6392/AB XXIV. GP
Eingelangt am
26.11.2010
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0246-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 6490/J-NR/2010
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „rechtlich nicht gedeckter Beschuldigteneinvernahmen von „profil“- und „news“-Journalisten nach deutschem Rechtshilfeansuchen“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Das Rechtshilfeersuchen hinsichtlich K.K. ist am 2. Juli 2010, das Rechtshilfeersuchen hinsichtlich M.N. und U.Sch. ist am 2. August 2010 bei der Staatsanwaltschaft Wien eingegangen.
Zu 2:
Mit der Behandlung der Rechtshilfeersuchen war nach § 55 Absatz 1 ARHG die (örtlich zuständige) Staatsanwaltschaft Wien befasst.
Zu 3 bis 6:
Dem Bundesministerium für Justiz wurde über die Rechtshilfeersuchen und die von der Staatsanwaltschaft Wien getroffenen Verfügungen am 23. September 2010 erstmals berichtet.
Zu 7 bis 10:
Nein, das bloße Ersuchen um Beschuldigteneinvernahme im Rechtshilfeweg löst an sich keine Berichtspflicht aus; nach § 20 ARHV hat die zuständige Justizbehörde das Bundesministerium für Justiz zu verständigen, wenn sie in Aussicht nimmt, einem Rechtshilfeersuchen nicht zu entsprechen. Ein solcher Bericht wurde vorgelegt.
Zu 11 bis 15:
Die Anordnung der Rechtshilfeleistung im Falle M.N. und U.Sch. durch die Staatsanwaltschaft Wien erfolgte in der irrigen Annahme, dass dem in Deutschland zugrunde liegenden Tatvorwurf bei sinngemäßer Umstellung nach österreichischem Recht auch das Element der Bestimmung zum Amtsmissbrauch (§§ 12, 302 StGB) zugrunde liege. Erst nach Anordnung der Einvernahme und Beauftragung der Kriminalpolizei durch die Staatsanwaltschaft Wien stellte sich heraus, dass ein Substrat für dieses Sachverhaltselement nicht vorliegt und für eine Strafbarkeit der Tat nach deutschem Recht dieses Sachverhaltselement auch nicht Voraussetzung ist. Im Falle K.K. wurde keine Beschuldigtenvernehmung angeordnet. Beiden Rechtshilfeersuchen wurde letztlich nicht entsprochen, weil der ersuchenden deutschen Behörde die Ablehnung der Rechtshilfeersuchen mitgeteilt und die im Fall M.N. und U.Sch. angefertigten Einvernahmeprotokolle nicht weitergeleitet wurden, zumal die Erfordernisse der beiderseitigen Strafbarkeit der Tat nach dem österreichischen Vorbehalt zu Artikel 1 Absatz 1 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl. Nr. 41/1969, in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29. Mai 2000, BGBl. III Nr. 65/2005, nicht vorgelegen seien. Anzumerken ist, dass selbst bei Unzulässigkeit der Rechtshilfe für das Ausland nach § 31 Absatz 2 ARHV der österreichische Staatsbürger von der inländischen Staatsanwaltschaft über die Anhängigkeit des ausländischen Strafverfahrens in Kenntnis zu setzen ist, was in allen drei Fällen auch erfolgte.
Zu 16 bis 19:
Die die Rechtshilfehandlung hinsichtlich M.N. und U.Sch. anordnende Behörde hat den dem Ersuchen zugrunde liegenden Sachverhalt rechtsirrig interpretiert. Es handelt sich dabei allerdings – gerade im Hinblick auf den Umstand der zuletzt doch erfolgten Ablehnung der Rechtshilfeleistung gegenüber der ersuchenden Behörde – um einen minderen Grad des Versehens. Im Übrigen ist auch gegen die Anordnung der Rechtshilfe ein Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO seitens der betroffenen Personen zulässig, sodass auch im Bereich der Rechtshilfe für das Ausland der Rechtsschutz sichergestellt ist. Als Bundesministerin für Justiz werde ich aber das Augenmerk darauf legen, dass durch geeignete Aus- und Fortbildungsmaßnahmen die Staatsanwaltschaften und Gerichte im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr mit dem Ausland ausreichend geschult werden.
Zu 20:
Die in der Anfrage zitierte Bestimmung in § 353d des dt. StGB soll die Unbefangenheit der an Strafverfahren Beteiligten, namentlich der Laienrichter und Zeugen, schützen. Verhindert werden soll, dass Schriftstücke eines Strafverfahrens durch ihre öffentliche Bekanntgabe vorzeitig zum Gegenstand öffentlicher Diskussion oder gar zum Anlass gezielter Beeinflussungen werden, welche die Unvoreingenommenheit der Verfahrensbeteiligten besonders nachhaltig in Frage stellen können. Im Kern dient der Straftatbestand daher der Fairness des Strafverfahrens und will einer „medialen Vorverurteilung“ entgegenwirken.
Pläne zur Einführung einer ähnlichen Bestimmung in Österreich bestehen aber derzeit nicht.
. November 2010
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)