6428/AB XXIV. GP
Eingelangt am
01.12.2010
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung
Alois Stöger diplômé
Bundesminister
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMG-11001/0314-II/A/9/2010
Wien, am 29
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 6536/J der Abgeordneten Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Frage 1:
In der Novelle zum Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006, idgF, welche bislang noch nicht kundgemacht werden konnte, da die in diesem Fall erforderliche Zustimmung aller Länder noch nicht gegeben ist, wird in § 32 Abs. 1 die Vorlage eines jährlichen Lebensmittelsicherheitsberichtes normiert. Dieser wird auch die Themen Täuschungsschutz und Irreführung beinhalten. Auf EU-Ebene wird derzeit die „Verbraucherinformationsverordnung“ verhandelt. Die Arbeiten in der Ratsarbeitsgruppe sind bereits sehr weit fortgeschritten. Eine Einigung im Rat ist – aus derzeitiger Sicht – heuer noch denkbar. Hinsichtlich Täuschungsschutz wurden insbesondere in den letzten Wochen die Aufnahme von erweiterten Bestimmungen – insbesondere im Hinblick auf Imitate – diskutiert. Österreich hat einer Verschärfung zugestimmt.
Frage 2:
Die Arbeitsgruppe „Täuschungsschutz“ im Rahmen der Codex-Unterkommission A 3 (Allgemeine Beurteilungsgrundsätze) hat nach den letzten mir vorliegenden Informationen ihre Arbeit zum Thema Herkunft finalisiert und wird demnächst den Vorschlag dem Codexplenum zur Beschlussfassung zuleiten. Die Arbeitsgruppe wird sich sodann dem nächsten Thema – Auslobungen und Kennzeichnungen im Zusammenhang mit „Bauern“ – widmen.
Diese Leitlinien zur Unterstützung von LebensmittelgutachterInnen in der Beurteilung, ob ein Lebensmittel irreführend gekennzeichnet ist oder nicht, sind im Bereich des – eu-weit vollharmonisierten – Lebensmittelkennzeichnungsrechts derzeit die einzige Handhabe zur Verbesserung des Täuschungsschutzes. Irreführende Kennzeichnung ist eu-weit verboten. Die Beurteilung einer Irreführung obliegt in einer Fall-zu-Fall-Beurteilung dem Lebensmittelgutachter/der Lebensmittelgutachterin. Heranzuziehen für eine derartige Beurteilung ist der „mündige Verbraucher/die mündige Verbraucherin“ (vorgeben durch EUGH-Rechtsprechung), die übliche Verkehrsauffassung und die gesamte Aufmachung des zu beurteilenden Produktes. Hinsichtlich der letzten zwei Punkte wurde versucht, mit den genannten Leitlinien erstmals in diesem Bereich in Österreich auch klare Orientierungen für die GutachterInnen zu schaffen.
Frage 3:
Eine „Doppelgleisigkeit“ im Zusammenhang mit einem staatlich anerkannten Gütezeichen „gentechnikfrei“ für Lebensmittel kann ich nicht erkennen. Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen wünscht „gentechnikfreie“ Lebensmittel. Ein staatliches Gütezeichen stärkt die Marktposition von derart ausgezeichneten Produkten. Das privatrechtlich organisierte Zeichen „gentechnikfrei erzeugt“ der ARGE Gentechnikfrei (der in der Frage genannte Florian Faber ist deren Geschäftsführer) orientiert sich an der Codexrichtlinie zur Definition der „gentechnikfreien Produktion“ von Lebensmitteln und deren Kennzeichnung, die wie die oben genannten Leitlinien zur Beurteilung für LebensmittelgutachterInnen die Verkehrsauffassung in Österreich im Zusammenhang mit einer Auslobung als „gentechnikfrei“ festhält. Vordergründiger Zweck einer Codexrichtlinie ist es, Täuschung zu unterbinden. Dadurch haben wir es geschafft in Österreich, dass es nur eine Auffassung von „gentechnikfrei“ gibt und keine Produkte am Markt sind, die z.B. mit „GVO-frei“ ausgelobt werden (im Sinne von enthält keine gentechnisch veränderten Organismen im Endprodukt, aber gentechnisch veränderte Futtermittel kamen zum Einsatz) oder Produkte mit „gentechnikfrei“ beworben werden, ohne dass ein entsprechendes Kontrollsystem dahinter steht, das sicherstellt, dass keine gentechnisch veränderten Organismen zum Einsatz kamen. Solche Auslobungen entsprächen nicht der Verkehrsauffassung der Österreichischen KonsumentInnen und das wurde in der Codexrichtlinie festgehalten.
Aus meiner Sicht haben die KollegInnen der ARGE Gentechnikfrei Pionierarbeit im Feld der gentechnikfreien Lebensmittelproduktion geleistet, da es ihnen zu verdanken ist, dass es in Österreich über 600 Produkt im Markt gibt, die dieses Zeichen tragen. So konnte auch bewiesen werden, dass es möglich ist – auch abseits von „bio“ – Lebensmittel gentechnikfrei zu erzeugen. Es wäre daher aus meiner Sicht an der Zeit, dieses Zeichen als „staatliches Gütezeichen“ aufzuwerten. Ein entsprechender Antrag zur Anerkennung des ARGE-Zeichens als staatliches Gütezeichen wurde schon vor über drei Jahren beim – damals nach der mittlerweile ausgelaufenen Gütezeichenverordnung für die Anerkennung zuständigen -Landwirtschaftsministerium eingereicht. Eine Anerkennung ist nicht erfolgt.
Derzeit existiert keine Rechtsgrundlage, auf deren Basis neue staatliche Gütezeichen anerkannt werden könnten. Ich bemühe mich seit meinem Amtsantritt um eine moderne Nachfolgeregelung der ausgelaufenen Gütezeichenverordnung, nicht zuletzt auch, weil ein „neues Gütesiegelgesetz“ im Regierungsprogramm vereinbart ist.
Frage 4:
Meine MitarbeiterInnen sind regelmäßig in Kontakt mit den Verkehrskreisen. In der Codexkommission und deren Unterkommissionen sind auch alle Verkehrskreise vertreten. Zudem habe ich speziell zum Thema „gentechnikfrei“-Gütezeichen auch Gespräche mit Vertretern der Landwirtschaftskammer geführt, deren Unterstützung ich für ein staatliches Gütezeichen „gentechnikfrei“ leider bisher nicht gewinnen konnte.
Frage 5:
Die Kosten werden, wenn in einem zukünftigen „Gütezeichengesetz“ keine anderen Regelungen getroffen werden, nach den allgemeinen Gebühren für Verwaltungsverfahren zu berechnen sein. Betreffend die Kosten der Kontrollstellen werden keine Änderungen eintreten, da diese bereits jetzt entsprechend der Codexrichtlinie in der Kontrolle von „gentechnikfreien Lebensmitteln“ tätig sind.
Frage 6:
Sowohl Kontrollen der zuständigen Behörden als auch Untersuchungen von Proben werden hinsichtlich des Merkmals „gentechnikfrei“ statistisch nicht extra erfasst. Die Kontrollen durch akkreditierte Kontrollstellen werden einmal jährlich mit einem risikoorientierten Ansatz bei den einzelnen Projekten (Projektbetreiber/innen und Zulieferer/Zulieferinnen) als auch bei Einzelbetrieben durchgeführt.
Fragen 7, 10 und 11:
Es wurden 3 Inserate geschaltet, bisher wurden € 34.176,25 bezahlt (Inserat „Österreich“ - 26.9.2010). Die Schaltung weiterer Inserate ist derzeit nicht geplant.
Frage 8:
Die Vergabe und Verwaltung sollte vom Gütezeichenverband erfolgen, nach Anerkennung des entsprechenden Regulativs durch das zuständige Ministerium. Wenn es um Lebensmittelkennzeichnung geht – und dazu zählen lt EU-Lebensmittelkennzeichnungsverordnung alle Arten von Zeichen auf Lebensmitteln – ist das lt Bundesministeriengesetz für Lebensmittelkennzeichnung federführend zuständige Ministerium das Bundesministerium für Gesundheit.
Frage 9:
Die Nutzung eines Gütezeichens muss vom jeweiligen Verband allen, die die Vorgaben erfüllen, gewährt werden. Hinsichtlich eines staatlich anerkannten Gütezeichens „gentechnikfrei“ ergibt sich daraus, dass keine Änderungen hinsichtlich der Anforderungen, der Verwendung und Kosten (zum Status Quo) auftreten, allerdings für die VerwenderInnen sich ein größerer Nutzen ergibt (Wettbewerbsvorteil insbesondere auch auf ausländischen Märkten).
Frage 12:
Wie bereits in der Anfragebeantwortung 5533/AB http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_05533/index.shtml ausgeführt, wäre eine solche Kennzeichnung für die VerbraucherInnen nicht zielführend, weil dann beinahe alle herkömmlichen tierischen Lebensmittel kennzeichnungspflichtig wären. Zur Gewährleistung von gentechnikfreien Alternativen für die VerbraucherInnen scheint mir dieser Weg kontraproduktiv, weil kein Anreiz besteht, gentechnisch veränderte Futtermittel zu meiden, wenn beinahe das gesamte Sortiment gekennzeichnet ist. Österreich unterstützt diesen Ansatz auf EU-Ebene daher nicht.
Frage 13:
Es besteht zur Zeit kein Grund zu der Annahme, dass Sekundärprodukte wie Milch, Eier oder Muskelfleisch von Tieren, die gentechnisch veränderte Futtermittel gefressen haben, qualitative Einschränkungen aufweisen (siehe auch Anfragebeantwortung 3783/AB http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_03783/index.shtml )
Frage 14:
Die Verhandlungen zur Verbraucherinformationsverordnung im Europäischen Rat sind sehr intensiv. Zwischenzeitig erfolgte die erste Lesung im Europäischen Parlament, die Europäische Kommission wird bis Ende des Jahres einen geänderten Vorschlag zur Informationsverordnung vorlegen. Zielsetzung der belgischen Präsidentschaft ist es, auf Ratsebene zu einem Abschluss zu kommen, um im Dezember einen gemeinsamen Standpunkt vorlegen zu können. Das erscheint aus derzeitiger Sicht auch realistisch.
Frage 15:
Ziel der Verbraucherinformationsverordnung ist, dem Verlangen der Verbraucherinnen und Verbraucher nach mehr und „besserer“ Information (klare, einfache, umfassende, standardisierte und zuverlässige Informationen) auf der Etikettierung von Lebensmitteln nachzukommen. Hinsichtlich des Zeitplans verweise ich auf meine Ausführungen zu Frage 14.
Hinsichtlich der vom Parlament geforderten verpflichtenden Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Produkte setzt sich Österreich für eine praktikable verpflichtende Herkunftskennzeichnung ein. Österreich forderte grundsätzlich eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei unverarbeiteten Produkten, bei Produkten mit nur einer Zutat und bei nur leicht verarbeiteten landwirtschaftsnahen Produkten wie Käse und Schinken hinsichtlich der Herkunft des wesentlichen Rohstoffs (Milch und Fleisch). Dies wurde auch am Gesundheitsministerrat in Luxemburg am 8. Juni 2010 entsprechend kundgetan. Aufgrund der unterschiedlichen Positionen der Mitgliedstaaten wird es nun notwendig sein, den für das österreichische Anliegen bestmöglichen Kompromiss zu erzielen.
Frage 16:
Ich verweise auf die Antworten zu den Fragen 1-3.
Frage 17:
Bei jedem der vergangenen Gesundheitsministerräte, auf denen die Verbraucherinformationsverordnung diskutiert wurde, habe ich die Österreichische Position, insbesondere hinsichtlich Herkunftskennzeichnung, kundgetan. Darüber hinaus habe ich das Thema auch mit Kommissar Dalli besprochen und sind meine MitarbeiterInnen mit den zuständigen BeamtInnen auf Kommissionsebene laufend in Kontakt. Zudem gab es zahlreichen Ratsarbeitsgruppen zur Verbraucherinformationsverordnung in den letzten zwei Jahren. Was Österreich (durch die nationale Delegierte) in diesen Arbeitsgruppen vorbrachte, wurde laufend mit meinem Büro besprochen.