6438/AB XXIV. GP
Eingelangt am 03.12.2010
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0248-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 6515/J-NR/2010
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „unzureichende Qualitätskontrolle von Sachverständigen-Gutachten am Beispiel Primar Univ.‑Prof. Dr. H.“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 3 und 6 bis 13:
Grundsätzlich merke ich an, dass die Entscheidung über die Eintragung eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen in die Gerichtssachverständigenliste (Zertifizierung) sowie deren Verlängerung (Rezertifizierung) gemäß §§ 4, 6 SDG in die Zuständigkeit der Präsidenten/der Präsidentinnen der Landesgerichte fällt.
Nach Befassung des im gegebenen Zusammenhang zuständigen Präsidenten des Landesgerichts Feldkirch kann ich mitteilen, dass sowohl diesem wie auch mir die Vorwürfe gegen den allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Prim. Univ.-Prof. Dr. R. H. aus den Medien, dem Präsidenten des Landesgerichts Feldkirch überdies auch aus einem an ihn gerichteten Schreiben des „Gerichtsgutachten-Geschädigten-Verbands“ vom 17.8.2010 bekannt sind. Aufgrund dieser Vorwürfe hat der Präsident des Landesgerichts Feldkirch am 23.8.2010 die Einholung der im genannten Schreiben angeführten sechs Gerichtsakten verfügt.
Die betreffenden Akten des Bezirksgerichts Feldkirch, des Landesgerichts Innsbruck und des Landesgerichts Feldkirch wurden daraufhin übermittelt und vom Präsidenten des Landesgerichts Feldkirch eingesehen und geprüft.
Die ebenfalls in dem genannten Schreiben angesprochenen Akten des Landesgerichts Salzburg und des Landesgerichts für Strafsachen Graz waren im Zeitpunkt des Amtshilfeersuchens nicht verfügbar; ein Akt des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz mit der im Schreiben angeführten Geschäftszahl war nicht bekannt.
Darüber hinaus hielt der Präsident des Landesgerichts mündliche Rücksprache mit den Richterinnen und Richtern des Landesgerichts Feldkirch betreffend die Qualität der von Univ.-Prof. Dr. H. erstatteten Gutachten.
Schließlich holte er eine Stellungnahme des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. H. zu den gegen diesen erhobenen Vorwürfen ein.
Die durchgeführten Erhebungen ergaben jedoch allesamt keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Einleitung eines Verfahrens auf Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger gemäß § 10 SDG.
Die Rezertifizierung des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. H. erfolgte durch den Präsidenten des Landesgerichts Feldkirch auf dessen Antrag nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens gemäß § 6 SDG am 4.3.2009; entsprechend der damals maßgeblichen Fassung des § 6 Abs. 1 SDG wurde seine Eintragung in die Gerichtssachverständigenliste um zehn Jahre verlängert.
Da dem Präsidenten des Landesgerichts Feldkirch als Entscheidungsorgan im konkreten Fall besonders wegen der häufigen Heranziehung des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. H. in Gerichtsverfahren und des ausgezeichneten Rufes, den dieser bei den Richterinnen und Richtern des Landesgerichts Feldkirch genießt, die Eignung des Sachverständigen bekannt war und zum Zeitpunkt der Entscheidung keine diesbezüglich abweichenden Einschätzungen der Eignung des Sachverständigen vorlagen, wurde im Rahmen der Möglichkeiten des § 6 Abs. 3 SDG von der Einholung schriftlicher Stellungnahmen von Richterinnen und Richtern, die den Sachverständigen in von ihnen geführten Verfahren bestellt haben, sowie von der Einholung eines Gutachtens der Kommission nach § 4a SDG oder einer Äußerung eines qualifizierten Mitglieds dieser Kommission abgesehen. Aufgrund der wissenschaftlichen Tätigkeit des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. H. und angesichts des Umstands, dass dieser in seinem Fachgebiet laufend als Vortragender sowie durch wissenschaftliche Publikationen in Erscheinung tritt, erachtete der Präsident des Landesgerichts Feldkirch auch einen darüber hinausgehenden Nachweis von Fortbildungsaktivitäten für die Bewilligung der Rezertifizierung als nicht erforderlich.
Zu 4 und 5:
Über die Verfahrensautomation Justiz wurden alle Fälle ausgewertet, in denen Dr. H. als Sachverständiger mit seinem Anschriftcode erfasst ist. Verlässlich sind die Daten erst seit 2004, weil erst zu diesem Zeitpunkt eine verpflichtende Erfassung der Sachverständigen mit Anschriftcode angeordnet wurde.

Ich ersuche jedoch um Verständnis, wenn ich die nachgeordneten Dienststellen nicht damit beauftragt habe, die – weit über 1000 – Gutachten inhaltlich auszuwerten; der damit verbundene Aufwand ist – nicht nur im Hinblick auf die geringe Aussagekraft des Auswertungsergebnisses – als unvertretbar hoch einzustufen.
Zu 14 bis 16:
Die fachliche und persönliche Eignung einer Person, die die Eintragung als allgemein beeidete/r und gerichtlich zertifizierte/r Sachverständige/r in die Gerichtssachverständigenliste (Zertifizierung) oder deren Verlängerung (Rezertifizierung) beantragt, ist in jedem Einzelfall entsprechend den Vorgaben der §§ 4 und 6 SDG im jeweiligen Eintragungs- bzw. Rezertifizierungsverfahren genau zu prüfen. Der rechtliche Rahmen, den die genannten Bestimmungen des SDG zur Verfügung stellen, ermöglicht dabei durch in ihrer Intensität abgestufte Prüfungsinstrumentarien eine für jeden Einzelfall angemessene Überprüfung, die in der Verantwortung des Präsidenten/der Präsidentin des Landesgerichts steht.
Zur Feststellung der fachlichen und persönlichen Eignung eines Eintragungswerbers/einer Eintragungswerberin ist nach § 4 Abs. 2 SDG grundsätzlich ein Gutachten einer Kommission gemäß § 4a SDG durch das zuständige Entscheidungsorgan (der Präsident/die Präsidentin des jeweiligen Landesgerichts) einzuholen; die Einholung eines Gutachtens dieser Kommission bzw. einer Äußerung eines qualifizierten Mitglieds dieser Kommission sieht das SDG darüber hinaus auch im Rahmen des Rezertifizierungsverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen (wenn nicht die Eignung des/der Sachverständigen ohnedies – besonders wegen der häufigen erfolgreichen Heranziehung in Gerichtsverfahren – feststeht) vor.
Den Vorsitz einer solchen Kommission hat ein/e vom Entscheidungsorgan zu bestimmende/r Richter/in zu führen. Der/die Vorsitzende hat unter Beachtung allfälliger Befangenheitsgründe in ausgewogener Weise mindestens zwei weitere qualifizierte und unabhängige Fachleute in die Kommission zu berufen, die nach Möglichkeit für das betreffende Fachgebiet in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen sind und von der Kammer/gesetzlichen Interessensvertretung, zu der das betreffende Fachgebiet gehört, sowie vom Hauptverband der Gerichtssachverständigen oder von einer anderen vergleichbaren Vereinigung namhaft gemacht wurden. Die Kommission hat den Bewerber grundsätzlich mündlich, bei Bedarf auch schriftlich zu prüfen, wobei ihm insbesondere die Erstattung eines Probegutachtens aufgetragen werden kann. Die Kommission hat die Prüfungsschritte zu dokumentieren und ein Gutachten zu erstatten. Sie entscheidet mit Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
Das SDG gibt insoweit bereits jetzt einen entsprechenden determinierten „Fahrplan“ und Rahmen vor, wie die Qualitätskontrolle der Sachverständigen anlässlich der Zertifizierung/der Rezertifizierung von Statten zu gehen hat. Zur laufenden Qualitätskontrolle sind insbesondere die Gerichte (und insoweit auch die Parteien) berufen, die dann, wenn sich in einem Verfahren der Verdacht ergibt, dass einer der in § 10 Abs. 1 SDG genannten Tatbestände für die Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger vorliegt, Mitteilung an den zur Entziehung zuständigen Präsidenten des Landesgerichts zu machen haben.
Gegen die (gesetzliche) Vorgabe fixer und stets in gleicher Weise anwendbarer Prüfkriterien, mit denen für jeden Fall möglichst weitreichende Prüfschritte vorgeschrieben würden, was gleichzeitig eine massive Einschränkung des Ermessensspielraums für den jeweiligen Einzelfall bedeuten würde, spricht bereits die große Vielzahl an Fachgebieten, in denen Gerichtssachverständige tätig werden. Die Gerichtssachverständigenliste ist derzeit in 52 Fachgruppen und 717 Fachgebiete gegliedert. Dass aber die Prüfkriterien für Sachverständige etwa aus den Fachgebieten der „Verputzarbeiten“ (Fachgebiet 73.65) oder der „Hüte, Kappen“ (Fachgebiet 42.30) zwangsläufig andere sein werden als jene für die „Psychiatrische Kriminalprognostik“ (Fachgebiet 02.27), liegt wohl auf der Hand. Es kann insoweit aber nicht Aufgabe des Bundesministeriums für Justiz sein, entsprechend determinierte Prüfkataloge für alle Sachverständigen-Fachgebiete (denen ja jeweils entsprechende Berufe und Ausbildungen zugrunde liegen und deren Festlegung daher – abgesehen von sich damit im Zusammenhang stellenden Zuständigkeitsfragen – entsprechendes Fachwissen in jedem einzelnen Fachgebiet voraussetzen würde) auszuarbeiten und vorzugeben.
Aus der Sicht meines Ressorts bietet das derzeitige System der Zertifizierung/der Rezertifizierung, bei dem sowohl entsprechende Fachleute aus dem jeweiligen Bereich als auch die Gerichte in die Beurteilung der fachlichen und persönlichen Eignung der betreffenden Person eingebunden sind (bzw. werden können) und im Rahmen dessen gerade auf die Umstände des konkreten Falls besonders Bedacht genommen werden kann, hinreichende Gewähr für die Sicherstellung der Qualität der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, die sich in deren täglicher Arbeit für die Gerichte auch durchwegs bestätigt.
Eine über den gesetzlichen status quo hinausgehende Normierung der Rahmenbedingungen und der Prüfungskriterien bei der Zertifizierung bzw. Rezertifizierung eines Sachverständigen erscheint angesichts dessen weder in der Umsetzung praktikabel noch in der Sache zweckmäßig.
. November 2010
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)