6434/AB XXIV. GP

Eingelangt am 02.12.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

Die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 6782/J-NR der Abgeordneten Doppler und weiterer Abgeordneter beantworte ich wie folgt:

 

Frage 1:

In Österreich wird das Verbot, Kettenarbeitsverhältnisse abzuschließen, auf § 879 ABGB gestützt. So ist nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes nach dieser Bestimmung eine mehrmalige Aneinanderreihung befristeter Arbeitsver­hältnisse - um der Gefahr der Umgehung zwingender, die Arbeitnehmer/innen schüt­zender Rechtsnormen zu begegnen - nur dann rechtswirksam, wenn die Aneinander­reihung der einzelnen Verträge durch besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe gerechtfertigt ist. Liegt ein unzulässiger Kettenarbeitsvertrag vor, gilt das Arbeitsver­hältnis als auf unbestimmte Zeit eingegangen.

 

Die besonderen Umstände, die zur sachlichen Rechtfertigung heranzuziehen - und nachzuweisen - sind, können nicht generalisiert und typisiert werden, sondern hän­gen von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Maßgeblich sind jene objek­tiven Verhältnisse, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeben waren und zum Abschluss von Kettenarbeitsverträgen geführt haben. Von Relevanz können wirtschaftliche, organisatorische und technische Gründe sowie soziale Gründe sein.

Ein Rechtsstreit hinsichtlich des Vorliegens eines verpönten Kettenarbeitsvertrags ist als bürgerliche Rechtsstreitigkeit von den zuständigen Arbeits- und Sozialgerichten zu entscheiden. Der/die Arbeitnehmer/in hat demnach eine Klage zur Geltendmachung seiner/ihrer Ansprüche beim zuständigen Gericht einzubringen und keine Anzeige an eine Verwaltungsbehörde.

 

Frage 2:

In diesem Zusammenhang darf ich auf die Richtlinie 1999/70/EG des Rates zur EGB-UNICEF-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge und deren Umsetzung in Österreich verweisen. Ziel dieser Richtlinie ist es, durch die Anwen­dung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsver­hältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der Missbrauch durch auf­einanderfolgende befristete Arbeitsverträge verhindert.

 

Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht erfolgte in Österreich im Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz, in dem der Grundsatz der Nichtdiskriminierung befristeter Arbeitnehmer/innen und ein Informationsrecht über im Unternehmen oder Betrieb frei werdende Arbeitsverhältnisse auf unbestimmte Zeit normiert wurde.

 

Befristete Arbeitsverträge werden als atypische Beschäftigung angesehen, da sie vom Normalarbeitsverhältnis abweichen, das u.a. durch eine dauerhafte Beschäfti­gung gekennzeichnet ist. Auch bei der künftigen Weiterentwicklung des Arbeitsver­tragsrechts wird die Frage eines ausreichenden arbeitsrechtlichen Schutzes für atypisch Beschäftigte eine wichtige Rolle spielen. Dabei wird auch der Rechtsdurch­setzung besonderer Stellenwert zukommen.

 

Frage 3:

Der wesentliche Vorteil liegt darin, dass befristete Arbeitsverhältnisse automatisch mit Ablauf der Befristung enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Dies hat zur Folge, dass die Arbeitnehmer/innen ihren Kündigungsschutz verlieren und die Ar­beitgeber/innen daher nicht länger Entgelt zu bezahlen haben. Weitere finanzielle Vorteile für die Unternehmen ergeben sich bei jenen Ansprüchen, die sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses richten und bei denen eine Anrechnung von Vor­dienstzeiten nicht vorgesehen ist (z.B. Entgeltfortzahlung bei Krankheit).

 

Frage 4:

Zur Frage, wie viele Verfahren in den letzten fünf Jahren bei den Arbeits- und Sozial­gerichten zu Kettenarbeitsverträgen anhängig waren, liegen meinem Ressort keine statistischen Daten vor.