6327/AB XXIV. GP

Eingelangt am 22.11.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Inneres

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

 

 

 

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Kirchgatterer, Genossinnen und Genossen haben am 22. September 2010 unter der Zahl 6405/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Umsetzung der Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates 2009 und 2010“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 und 13:

Die Dublin II – Verordnung räumt den Mitgliedstaaten ausdrücklich ein Selbsteintrittsrecht ein. Sind die Auswirkungen einer allfälligen Überstellung eines Asylwerbers im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention insofern von Relevanz, als die Überstellung eines Asylwerbers einen Verstoß gegen Artikel 3 Europäische Menschenrechtskonvention konstituieren würde, so ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.

Dementsprechend ist es bereits jetzt gängige Praxis des Bundesasylamtes vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

Ein Automatismus bei der Anwendung des Selbsteintrittsrechts bei bestimmten Fallkonstellationen, welche nicht unter Artikel 3 Europäischen Menschenrechtskonvention zu subsumieren sind, würde dem Zweck einer klaren Zuständigkeitsregelung („effet utile“) und den Grundgedanken der Dublin II Verordnung widersprechen und wäre somit als gemeinschaftsrechtswidrig einzustufen.

 

Zu Frage 2:

Die angeführten Empfehlungen entsprechen der geübten Polizeipraxis. Sogenannte „Kesselungen“ kommen, als taktische Maßnahme, äußerst selten zur Anwendung. Die Dauer einer „Kesselung“ wird dabei immer auf das unbedingt erforderliche Ausmaß eingeschränkt, wobei die Zeitdauer nicht nur vom eigenen Kräfteeinsatz, sondern auch von der Kooperation des Gegenübers abhängig ist.

 

Zu Frage 3:

Im Zuge eines Lokalaugenscheines von Vertretern der Behörde, der Bundesimmobiliengesellschaft und des Bundesministeriums für Inneres wurde festgestellt, dass sich die Zellen grundsätzlich in gutem Zustand befanden. Ungeachtet dessen wurden insbesondere hinsichtlich der Helligkeit in den Räumen Maßnahmen ergriffen.

Derzeit werden von Seiten der Bundesimmobiliengesellschaft Kostenvoranschläge eingeholt und nach erfolgter Prüfung soll die entsprechende Beauftragung erfolgen.

 

Zu Frage 4:

Bereits die derzeitige Rechtslage ermöglicht derartige Besuchsmöglichkeiten.

 

Zu Frage 5:

Vorweg ist festzuhalten, dass die endgültige Gestaltung der Umbaumaßnahmen auch vom Abschluss der derzeit laufenden Grundlagenplanung abhängig ist. Eine „Offene Station für Männer“ besteht bereits, eine Implementierung einer „Offenen Station für Frauen“ ist beabsichtigt. Im Zuge der Weiterführung der Sanierung des PAZ Innsbruck wird der natürlichen Belichtung besonderes Augenmerk geschenkt werden. Für Frauen besteht bereits jetzt die Möglichkeit, die Dusche mehrmals täglich zu benutzen. In der „Offenen Station für Frauen“ werden entsprechende Sanitäreinheiten in jeder Zelle und eine frei zugängliche Dusche im Bewegungsraum zur Verfügung stehen. Dem Wunsch, Duscheinrichtungen ohne jegliche Information oder Einbeziehung des Personals zu benutzen, kann aus Sicherheitsüberlegungen nicht nachgekommen werden. Offenen Besuchsbedingungen werden nur insoweit Grenzen gesetzt, als diese keine unbeaufsichtigte Durchmischung von Besuchern und Angehaltenen herbeiführen darf.

 

Zu Frage 6:

Bereits auf Grundlage der derzeit geltenden Richtlinie für die Organisation und Durchführung von Abschiebungen und Zurückweisungen auf dem Luftwege haben die für die Begleitung vorgesehenen Beamtinnen und Beamten grundsätzlich spätestens einen Tag vor dem Abschiebetermin mit dem Fremden im jeweiligen Polizeianhaltezentrum beziehungsweise in der jeweiligen Justizvollzugsanstalt Kontakt aufzunehmen, um diesen für den Abschiebevorgang vorzubereiten. Dabei erfolgt nicht nur die Kontaktaufnahme mit dem Fremden, sondern auch mit den Aufsichtsorganen der Hafträume.

Dabei wird insbesondere auf Krankheiten, persönliche Eigenheiten und Bedürfnisse, wie etwa allfälliges Rauchen, besonders Bedacht genommen. Eine Ergänzung der gegenständlichen Richtlinien erscheint daher nicht notwendig, zumal diese Thematik auch Gegenstand regelmäßiger Schulungen und Trainings ist.

 

Zu Frage 7:

Seit 2005 besteht keine Anhaltung mehr in Einzelhaft für Hungerstreikende. In Gemeinschaftshafträumen ist grundsätzlich Kontakt zu anderen Angehaltenen gegeben.

Auf Grund besonderer Obsorgeverpflichtungen muss eine ständige Beobachtung sichergestellt werden. Dies kann in offenen Stationen nicht lückenlos gewährleistet werden.

 

Zu Frage 8:

Es wird auf die Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage 6294/J verwiesen.

 

Zu Frage 9:

Nach der Inbetriebnahme der „Offenen Station“ im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel im Dezember 2009 und einer entsprechenden Praxisphase ist eine umfassende Evaluierung vorgesehen. Die dann aus dem Betrieb dieser Station gewonnenen Erkenntnisse sollen in ein Umsetzungskonzept für das Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände einfließen. Derzeit befindet sich nur eine sehr geringe Zahl männlicher Schubhäftlinge im Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände. In jenen Fällen, in welchen ein dort untergebrachter Schubhäftling die Voraussetzungen für die Anhaltung im „offenen Vollzug“ erfüllt, wird diesem die Verlegung in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel angeboten.

 

Zu Frage 10:

Die Empfehlung wird derzeit einem breit angelegten Diskussionsprozess unterzogen.


Zu Frage 11:

In den Polizeikommissariaten steht seit 1.1.2010 die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung zu Dokumentationszwecken zur Verfügung. Alle Vorgänge betreffend Freiheitsbeschränkungen werden darin festgehalten.

 

Zu Frage 12:

Es erfolgt derzeit bereits eine Umsetzung in Pilotprojekten. Nach einer dementsprechenden Probezeit sollen die gewonnenen Erkenntnisse in künftige Projekte und Neubauvorhaben einfließen.

 

Zu Frage 14:

Mit einem Rundschreiben wurde auf weitere Möglichkeiten hingewiesen, wie in solchen Fällen reagiert werden kann.

Allein die Tatsache, dass mit einem Staat keine Rückübernahmeeinkommen besteht, schließt allerdings nicht aus, dass dennoch ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann. Demnach ist der Schluss unzulässig, dass das Fehlen eines Rückübernahmeabkommens die Zulässigkeit der Schubhaft ausschließt.

 

Zu Frage 15:

Die entsprechenden Planungsschritte befinden sich in Umsetzung.

 

Zu Frage 16:

Überlegungen über die Einführung eines bedarfsgerechten Krankenpflegedienstes wurden angestellt. Darüber hinaus gilt durch die 14. Ärztegesetznovelle im Juli dieses Jahres das Ärztegesetz auch für die kurative Tätigkeit der Polizeiamtsärzte.