenfalls Erhebungen, Beschluss über die Verhängung der Zwangsstrafe, Rechtsmittelverfahren vor den Instanzgerichten bis zur Rechtskraft).

Zu 4:

Von 130.348 vorlagepflichtigen Unternehmen (Stand 31.12.2008 einschließlich Genossenschaften) haben 67.638 Unternehmen gesetzeskonform die Jahresabschlüsse fristgerecht für das Jahr 2008 vorgelegt.

62.710 Unternehmen haben die Jahresabschlüsse für 2008 verspätet oder noch gar nicht vorgelegt. Von diesen Unternehmen haben 50.229 Unternehmen auch nach 10 Monaten noch keinen Abschluss vorgelegt, davon haben 40.148 Unternehmen auch nach 11 Monaten noch keinen Abschluss vorgelegt und 32.917 Unternehmen auch nach 12 Monaten noch nicht. 10.676 Unternehmen haben auch nach 18 Monaten noch keinen Jahresabschluss vorgelegt und insgesamt 7.184 Unternehmen haben am 31.8.2010 noch immer keinen Abschluss vorgelegt.

Zu 5:

Von 779 vorlagepflichtigen Rechtsträgern (Stichtag 31.12.2008) haben 734 fristgerecht vorgelegt, 45 Unternehmen nicht, davon 5 Unternehmen auch zum 31.8.2010 noch nicht.

Zu 6:

Ich verweise auf meine Antwort zu den Fragepunkten 1 und 3. Hinsichtlich der Offenlegungspflichten für Jahresabschlüsse mit Stichtagen im Jahr 2009 wurden noch vergleichsweise wenige Strafverfahren eingeleitet (siehe meine Ausführungen zu Fragepunkt 14: 1.704 Strafandrohungen und 1.116 Zwangsstrafen bis zum 31.8.2010), weil der Bilanzstichtag bei etwa 80 % der Unternehmen der 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres ist und die Frist für die Vorlage der Bilanz für diese Unternehmen daher erst mit 30.9.2010 endet.

Zu den von der BRZ GmbH übermittelten Daten darf auf die als Beilage angeschlossene Tabelle (Kontrolle Stichtag 2009) verwiesen werden.

Demnach wurden zu fehlenden Bilanzen mit Stichtagen im Jahr 2009 (1.1.2009 bis 31.12.2009) von den Firmenbuchgerichten im Jahr 2010 106 mal Firmenlisten mit Erinnerungsschreiben angefordert.

Zu 7:

Von 133.355 vorlagepflichtigen Unternehmen (Stichtag 31.12.2009) haben bereits 56.325 gesetzeskonform die Jahresabschlüsse fristgerecht für das Jahr 2009 vorgelegt, hinsichtlich der restlichen 77.030 war die Vorlagefrist zum 31.8.2010 großteils noch gar nicht abgelaufen.

Zu 8:

Von 768 vorlagepflichtigen Rechtsträgern (Stichtag 31.12.2009) haben bereits 523 gesetzeskonform die Jahresabschlüsse fristgerecht für das Jahr 2009 vorgelegt, hinsichtlich der restlichen 245 ist fraglich, ob deren Vorlagefrist zum 31.8.2010 nicht noch offen war.

Zu 9 und 10:

Das Verfahren zur Verhängung der Zwangsstrafen ist Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung. Es handelt sich jeweils um eine Ermessensentscheidung des einzelnen Gerichtsorgans, wann und in welcher Höhe Zwangsstrafen verhängt werden. Die Gründe, aus denen Zwangsstrafverfahren eingeleitet und Zwangsstrafen verhängt wurden, bzw. die Gründe, aus denen von der Einleitung von Zwangsstrafverfahren und/oder der Verhängung von Zwangsstrafverfahren abgesehen wurde, sind statistisch nicht aufbereitet und lassen sich daher mit vertretbarem Aufwand nicht erheben.

Zu 11 bis 13:

Diese Fragen sind mit vertretbarem Aufwand nicht beantwortbar (dazu sind keine statistisch auswertbaren Daten in der Verfahrensautomation Justiz [VJ] vorhanden, insbesondere kann auch der Grund für die Androhung der amtswegigen Löschung sowie der Vornahme der amtswegigen Löschungen aus den Daten der VJ nicht eindeutig der Nichtvorlage von Jahresabschlüssen zugeordnet werden).

Zu 14:

Die Auswertung der VJ-Daten dieser Abfrage durch die BRZ GmbH erwies sich als sehr komplex, sodass sich große statistische Unschärfen ergeben können, zumal die verwendeten Parameter keine exakte, sondern nur eine annäherungsweise  Zuordnung erlauben (Zuordnungskriterien bei Zwangsandrohungen und Zwangsstrafbeschlüssen zur Nichtvorlage von Jahresabschlüssen waren jeweils die Jahreszahl „2008“ beziehungsweise „2009“ sowie das Wort „Jahresabschluss“ im Beschlusstext).

Demnach wurden im Jahr 2009 (vom 1.1.2009 bis 31.12.2009) 13.230 Unternehmen Zwangsstrafen angedroht und über 3.982 Unternehmen auch Zwangsstrafen von den Firmenbuchgerichten verhängt, wovon 5.365 Androhungen und 1.478 Strafen der Nichtvorlage von Jahresabschlüssen für das Jahr 2008 zugeordnet werden können.

Im Jahr 2010 (vom 1.1.2020 bis 31.8.2010) wurden 8.841 Unternehmen Zwangsstrafen angedroht und über 3.109 Unternehmen auch Zwangsstrafen von den Firmenbuchgerichten verhängt, wovon 5.758 Androhungen und 2.001 Strafen der Nichtvorlage von Jahresabschlüssen für das Jahr 2008 zugeordnet werden können, sowie 1.704 Androhungen und 1.116 Strafen der Nichtvorlage von Jahresabschlüssen für das Jahr 2009.

Zu 15:

Die Einnahmen aus den Zwangsstrafen wegen Nichteinhaltung der Fristen für die Offenlegungspflichten sind aus dem Rechnungswesen nicht ersichtlich, weil sie zusammen mit anderen Geldstrafen unter der Voranschlagspost 2/13204-8810.000 „Strafgelder“ verbucht werden.

Zu 16:

Eine Verkürzung der gesetzlichen Offenlegungsfristen wird nach wie vor nicht befürwortet, sodass diesbezüglich auf die Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Zahl 5330/J-NR/2010 vom 8. Juli 2010 verwiesen werden darf.

Um einen Anreiz für die offenlegungspflichtigen Unternehmen zu schaffen, ihre Jahresabschlüsse bereits innerhalb der ersten 6 Monate der Vorlagefrist dem Firmenbuchgericht vorzulegen, ist angedacht, die Befreiung von den Eintragungsgebühren nach der Tarifpost 10 Z 1 lit. b Z 5a GGG für elektronische Einreichungen in der Anmerkung 15a zur Tarifpost 10 GGG davon abhängig zu machen, dass diese Einreichung in den ersten 6 Monaten der Vorlagefrist erfolgt (siehe Begutachtungsentwurf der Bundesministerin für Justiz für ein Budgetbegleitgesetz-Justiz 2011 – 2013, Artikel 10, Z 19 lit. g [Änderung der Anmerkung 15a zur Tarifpost 10 Z 1 lit. b und c GGG]).

Zu 17:

Die maßgebliche Bestimmung für Zwangsstrafen (§ 283 UGB) sieht einen moderaten Strafrahmen vor, innerhalb dessen das Gericht (je nach Größenklasse des betroffenen Unternehmens) die Strafhöhe nach freiem Ermessen bestimmt und bei fortgesetzter Nichtvorlage auch wiederholt verhängen kann (bis zu 3.600 Euro je Pflichtverletzung für kleine Kapitalgesellschaften, bis zu 10.800 Euro für mittelgroße Kapitalgesellschaften und bis zu 21.600 Euro für große Kapitalgesellschaften). Wirtschaftlicher Druck zur Erfüllung der Offenlegungspflichten wird sich mit steigender Größe des betroffenen Unternehmens letztlich (nur) aus der Frequenz der verhängten Zwangsstrafen ergeben. Die Obergrenze des Strafrahmens ist angesichts der zulässigen und gebotenen Wiederholung der Strafen zur Erzwingung der Offenlegung nicht so sehr entscheidend. Im Zuständigkeitsbereich der Firmenbuchgerichte ist daher vorerst nicht geplant, die Obergrenze des Strafrahmens je Zwangsstrafe zu erhöhen. Jedoch könnte die Frequenz für die Verhängung der Zwangsstrafen im Gesetz festgelegt und das Verfahren zur Verhängung von Zwangsstrafen beschleunigt werden (siehe Begutachtungsentwurf der Bundesministerin für Justiz für ein Budgetbegleitgesetz–Justiz 2011 – 2013, Artikel 18 [Änderung des § 283 UGB]).

Einen Betrag von 7.200 Euro als Mindeststrafe festzulegen schiene mir jedoch im Hinblick darauf, dass die überwiegende Mehrheit der rechnungslegungspflichtigen Unternehmen kleine Kapitalgesellschaften sind, deren Umsatzerlöse zum Teil unter 70.000 Euro liegen, zu hoch gegriffen.

Zu 18 und 19:

Ausgewertete Daten zur Offenlegungspflicht von Jahresabschlüssen sowie zur Strafenpraxis in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union liegen mir nicht vor.

Zu 20:

Die nicht fristgerechte Vorlage von Jahresabschlüssen stellt einen Gesetzesverstoß dar. Derzeit werden Bestimmungen zur effizienteren Gestaltung von Sanktionen erwogen, um  eine bessere Einhaltung der Offenlegungsfrist zu erreichen (siehe Begutachtungsentwurf der Bundesministerin für Justiz für ein Budgetbegleitgesetz-Justiz 2011 – 2013, Artikel 18 [Änderung des § 283 UGB]).

Zu 21:

Die praktischen Auswirkungen einer nicht fristgerechten Vorlage der Jahresabschlüsse hängen stark davon ab, ob Stakeholdern die Daten auf andere Weise zugänglich sind oder gemacht werden.

 

. Oktober 2010

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)