6269/AB XXIV. GP

Eingelangt am 12.11.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0216-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 6357/J-NR/2010

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Verschleppung der Neonazi-Verfahren gegen NVP und „Bunte““ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Ich darf zunächst grundlegend auf meine Beantwortungen der parlamentarischen schriftlichen Anfragen zu den Zahlen 6428/J und 6429/J-NR/2010 verweisen. Darüber hinaus bitte ich auch hier um Verständnis, dass ich im Hinblick auf das anhängige und nicht öffentliche (§ 12 StPO) Ermittlungsverfahren zur Vermeidung einer Gefahr für noch erforderliche Ermittlungen über die einzelnen Ermittlungsschritte derzeit nicht Auskunft geben kann.


Zu 2:

Der – der Frage zu Grunde liegenden – Prämisse, es läge eine weitgehend geklärte Sachlage vor, kann meinen Informationen zufolge nicht beigetreten werden. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen gestalteten sich schwierig, sodass der Abschlussbericht in einem Fall erst vor etwa fünf Wochen der Staatsanwaltschaft übermittelt werden konnte und im anderen Fall für das Jahresende angekündigt wurde.

Zu 3:

Der Landesgeschäftsführer der SPÖ Oberösterreich hat im April 2010 seine jeweils an die Staatsanwaltschaft Linz gerichteten Anzeigen in Kopie auch dem Bundesministerium für Justiz zur Kenntnis gebracht. Eine darüber hinausgehende Information zum angeblich zögerlichen Fortgang des Verfahrens bzw. ein Ersuchen um Aktivität war den Anzeigen nicht zu entnehmen.

Gleichwohl hat die zuständige Fachabteilung aus Anlass der Anzeigen Berichte zum Stand der beiden Verfahren eingeholt, jedoch mangels verzögerter Verfahrensführung keinen Anlass für Maßnahmen der Fachaufsicht gefunden. 

Zu 4 bis 8:

Hiezu darf ich auf die Auswertungen in meiner Beantwortung  zur parlamentarischen Anfrage des Abgeordneten Mag. Johann Maier, Genossinnen und Genossen zur Zahl  4341/J-NR/2010 verweisen und die zum dortigen Anfragepunkt 9 (hier Frage 8) ausgewiesene Tabelle um das Jahr 2009 ergänzen wie folgt:

 

Verurteilte Personen

§§ 3a ff VerbotsG

 

Gerichtliche Kriminalstatistik

2000

31

2001

17

2002

17

2003

29

2004

31

2005

22

2006

19

2007

10

2008

28

2009

34


 

Die Gerichtliche Kriminalstatistik, die von der Statistik Austria erstellt wird, beruht auf der Auswertung des Strafregisters, in das nur rechtskräftige Verurteilungen aufgenommen werden. Bei einer Verurteilung wegen mehrerer strafbarer Handlungen wird diese dem Delikt zugeordnet, das für den Strafsatz maßgebend ist („führendes Delikt“).

Zu 9:

Dazu liegen mir keine Daten vor, eine derartige Auswertung wäre jedoch mit einem unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand verbunden.

Zu 10 bis 14:

Einleitend verweise ich darauf, dass ich – auch was den aufgezeigten Fall betrifft – keine Anhaltspunkte dafür habe, die Strafverfolgung bei Anzeigen nach dem Verbotsgesetz sei ineffektiv.

Es werden aber bereits im Zuge der vierjährigen Ausbildung zum Richter bzw. zur Richterin oder Staatsanwalt bzw. Staatsanwältin Veranstaltungen angeboten, mit denen RichteramtsanwärterInnen mit der Problematik des Extremismus und Radikalismus im Allgemeinen und mit dem Umgang der Justiz mit Verbrechen des Nationalsozialismus und deren Aufarbeitung im Besonderen konfrontiert werden. So wurde etwa im Jahr 2009 am Oberlandesgericht Linz das erste Modul des „Curriculums Justizgeschichte“ für RichteramtsanwärterInnen abgehalten, das unter anderem den Themenkomplex Nationalsozialismus beinhaltet. Nach erfolgreichem Abschluss des Curriculums im März 2010 in Wien beginnt im März 2011 in Linz ein weiterer Durchgang. Durch diese Auseinandersetzung mit der jüngeren Zeitgeschichte werden künftige RichterInnen und StaatsanwältInnen für den Umgang der Justiz mit Fällen im Zusammenhang mit dem NS-Verbotsgesetz sensibilisiert und wird ihnen ihre gesellschaftspolitische Verantwortung vor Augen geführt.

Für die mit der Problematik des Extremismus und Radikalismus am meisten konfrontierten RichterInnen und StaatsanwältInnen in der Jugendgerichtsbarkeit werden im Rahmen der Fortbildung laufend Veranstaltungen angeboten, die zur Sensibilisierung beitragen und der Spezialisierung und Sicherstellung des gesetzlich geforderten Ausbildungsstandes dienen.


 

Besonders hervorzuheben ist der von der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, Fachgruppe JugendrichterInnen, konzipierte und vom Bundesministerium für Justiz genehmigte Fortbildungslehrgang für JugendrichterInnen und JugendstaatsanwältInnen („Curriculum für JugendrichterInnen und JugendstaatsanwältInnen“). Dieses Curriculum ist als zweijähriger Lehrgang, aufgeteilt auf drei Module pro Kalenderjahr, angelegt und dient neben der Vermittlung psychologischer, pädagogischer und sozialarbeiterischer Kenntnisse gleichzeitig auch der Bewusstseinsbildung für die Problematik des Extremismus und Radikalismus. Nach erfolgreicher Beendigung eines ersten Curriculums im März 2009 startete im Mai 2010 das erste Modul eines weiteren Durchgangs.

. November 2010

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)