6391/AB XXIV. GP
Eingelangt am 26.11.2010
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0245-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 6487/J-NR/2010
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Auswahl des Anbieters der technischen Ausstattung des elektronischen Hausarrests“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Es wurde ein Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung (§ 25 Abs. 5 BVergG 2006) im Oberschwellenbereich durchgeführt. Die Bekanntmachung erfolgte über den Lieferanzeiger (Wiener Zeitung vom 4. Mai 2010 sowie über deren Internetportal www.auftrag.at) und wurde zudem im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Das Verfahren wurde von der Bundesbeschaffung GmbH durchgeführt.
Zu 2:
Der Vertragsgegenstand wurde innerhalb der – äußerst umfangreichen –Ausschreibungsunterlagen wie folgt definiert:
„Ziel dieses Rahmenvertrages ist die Bereitstellung einer umfassenden Lösung zur elektronischen Aufsicht von unter justizieller Aufsicht stehender Personen. Das Leistungsverzeichnis enthält eine detaillierte Aufgliederung der Anforderungen. Es wird dabei zwischen zwingenden MUSS-Anforderungen und bewertungsrelevanten SOLL-Anforderungen unterschieden. Außerdem ist eine Angebotslegung für zwei Umsetzungsvarianten zulässig:
Variante 1:
Der Auftraggeber wird bei dieser Variante das System selbst betreiben. Das Equipment (Fußfessel und Basisstation) wird vom Auftraggeber geleast und eine Kaufoption besteht. Die Software wird an den Auftraggeber lizenziert und dieser stellt den 1st und 2nd Level Support selbst bzw. mit dem Betreiber sicher. Der AN hat lediglich den 3rd Level Support zu gewährleisten.
Variante 2:
Bei dieser Variante wird das System vom Auftragnehmer betrieben. Das Equipment (Fußfessel und Basisstation) wird vom Auftraggeber gemietet. Der Auftragnehmer wird bei dieser Variante jedenfalls die 2nd und 3rd Level Supportleistungen erbringen, optional auch den 1st Level Support und auch sonst alle Tätigkeiten zur elektronischen Aufsicht wahrnehmen außer:
Demgemäß wurden im Leistungsverzeichnis der Ausschreibung im Kern als Muss-Anforderungen folgende Punkte definiert, wobei sich die Punkte der Gruppe D auf die Variante 1, die Punkte der Gruppe E auf die Variante 2 bezogen haben:
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A01 |
Eine elektronische Fußfessel wird am Fußgelenk von zu überwachenden Personen angebracht. Die elektronische Fußfessel kommuniziert mit RF-Technologie (radio frequency) oder einer gleichwertigen Technologie mit zugehörigen Basisstationen. |
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A02 |
Befindet sich die überwachte Person innerhalb einer gewissen räumlichen Entfernung von der jeweiligen Basisstation, wird dies von der Basisstation oder der elektronischen Fußfessel erkannt. |
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A03 |
Entsprechende Meldungen über das Betreten und Verlassen des konfigurierten Bereichs werden mittels der Basisstationen oder der elektronischen Fußfessel an einen zentralen Server übermittelt. Für diese Kommunikation mit dem zentralen Server ist Mobilfunktechnologie (zumindest GPRS –Technik) einzusetzen. |
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A04 |
Das System muss ein Monitoring unterstützen und die flexible Konfiguration von Aufsichtsprofilen erlauben. Die Aufenthaltsorte der überwachten Personen im Sendebereich der Basisstationen werden vom System zeitabhängig gegen das Aufsichtsprofil geprüft und Verstöße führen zu Meldungen. |
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A05 |
Vor dem Hintergrund sensibler, potentiell personenbezogener Daten sind strenge Anforderungen an Datensicherheit und Zugriffsschutz einzuhalten. Insbesondere im Rahmen des Einsatzes von Webanwendung ist eine entsprechend verschlüsselte Kommunikation vorzusehen (HTTPS). Die Kommunikation mit dem zentralen Server muss jedenfalls verschlüsselt sein und es soll/muss dabei ein VPN zum Einsatz kommen. |
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A06 |
Der Auftraggeber muss seine Mitarbeiter zur Wahrung aller gesetzlichen Datenschutzregelungen verpflichten. |
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A07 |
Der Auftragnehmer muss die Daten des Auftragnehmers so speichern, dass ein unberechtigter Zugriff jedenfalls ausgeschlossen ist. |
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A08 |
Der Auftraggeber ist berechtigt eine Sicherheitsüberprüfung der eingesetzten Mitarbeiter des Auftragnehmers durchzuführen. Der Auftragnehmer stimmt zum Zweck einer diesbezüglichen Überprüfung der Ausnahme von der Anwendung des DSG zu und hat im Einzelfall erforderliche Zustimmungserklärungen der von ihm eingesetzten Personen einzuholen. Für das vom Auftragnehmer eingesetzte Personal kann jederzeit, nach Wunsch des Auftraggebers auch vor Einsatz desselben, eine Sicherheitsüberprüfung gem. Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 i. d. g. F. (SPG § 55 ff) vorgenommen werden. |
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A09 |
Es werden Schulungen gemäß Schulungskonzept des Auftragnehmers durchgeführt. Es ist ein Train-the-trainer Konzept für die Anwenderschulung vorzusehen. Ca. 30-40 Personen sollen hinsichtlich folgender Tätigkeiten geschult werden: Monitoring, Aufstellen der Basisstation, Handhabung der Fußfessel. Es sind 2 Schulungen (eine in Wien, eine in Windischgarsten) durchzuführen. |
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B01 |
Es muss technisch zuverlässiges Equipment eingesetzt werden, welches geringe Ausfallsraten und eine hohe Zuverlässigkeit erwarten lässt, soweit dies die konkreten Umweltbedingungen zulassen. |
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B02 |
Die Fußfessel muss robust ausgeführt sein (insbesonders kälte- und hitzebeständig, vollständig wasserdicht und stoßfest). |
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B03 |
Das
System muss Manipulationen verhindern und Manipulationsversuche ohne
Zeitverzögerung melden: |
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B04 |
Die
überwachte Person darf durch das Equipment nicht
übermäßig beeinträchtigt werden: |
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B05 |
Die
Sicherstellung ausreichender Stromreserven darf keine
übermäßigen Einschränkungen oder Aufwände
verursachen: |
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B06 |
Niedrige Stromreserven lösen eine Meldung aus. |
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B07 |
Die Lösung muss flexibel an unterschiedliche bauliche Vorraussetzungen angepasst werden können, um Fehlalarme bei einer möglichst präzisen Hausarrestsüberwachung zu minimieren. |
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B08 |
Es muss eine einfache Möglichkeit zur Wartung und Aktualisierung der Basisstationen gegeben sein. |
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B09 |
Es muss eine eindeutige Identifikation der Fußfessel durch die zugeordnete Basisstation möglich sein. |
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B10 |
Eine Nutzung ausländischer Mobilfunknetze muss per Konfiguration verhindert werden können. |
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B11 |
Die Möglichkeit einer zentralen Deaktivierung und einfachen Deinstallation muss gegeben sein. |
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C01 |
Die Monitoring Software muss in Form einer Webanwendung zur Verfügung stehen. |
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C02 |
Es muss eine Anzeige des Überwachungsstatus der erfassten Personen in der Monitoring Software möglich sein. |
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C03 |
Alle Benutzeroberflächen und Masken sind in deutscher Sprache zu erstellen. |
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C04 |
Die
Monitoring Software muss folgende Daten darstellen: |
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C05 |
Das System muss eine Statusverwaltung der eintreffenden Meldungen unterstützen (Quittierung und Kommentierung von Meldungen möglich). |
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C06 |
Eine Konfigurierbarkeit der Darstellung und Filterung der unterschiedlichen Meldungstypen muss möglich sein. |
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C07 |
Das System muss ein hierarchisches Benutzergruppenkonzept unterstützen. Es dürfen nur die Daten der jeweils zugeordneten Personen angezeigt werden. Die Benutzer- und Rechtekonfiguration muss durch berechtigte Mitarbeiter des Auftraggebers möglich sein. |
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C08 |
Der Auftragnehmer muss alle protokollierten Daten der zumindest 36 letzten Monate speichern und abfragbar halten. Auf Anfrage des Auftraggebers sind protokollierte Daten aus benannten Zeitperioden zu löschen. Zusätzlich sind dem Auftraggeber monatlich alle protokollierten Daten zu übergeben (die Daten müssen interpretierbar und auswertbar sein). |
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C09 |
Alle Eingaben und Änderungen müssen protokolliert werden und es muss aus einer Historie ersichtlich sein, wer wann welche Aktion zur Veränderung der Daten vorgenommen hat. |
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C10 |
Es muss ein Export der Daten der Monitoring Software in strukturierter Form möglich sein. |
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C11 |
Die Software muss die Fähigkeit aufweisen, Webservices aufzurufen. |
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C12 |
Es muss eine einfache Eingabe, Speicherung, Korrektur und Ausdruck von Aufsichtsprofilen durch den Auftraggeber bzw. von ihm dazu beauftragte Personen möglich sein. |
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C13 |
Ganze Aufsichtsprofile oder nur Teile davon müssen kopiert und in anderen Aufsichtsprofilen weiterverwendet werden können. |
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C14 |
Das System muss zwischen verpflichtender Anwesenheitszeit und Freizeit unterscheiden. |
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C15 |
Es
darf keine Fehler- oder Alarmmeldung abgesetzt werden, wenn unterschiedliche |
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C16 |
Die Monitoring Software muss die korrekte Funktionsweise des Equipments überwachen und Vorkehrungen zur Überwachung der eigenen Funktionsfähigkeit (Selbstüberwachung) enthalten. |
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C17 |
Nach Beendigung des gegenständlichen Vertrags werden alle auftragsbezogenen Daten dem Auftraggeber übergeben. Der Auftragnehmer hat in Folge zu bestätigen, dass sämtliche Daten des Auftraggebers unwiederbringlich gelöscht worden sind. |
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D01 |
Das Equipment (Fußfessel und Basisstation) wird an den Auftraggeber geleast, wobei eine Kaufoption vorgesehen ist. |
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D02 |
Die Überwachungssoftware auf dem zentralen Server wird an den Auftraggeber lizenziert. Der Auftraggeber muss dabei die Möglichkeit haben, die Software auch nach Ablauf der 3-jährigen Vertragslaufzeit produktiv zu nutzen. |
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D03 |
Der Auftragnehmer wird die Installation des Systems durchführen. |
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D04 |
Auf allen wesentlichen Masken (insb. der Darstellung des Überwachungsstatus) hat die HNR-Nummer sowie die zuständige Justizanstalt zur Identifizierung der überwachten Person aufzuscheinen (jedoch keine personenbezogenen Daten). |
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D05 |
Eine Unterstützung der Statusüberwachung der Monitoringsoftware durch externe Softwareprodukte muss gegeben sein. |
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D06 |
Der Auftragnehmer ist verpflichtet, eine Softwarewartung für die gelieferten Systeme durchzuführen (Aktualisierung der Monitoringsoftware sowie der Treiber und Firmwareversionen der eingesetzten Hardware). |
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D07 |
Der Auftraggeber kann auf Wartungs- und Supportdienstleistungen (3rd Level Support) an jedem Wochen-, Sonn- und Feiertag des Jahres ganztägig für 24 Stunden zugreifen. Der 3rd Level Support ist in deutscher oder englischer Sprache zulässig. |
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D09 |
Der Auftragnehmer muss ein Konfigurations-/Administrationsschulung gemäß angebotenem Schulungskonzept für den Betrieb durchführen. |
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D10 |
Der Auftragnehmer wird die benötigte Hard- und Systemsoftware spezifizieren. Diese muss in der angegebenen Betriebsumgebung (siehe gleichnamiges Tabellenblatt) lauffähig sein. |
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E01 |
Das Equipment (Fußfessel und Basisstation) wird an den Auftraggeber vermietet. |
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E02 |
Der
Auftragnehmer betreibt die Lösung auf eigener Hardware, welche eine hohe
Systemverfügbarkeit sicherstellt. Es sind folgende Anforderungen zu
erfüllen: |
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E03 |
Leistungen
von Mobilfunkprovidern werden vom Auftragnehmer bereit gestellt. Der
eingesetzte Mobilfunkprovider muss Quality of Service (QoS) anbieten und eine
Priorisierung der jeweiligen Meldungen gewährleisten. |
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E04 |
Der Auftragnehmer ist verpflichtet, den eingesetzten Telekom-Provider über Standleitung an das zentrale System anzubinden. |
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E05 |
Der Auftragnehmer garantiert eine monatliche Systemverfügbarkeit von 99% bei einem durchgehenden (24/7) Betrieb. |
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E06 |
Als Option: Alarmqualifikation und Priorisierung: der Auftragnehmer wird
die im System eintreffenden Meldungen analysieren und anhand der vereinbarten
Vorgaben des Auftraggebers folgende Tätigkeiten durchführen: |
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E07 |
Das benötigte Equipment wird an einen zentralen Standort des Auftraggebers in Wien geliefert. Es ist dabei eine Reserve von 10% der zu jedem Zeitpunkt im Einsatz befindlichen Geräteanzahl (zumindest aber 5 Stück) als Reserve übergeben. |
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E08 |
Der Auftraggeber kann auf einen 1st Level Help Desk an jedem Wochen-, Sonn- und Feiertag des Jahres ganztägig für 24 Stunden zugreifen. Der 1st Level Support muss in deutscher Sprache erfolgen. |
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E09 |
Der Auftraggeber kann auf Wartungs- und Supportdienstleistungen (2nd / 3rd Level Support) an jedem Wochen-, Sonn- und Feiertag des Jahres ganztägig für 24 Stunden zugreifen. Der 2nd und 3rd Level Support ist in deutscher oder englischer Sprache zulässig. |
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E10 |
Der maximale Übertragungsintervall für Meldungen (Keep-alive und Systemmeldungen außer Alarmen) an den zentralen Server beträgt 30 Minuten. |
Diese Anforderungen wurden im Laufe des mehrstufigen Verfahrens präzisiert und verfeinert, ohne dass sich freilich grundlegende Veränderungen in den letztlich relevanten Muss-Kriterien ergeben hätten. Diese Kriterien wurden von den Teilnehmern während des Verfahrens auch nicht beanstandet.
Zu 3:
Es wurden zunächst insgesamt acht Teilnahmeanträge gelegt:
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1 |
G4S Security Systems GmbH |
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2 |
Serco Geografix Limited |
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3 |
PKE Electronics AG |
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4 |
Elmo-Tech Ltd. |
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5 |
SCHRACK SECONET AG |
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6 |
Siemens AG Österreich, Siemens IT Solutions and Services |
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7 |
Securitas Sicherheitsdienstleistungen GmbH |
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8 |
euromicron austria GmbH |
Aus diesem Teilnehmerkreis wurden von einer Bewertungskommission entsprechend den vorgegebenen Eignungskriterien, das waren einschlägige Referenzen und eingesetzte Qualitätssicherungssysteme, mit Elmo-Tech Ltd, G4S Security Systems GmbH und euromicron austria GmbH die drei am besten geeigneten Bieter ausgewählt und am 18. Juni 2010 zur ersten Angebotslegung bis 5. Juli 2010 eingeladen. Dazu wird auch auf die Beantwortung der Anfrage Zl. 5845/J-NR/2010 der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen, hingewiesen.
Zu 4 bis 6 und 8 bis 13:
Die Vergabe ist an Elmo-Tech Ltd. erfolgt, dessen System „E3“ nach Herstellerangaben in unterschiedlichen Konfigurationen und mit unterschiedlichen Zielrichtungen in Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg, in der Schweiz, in Deutschland, in den Niederlanden, in Dänemark, Schweden, Estland und Russland eingesetzt wird, weiters in Israel, den USA, Mexiko, Kolumbien, Brasilien, Argentinien, Singapur, Australien und Neuseeland.
Die letztlich entstehenden Kosten für die elektronische Überwachung durch die angebotenen Systeme werden maßgeblich durch die Anzahl der elektronisch überwachten Personen bestimmt werden (Staffelpreise), sodass abschließende Angaben dazu noch nicht erfolgen können.
Die sich aus mehreren fixen Positionen (umfassend die Projekteinmalkosten für die Inbetriebnahme inkl. aller spezifischen Anpassungen, allfällige zusätzliche monatliche Sonderkosten) und nach der Anzahl abgerufener Überwachungssysteme variablen Komponenten zusammensetzenden Kosten (umfassend das nach dem Durchschnittsstand der laufend elektronisch überwachten Personen gestaffelte Entgelt für die Bereitstellung des benötigten Equipments auf Mietbasis, die Bereitstellung des 2nd Level Supports, des 3rd Level Supports und der Providerkosten für die Bereitstellung der benötigten SIM-Karten und Übernahme der Kommunikationskosten für den Daten- und Sprachverkehr) würden sich für die von den drei Anbietern angebotenen Lösungen umgerechnet auf eine Menge von dreihundert laufend in Betrieb befindlichen Überwachungssystemen (Fußfesseln) und eine Vertragsdauer von drei Jahren auf folgende Nettobeträge pro Tag und überwachte Person belaufen:
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G4S Security Systems GmbH |
2,80 Euro |
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Elmo-Tech Ltd., |
4,85 Euro |
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euromicron austria GmbH |
3,91 Euro |
Die Preisgestaltung der Anbieter musste aufgrund des Verlaufs des Vergabeverfahrens und des Ausscheidens zweier Anbieter wegen Nichterfüllung von Ausschreibungsbedingungen ohne Einfluss auf die Vergabeentscheidung bleiben. Für den Fall, dass mehr als ein Anbieter bis zuletzt im Vergabeverfahren verblieben wäre, wäre der sogenannte Angebotspreis mit 50% in die Angebotsbewertung eingegangen.
Gemäß § 129 BVergG sind vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung auf Grund des Ergebnisses der Prüfung auszuscheiden:
· insbesondere den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote,
· Teil-, Alternativ- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden,
· nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie
· fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind.
Es handelt sich dabei um keine Ermessensentscheidungen; das Gesetz verpflichtet den Auftraggeber zu dieser Vorgangsweise.
Im Zuge des Vergabeverfahrens wurden im Interesse eines fairen, Irrtümer und Anwendungsfehler ausschließenden Verfahrens die Anbieter euromicron austria GmbH und G4S Security Systems GmbH am 30. Juli 2010 in den Räumen der Bundesbeschaffung GmbH mit im Zuge der Testung festgestellten Abweichungen von den Muss-Anforderungen konfrontiert; dabei wurde ihnen die Möglichkeit zu Aufklärungen eingeräumt. In der Folge haben vor der abschließenden Bewertung der Angebote weitere Testungen stattgefunden.
Zur Vermeidung von Missverständnissen merke ich an, dass die Nichteinhaltung von Muss-Anforderungen bedeutet, dass eine vorweg definierte, vom Auftraggeber für erforderlich erachtete Anforderung konkret nicht erfüllt wird. Letzteres war bei beiden Mitbewerbern jenes Anbieters, der den Zuschlag erhalten hat, in jeweils zumindest einem Punkt der Fall.
Medienberichte, wonach auch das Produkt des ausgewählten Anbieters bei 12 von 35 Testkriterien Mängel aufgewiesen habe, kann ich nicht bestätigen. Von welchen Tests und Testkriterien hier gesprochen wird, ist mir nicht bekannt. Bei jenem Anbieter, der den Zuschlag erhalten hat, haben sich in den Tests durch Bedienstete des Strafvollzugs keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Muss-Anforderungen nicht erfüllt wären.
Die praktischen Erfahrungen der ersten Wochen haben die Vergabeentscheidung insoweit bestätigt, als das System tatsächlich bislang technisch einwandfrei funktioniert.
Im Detail zum Anbieter euromicron austria GmbH:
Vorauszuschicken ist, dass das System dieses Anbieters abweichend von den von den beiden anderen Anbietern angebotenen Systemen die gesamte Technik in die Fußfessel selbst integriert, die deshalb ein sehr hohes Gewicht (nach Herstellerangaben 280g), einen höheren Stromverbrauch und somit einen kurzen Ladezyklus aufweist.
Die Ausschreibungsbedingungen enthielten von Anfang an unter anderem das nachstehende, in der oben dargestellten Erstfassung der Ausschreibung als B05 bezeichnete Muss-Kriterium:
Die Sicherstellung ausreichender Stromreserven darf keine übermäßigen Einschränkungen oder Aufwände verursachen:
- maximale
Ladezeit beträgt 60 Minuten
- minimaler Ladezyklus von 84 Stunden im "stationären" Betrieb
- minimale Lebensdauer der Stromversorgung von 12 Monate
Der Anbieter wurde am 30. Juli 2010 nochmals konkret damit konfrontiert, dass nach den Testergebnissen die Ladezeit deutlich über einer Stunde lag und dennoch lediglich eine Ladezyklus von etwa 36, also weit weniger als 84 Stunden erreicht werden konnte. Der Anbieter sagte – konkret konfrontiert mit der Problematik eines zu kurzen Ladezyklus und einer zu langen Ladezeit – am 30. Juli 2010 zu, dass durch eine Deaktivierung des GPS-Betriebs der Ladezyklus im geforderten Ausmaß verlängert werden könne und hat diese Maßnahme für denselben Nachmittag zugesagt. Ein weiterer Test am Folgetag hat allerdings ergeben, dass dieses Muss-Kriterium weiterhin nicht erfüllt wurde, wozu auf den nachstehend abgedruckten Protokollausschnitt hingewiesen wird:

Diesem ist zu entnehmen, dass die Aufladung von 7:41 Uhr bis 9:08 Uhr gedauert hat (mehr als 60 Minuten) und vor allem der Ladezustand dennoch bereits um 3:48 Uhr des Folgetages, also weiterhin nach rund 36 Stunden kritisch war. Das dargestellte Muss-Kriterium war damit als nicht erfüllt anzusehen.
Im Detail zum Anbieter G4S Security Systems GmbH:
Die Ausschreibungsbedingungen enthielten von Anfang an unter anderem das nachstehende, in der oben dargestellten Erstfassung der Ausschreibung als B03 bezeichnete Muss-Kriterium:
Das System muss Manipulationen verhindern und Manipulationsversuche ohne Zeitverzögerung melden:
- keine
Bewegung der aktiven Basisstation möglich ohne Alarmauslösung
- jedwede Manipulation der Fußfessel oder der Basisstation verursacht
Alarm
- keine unautorisierte Änderung der Konfiguration der Basisstation
möglich
Das angebotene Produkt erfüllt – im Gegensatz zum letztlich ausgewählten – diese Muss-Anforderung der Ausschreibungsbedingungen, die während des Verfahrens vom Anbieter zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen wurden, nicht, sondern reagiert erst mit einer gewissen Zeitverzögerung auf eine Unterbrechung der Stromzufuhr zur und/oder eine Bewegung der in der Unterkunft installierten Basisstation. Die einschlägigen Testergebnisse decken sich mit den Presseaussendungen dieses Anbieters vom 25. August 2010 und 22. September 2010 (Zitat: „Bei elektronisch überwachtem Hausarrest sei eine Toleranz von zwei Sekunden üblich, innerhalb der kein Alarm ausgelöst wird“).
Weiters enthielten die Ausschreibungsbedingungen von Anfang an unter anderem das nachstehende, in der oben dargestellten Erstfassung der Ausschreibung als C15 bezeichnete Muss-Kriterium:
Es darf keine Fehler- oder Alarmmeldung abgesetzt werden, wenn unterschiedliche Abwesenheitszeiten (z.B. Arbeit und Freizeit) direkt aufeinander folgen und die überwachte Person während des Überganges von der einen auf die andere Zeit abwesend ist.
Die angebotene Lösung ermöglicht das nicht, weil hier zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Abwesenheitszeiten programmtechnisch bedingt nicht in derselben Sekunde enden und beginnen können, sodass eine Lücke entsteht, durch die eine Fehlermeldung ausgelöst wird, wenn sich die überwachte Person in diesem Augenblick nicht in der Unterkunft befindet. Das haben auch die Testergebnisse bestätigt.
Zu 7:
Nein, das ist unzutreffend. Gemäß § 2 Z 16 BVergG ist die Entscheidung über das Ausscheiden eines Angebots eine gesondert anfechtbare Entscheidung, die gemäß §§ 320 ff BVergG 2006 einem Nachprüfungsverfahren von den Betroffenen unterzogen werden kann. Von dieser Möglichkeit hat allerdings keiner der beiden ausgeschiedenen Anbieter Gebrauch gemacht.
. November 2010
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)