6296/AB XXIV. GP
Eingelangt am 18.11.2010
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0222-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 6384/J-NR/2010
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Sachwalterschaft von Frau Anna Probst“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Einleitend weise ich darauf hin, dass Auskünfte über die Bestellung und den Wirkungskreis eines Sachwalters für eine bestimmte Person nach § 126 Abs. 3 und 4 AußStrG das Gericht erteilt; dies jedoch nur bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses. Sämtliche Fragen, soweit sie sich auf einen konkreten gerichtlichen Einzelfall und auf Akte der unabhängigen Rechtsprechung beziehen (1 bis 3, 7 bis 10, 13 und 15) fallen nicht in meinen, der parlamentarischen Interpellation unterliegenden Wirkungsbereich. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich mich bei der Beantwortung dieser Anfrage auf die Darstellung der allgemeinen Rechtslage beschränken muss.
Zu 1 bis 3, 7 und 15:
Ich verweise auf meine Ausführungen in der Einleitung zur Anfragebeantwortung.
Zu 4:
Vorausschicken möchte ich, dass das Sachwalterrecht durch das am 24. Juni 2006 einstimmig vom Nationalrat beschlossene Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 seine gegenwärtige Struktur erhalten hat.
Bei der Auswahl des Sachwalters ist nach § 279 ABGB, auf den ich im Einzelnen verweise, insbesondere auf die Bedürfnisse der betroffenen Person zu achten. Wird die betroffene Person in einer Einrichtung oder einem Heim betreut, so ist darauf zu achten, dass der Sachwalter nicht in einem Abhängigkeits- oder sonstigen Naheverhältnis zu diesem steht.
In erster Linie ist für eine betroffene Person eine geeignete ihr nahe stehende Person zum Sachwalter zu bestellen. Das angesprochene Naheverhältnis bezieht sich dabei nicht unbedingt auf ein Verwandtschaftsverhältnis. Ist eine solche Person nicht verfügbar, so ist ein geeigneter Verein zum Sachwalter zu bestellen, sofern er die Zustimmung hiezu erteilt. Schließlich können auch Rechtsanwälte, Notare oder eine andere geeignete Person zum Sachwalter bestellt werden; dies wird insbesondere dann zur Anwendung gelangen, wenn für die betroffene Person Angelegenheiten zu besorgen sind, die besondere Fachkenntnisse – z. B. rechtlicher Natur – erfordern.
Nach § 273 Abs. 1 ABGB hat das Gericht bei der Auswahl des Sachwalters auf die Art der Angelegenheiten zu achten, die für die vertretene Person zu besorgen sind.
Zu 5:
Nach § 268 Abs. 2 ABGB ist die Bestellung eines Sachwalters unzulässig, soweit Angelegenheiten der behinderten Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder im Rahmen einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer Dienste im erforderlichen Ausmaß besorgt werden. Ein Sachwalter darf auch dann nicht bestellt werden, soweit durch eine Vollmacht, besonders eine Vorsorgevollmacht, oder eine verbindliche Patientenverfügung für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt ist. Ein Sachwalter darf nicht nur deshalb bestellt werden, um einen Dritten vor der Verfolgung eines, wenn auch bloß vermeintlichen, Anspruchs zu schützen.
In persönlicher Hinsicht sind von der Bestellung zum Sachwalter nach § 273 Abs. 2 ABGB Personen ausgeschlossen, die selbst nicht eigenberechtigt sind, also minderjährig sind oder selbst unter Sachwalterschaft stehen. Weiters dürfen Personen, von denen eine das Wohl der betroffenen Person fördernde Ausübung der Tätigkeit nicht zu erwarten ist, nicht zum Sachwalter bestellt werden. Insbesondere eine strafgerichtliche Verurteilung kann dabei ein entsprechendes Indiz sein.
Zu 6:
Die Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm über die Ausgeschlossenheit und Befangenheit von Richtern (§§ 19 ff JN) gelten auch für Außerstreitverfahren.
Zu 8 und 9:
Die Gerichte sehen sich mit einer ständig steigenden Anzahl von Anregungen auf Sachwalterschaft konfrontiert, nicht zuletzt wegen der an sich erfreulichen Zunahme der Lebenserwartung älterer Menschen in unserem Land, der für ältere Menschen schwierig zu bewältigenden Technisierung und Komplizierung des täglichen Lebens, möglicherweise auch wegen der verbliebenen Intensität der regionalen sozialen Betreuung vor Ort. Das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 hat zwar mit einer Vermehrung der Alternativen zur Sachwalterschaft eine gewisse Erleichterung gebracht, doch steigen die Zahlen der Sachwalterschaften. Die Ausstattung des Justizressorts mit hiefür vorgesehenen Mitteln gestattet es leider nicht, die Vereinssachwalterschaft in dem Maß auszubauen, der der gestiegenen Nachfrage nach Sachwaltern entspricht. Daher wurde bereits mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 52/2009 die Höchstzahl von Sachwalterschaften, die ein Rechtsanwalt oder Notar übernehmen darf, flexibler geregelt. Dennoch ist es für die Gerichte zunehmend schwierig, geeignete und zur Übernahme des Amtes des Sachwalters bereite Personen zu finden. Im Bundesministerium für Justiz wird daher unter dem Eindruck der Ergebnisse eines Forschungsberichtes über das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 an einer Fortentwicklung des Sachwalterrechts, besonders an einen weiteren Ausbau der Alternativen zur Sachwalterschaft, gearbeitet.
Zu 10 bis 14:
Wie einleitend ausgeführt, ist es mir nur möglich – vom Einzelfall losgelöst – eine allgemeine Darstellung der Rechtslage zu geben. Nach § 278 Abs. 3 ABGB hat das Gericht in angemessenen, fünf Jahre nicht überschreitenden Zeitabständen zu prüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen die Beendigung oder Änderung der Sachwalterschaft erfordert.
Der Sachwalter ist nach § 282 ABGB verpflichtet, mit der behinderten Person in dem nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmaß persönlichen Kontakt zu halten und sich darum zu bemühen, dass der behinderten Person die gebotene ärztliche und soziale Betreuung gewährt wird. Sofern der Sachwalter nicht bloß zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bestellt ist, soll der Kontakt mindestens einmal im Monat stattfinden.
Eine Übertragung der Sachwalterschaft an eine andere Person kann nach § 278 Abs. 2 ABGB auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen, wenn der Sachwalter stirbt, nicht mehr die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amtes nicht mehr länger zugemutet werden kann, einer der Umstände des bereits erwähnten § 273 Abs. 2 ABGB eintritt oder das Wohl der betroffenen Person dies aus anderen Gründen erfordert. Ein Antragsrecht und damit ein subjektiver, durchsetzbarer Erledigungsanspruch kommt dabei nur der betroffenen Person und dem Sachwalter zu. Dritte können allfällige Missstände oder Kritik dem zuständigen Pflegschaftsgericht anzeigen, welches bei Vorliegen von nachvollziehbaren Hinweisen von Amts wegen eine Überprüfung durchzuführen hat. Ein Antragsrecht weiterer Personen, etwa bestimmter Angehöriger, könnte Probleme bereiten, da mit der Einräumung der Parteistellung auch die Befugnis zur Akteneinsicht untrennbar verbunden wäre.
Der Sachwalter hat nach § 130 AußStrG dem Gericht in angemessenen Abständen, zumindest aber einmal jährlich über seine persönlichen Kontakte mit der betroffenen Person zu berichten. Dabei hat er auch über ihre Lebensverhältnisse und ihr geistiges und körperliches Befinden zu berichten. Das Gericht kann dem Sachwalter zudem auch den Auftrag erteilen, einen solchen Bericht zu erstatten. Weiters hat der Sachwalter bei Antritt seiner Tätigkeit den Vermögensstand der Betroffenen zu erforschen und dem Gericht gegenüber im Einzelnen aufzulisten. Des Weiteren ist der Sachwalter dem Gericht zur Rechnungslegung verpflichtet. So hat er z.B. ein Jahr nach Antritt der Sachwalterschaft die Antrittsrechnung vorzulegen und in der Folge in regelmäßigen, drei Jahre nicht übersteigenden Abständen laufend über die Vermögensverwaltung zu berichten. Er kann zudem auch zwischendurch aus besonderen Gründen aufgefordert werden, Rechnung zu legen. Schließlich hat er dem Gericht bei Beendigung der Ausübung der Sachwalterschaft einen Schlussbericht vorzulegen. Diese Regelungen führen zwangsläufig zur Notwendigkeit, dass der Sachwalter seine Tätigkeit dokumentiert.
Die §§ 140 und 141 AußStrG regeln die Vertraulichkeit des Sachwalterschaftsverfahrens hinsichtlich der Umstände des Privat- und Familienlebens und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Bei Pflichtverletzungen durch den Sachwalter kann es, abgesehen von der oben dargestellten Umbestellung, auch zu Schadenersatzansprüchen gegenüber dem Sachwalter, bei Verletzung der Aufsichtspflicht durch das Gericht auch zu Amtshaftungsansprüchen kommen.
. November 2010
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)