6271/AB XXIV. GP

Eingelangt am 12.11.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0217-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 6364/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Kooperation zwischen Staatsanwaltschaft und Rechnungshof“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Bei dem in der Anfrageeinleitung angesprochenen Einzelfall ist nach den mir zur Verfügung stehenden Informationen der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung des Rechnungshofes aus dem Zeitraum „ungefähr Mitte 2006“ nicht bekannt. Zum Gegenstand dieser Sachverhaltsdarstellung liegt jedoch ein Rechnungshofbericht vom Mai 2008 vor, den der Rechnungshof am 10. März 2009 der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt hat und der Anlass zu intensiven Ermittlungen bezüglich Finanztransaktionen der ÖBB Holding AG und einzelner Konzerngesellschaften sowie in Bezug auf Immobiliengeschäfte der ÖBB gab. Da in der Anfrage der Rechnungshofbericht „2008/6“ zitiert wird, betreffen die einzelfallbezogenen Antworten das entsprechende Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien.

Was die allgemeinen Fragen zu anderen Causen betrifft, war eine vollständige Erfassung und Darstellung aller in Betracht kommenden Fälle ohne zeitliche Einschränkung mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Die Beantwortung gründet sich daher auf die Auswertung des Bundesrechenzentrums (BRZ), in welchen Fällen der Rechnungshof (des Bundes) explizit als Anzeiger aufscheint, wobei eine zeitliche Einschränkung auf die letzten fünf Jahre (2006 bis 2010) vorgenommen wurde. Anzeigen eines Landesrechnungshofes sind nicht berücksichtigt.

Der Rechnungshof tritt in vielen Fällen, in denen die Anzeige auf einen Rechnungshofbericht zurückgeht, nicht immer als Anzeiger in Erscheinung und wird daher auch nicht im elektronischen Verfahrensregister eingetragen. Berichte des Rechnungshofes sind auch immer wieder Auslöser für Anzeigen etwa durch ein inhaltlich betroffenes Ministerium oder von – zum Teil anonym bleibenden – Privatpersonen; in anderen Fällen veranlasst eine staatsanwaltschaftliche Behörde auf Grund der Medienberichterstattung oder anderer Kenntnis eines Rechnungshofberichtes von Amts wegen die Einleitung eines Strafverfahrens. In jedem dieser Fälle scheint der Rechnungshof nicht selbst als Anzeiger auf, weshalb diese Strafsachen im Rahmen der BRZ-Auswertung nicht aufscheinen.

Vor diesem Hintergrund ersuche ich um Verständnis, dass von einer händischen Durchsicht aller theoretisch in Betracht kommenden Aktenvorgänge dahingehend, ob der Gegenstand der Strafsache letztendlich auf einen Rechnungshofbericht zurückgeht, wegen des offenkundig unvertretbar hohen Verwaltungsaufwandes abgesehen werden musste.

Zu 1 und 2:

Das auf Grund des Rechnungshofberichtes „2008/6“ eingeleitete Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien ist nach wie vor anhängig.


 

Zu 3 und 4:

Im Zeitraum 2006 bis 2010 (Stichtag 1. Oktober 2010) übermittelte der Rechnungshof noch in folgenden Fällen der zuständigen Staatsanwaltschaft Berichte oder Sachverhaltsdarstellungen, die zum Anlass für Ermittlungen wurden:

a)    Korruptionsverdacht beim Einkauf von Obst und Gemüse eines bestimmten Großhändlers für verschiedene Justizanstalten im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaften Wien und Graz;

b)    Verdacht gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden der KABEG, trotz einer anhängigen Rechnungshofprüfung und entgegen den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes einen Auftrag zur Evaluierung der Betriebsorganisation des Landeskrankenhauses Klagenfurt erteilt zu haben;

c)    Verdacht von Pflichtverletzungen und von Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Austria Research Center GmbH-Holding und Forschungsgesellschaft Seibersdorf bzw. deren Vorstand und Aufsichtsrat.

Zu 5:

In keinem dieser von der Auswertung des Bundesrechenzentrums erfassten Fälle wurde auf Erhebungen verzichtet. Wie ich bereits einleitend festgehalten habe, war eine händische Auswertung aller Fälle, in denen eine Staatsanwaltschaft eine Anzeige a limine zurückgelegt oder von der Einleitung eines Strafverfahrens abgesehen hat, obwohl es sich um einen vom Rechnungshof aufgezeigten Sachverhalt handelte, mit vertretbarem Aufwand nicht möglich.

Zu 6 und 7:

Im oben genannten Fall a) hat das Bundesministerium für Justiz einen übereinstimmenden Vorhabensbericht der zuständigen Staatsanwaltschaft und Oberstaatsanwaltschaft auf Einstellung des Verfahrens genehmigt, weil die in diesem Fall betroffene Justizanstalt zu keinem Zeitpunkt in geschäftlicher Beziehung zu dem in der Anzeige angeführten Großhändler stand.

Im Fall b) steht ein Vorhabensbericht derzeit in der zuständigen Sektion meines Hauses in Bearbeitung. Ich ersuche um Verständnis, dass ich aus diesem Grund sowie mit Blick auf die Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens dazu vorerst keine weiteren Auskünfte geben kann.


 

Im Fall c) wurden keine Vorhabensberichte an die Oberstaatsanwaltschaft bzw. an das Bundesministerium für Justiz erstattet; auch dieses Ermittlungsverfahren ist derzeit noch anhängig.

Zu 8:

Dazu verweise ich grundsätzlich auf die im Entwurf eines Strafrechtlichen Kompetenzpakets, RV 918 d. Beilagen XXIV. GP, enthaltenen Vorschläge zur Stärkung der Transparenz staatsanwaltschaftlicher Einstellungsentscheidungen. Unter anderem soll der Rechtsschutzbeauftragte ermächtigt werden, das Gericht bei einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens in Fällen von besonderem öffentlichen Interesse bzw. in denen kein Opfer im Sinne des § 65 Z 1 StPO ermittelt werden konnte, mit einem Antrag auf Fortführung zu befassen und auf diese Weise  eine unabhängige gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten (§ 195 Abs. 1a StPO).

Schließlich soll die Generalprokuratur ermächtigt werden, auf Anregung des Rechtsschutzbeauftragten den Obersten Gerichtshof mit einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anzurufen, wenn die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens an Mängeln des materiellen oder formellen Rechts leidet und keiner der Berechtigten gerichtlichen Rechtschutz begehrt hat (§ 23 Abs. 1a StPO).

Ich denke, dass dadurch den Forderungen nach externer Kontrolle der Erledigung von Verfahren, die auf Grund von Berichten des Rechnungshofs geführt werden, sach- und systemkonform Rechnung getragen wird.

 

. November 2010

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)