6502/AB XXIV. GP
Eingelangt am 07.12.2010
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0252-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 6580/J-NR/2010
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Harald Walser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „mangelhaften Opferschutz in der Vorarlberger Testamentsaffäre“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1, 2, 11, 12 und 14:
Nach § 760 ABGB fällt die Verlassenschaft dann, wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist oder wenn niemand die Erbschaft erwirbt, als herrenloses Gut dem Staat anheim. Das Heimfallsrecht ist demgemäß kein Erbrecht, sondern ein Aneignungsrecht spezifischer Art mit der Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge. Wie auch jeder an sich berechtigte Erbe (dem die Erbschaftsklage zur Verfügung steht) kann auch der Staat sein Recht gegenüber dem unberechtigten Erben nötigenfalls mit der sogenannten Heimfälligkeitsklage geltend machen. Selbstverständlich werden diese Ansprüche des
Staates aber ebenso vom Gericht überprüft wie sonstige von dritter Seite behauptete Ansprüche auf bestimmte Erbschaften, eine wie immer geartete Bevorzugung des Staates besteht nicht. Auch werden durch solche Ansprüche des Staates selbstverständlich die Rechte sonstiger Berechtigter nicht „ausgehebelt“. Vielmehr bleibt die „Stärke“ der Gründe, aufgrund derer sich jemand auf eine Erbschaft berufen kann, für die Beurteilung der Berechtigung ausschlaggebend. Gibt es daher jemanden, der aufgrund eines anderen Testaments oder aufgrund des Gesetzes zur Erbschaft berufen ist, gehen diese Personen dem sich auf das Heimfallsrecht berufenden Staat vor.
Die Erfassung, Sicherung, Verwaltung und Verwertung von dem Bund heimgefallenen Vermögenswerten fällt nach Z 6 der Anlage zu § 2 Bundesministeriengesetz 1986, Teil 2 D, in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Finanzen. Eine Beantwortung der konkreten Fragen rund um die Verfolgung der Heimfälligkeitsansprüche des Staates ist mir daher nicht möglich.
Zu 3, 9 und 10:
Die österreichische Justiz ist mit Nachdruck darum bemüht, alle Vorkommnisse im Zusammenhang mit der sogenannten „Testamentsaffäre“ rasch aufzuklären. Insbesondere die Justizbehörden in Feldkirch führen derzeit umfangreiche Ermittlungen durch, die bereits weit gediehen sind. Freilich wird man gleichzeitig erst nach der weitestgehenden Klärung der Sachverhalte einigermaßen verlässlich beurteilen können, welche Ansprüche Opfern, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen haben, in welcher Höhe zustehen könnten und welche Schäden gegebenenfalls bereits aus den beschlagnahmten Vermögenswerten abgedeckt werden können.
In jedem Fall steht einer Person, die das bessere Erbrecht für sich in Anspruch nimmt, nach rechtskräftiger Einantwortung die Erbschaftsklage gegen den „Scheinerben“ zur Verfügung, die im Obsiegensfall erst zur Erbenstellung führt.
Mit diesem Inhalt wurde auch eine Anfrage beantwortet, die von einer Bürgerin im Zusammenhang mit der „Testamentsaffäre“ an das Bundesministerium für Justiz gerichtet wurde. Eine Empfehlung, mit der klagsweisen Geltendmachung von Ansprüchen bis zum Abschluss des Strafverfahrens zuzuwarten, war damit nicht verbunden. Ganz generell ist dem Bundesministerium für Justiz eine Beratung von Einzelpersonen hinsichtlich der zweckmäßigsten und aussichtsreichen Vorgehensweise zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche weder möglich noch gestattet.
Zu 4 bis 8:
Am 14. Oktober 2010 wurde beim Landesgericht Feldkirch die „Informationsstelle – Testamentsaffäre“ eingerichtet. Sie steht Geschädigten und Rat suchenden Personen für Informationen und Auskünfte im Zusammenhang mit der Testamentsfälschungsaffäre beim Bezirksgericht Dornbirn zur Verfügung. Der Leiter der Informationsstelle wird Rat suchenden Bürgern – nach Erhebung der Aktenlage und entsprechender Prüfung – Auskünfte zur Rechtslage (insbesondere den einschlägigen erbrechtlichen Vorschriften) erteilen, die Möglichkeiten einer allfälligen Durchsetzung von Ansprüchen (gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Verfahrenshilfe) darlegen, wie auch über Möglichkeiten und Wege einer außergerichtlichen Einigung, etwa mit der Finanzprokuratur, informieren. Die Informationsstelle ist mit einem im Ruhestand befindlichen ehemaligen Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck besetzt und wird durch eine Vertragsbedienstete des Landesgerichtes Feldkirch sowie – soweit notwendig – durch einen IT-Experten unterstützt.
Zu 13, 15 bis 17:
Nach Rücksprache mit der Finanzprokuratur hat es im Zusammenhang mit der „Testamentsaffäre“ in Dornbirn bislang (Stand 13.10.2010) drei Aufforderungsschreiben nach § 8 AHG gegeben, in denen insgesamt 11 Personen unter Relevierung ihrer eigentlichen Erbenstellung Ersatzansprüche nach dem AHG geltend gemacht haben. Zu einer Anerkennung des Ersatzbegehrens im Rahmen des administrativen Aufforderungsverfahrens ist es dabei in keinem der Fälle gekommen.
Ferner wurde Ende September 2010 ein weiteres Aufforderungsschreiben bei der Finanzprokuratur eingebracht, in dem zwei Personen, die als Erben in einem späteren Verlassenschaftsverfahren auch Teile des Nachlasses einer „problematischen“ Verlassenschaft erhielten, geltend machen, dass sie nunmehr von den wahren Erben in Anspruch genommen würden und ihnen insoweit ein Schaden entstehen werde. Dieses Aufforderungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Selbstverständlich steht es allen Anspruchstellern auch nach einer Ablehnung der Ansprüche im Rahmen des administrativen Aufforderungsverfahrens frei, ihr Begehren klagsweise vor den Gerichten geltend zu machen. Eine Beurteilung der Erfolgsaussichten einer entsprechenden Klagsführung kommt dem Bundesministerium für Justiz dabei nicht zu. Dies scheidet auch schon deshalb aus, weil das Bundesministerium für Justiz in einem solchen Verfahren ja letztlich Prozessgegner des jeweiligen Anspruchstellers wäre.
Ganz allgemein kann aus der Sicht des Amtshaftungsrechts gesagt werden, dass nach § 1 Abs. 1 AHG die Rechtsträger – und damit auch der Bund – nur für den Schaden haften, den die als ihre Organe handelnden Personen „in Vollziehung der Gesetze“ zugefügt haben. Insoweit wird in der Rechtsprechung und Lehre vertreten, dass der Rechtsträger für unerlaubtes Verhalten seiner Organe (nur) dann einzustehen hat, wenn dieses mit ihren hoheitlichen Aufgaben in innerem Zusammenhang steht. Kein Organhandeln und keine Haftung des Rechtsträgers ist danach dann gegeben, wenn eine schädigende Handlung nur bei Gelegenheit der Ausübung öffentlicher Gewalt begangen wurde (SZ 55/82). Ob und inwieweit der erforderliche innere Zusammenhang gegeben ist, kann immer nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, der seinerseits eine vollständige (bzw. möglichst weitgehende) Klärung des Sachverhalts voraussetzt.
Ferner halte ich fest, dass das AHG auf Art. 23 Abs. 1 und 4 B-VG beruht. Nach Art. 23 Abs. 1 B-VG haften der Bund, die Länder, die Gemeinden und die sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Das AHG stellt grundsätzlich eine abschließende und umfassende Regelung dieses Bereichs dar, die sich meiner Einschätzung nach in der Praxis auch aus Geschädigtensicht bewährt hat. Da das AHG legislativ in den Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramts fällt, wären allfällige legislative Anregungen in Reaktion auf praktische Erfahrungen mit dem Gesetz an dieses Ministerium heranzutragen.
Zu 18 bis 20:
Als Justizministerin bin ich selbstverständlich um umfassende, rasche und restlose Aufklärung der Vorgänge bemüht. Deshalb habe ich umgehend nach Bekanntwerden der Vorwürfe den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck mit der Errichtung der „Informationsstelle - Testamentsaffäre“ beauftragt. Dort soll potentiell Geschädigten umfassend juristische Auskunft erteilt werden.
Vor rechtskräftiger Beendigung der konkreten straf- und zivilrechtlichen Verfahren sehe ich aus rechtsstaatlichen Gründen keine Möglichkeit, die Vorgänge endgültig zu bewerten oder zu kommentieren. Dennoch wurden umgehend Maßnahmen eingeleitet und legistische Überlegungen angestellt, die dazu dienen, Testamente sicherer machen.
Zu 21 und 22:
Alle 84 im Verfahren bekannten Opfer wurden kontaktiert und gemäß § 70 StPO entweder bei ihrer Vernehmung oder im Zuge einer persönlichen Kontaktaufnahme durch die Kriminalpolizei über ihre Rechte informiert. Jene Personen, die durch die Taten einen finanziellen Schaden erlitten haben könnten, wurden auch über ihre Rechte als Privatbeteiligte belehrt.
Zu 23 bis 29:
Die Petition der Beschuldigtenvertreter langte am 23. August 2010 im Bundesministerium für Justiz ein. Die Forderungen der Beschuldigtenvertreter wurden umgehend einer umfassenden Prüfung unter Einbeziehung der zuständigen Fachabteilungen des Bundesministeriums für Justiz und der Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck sowie des Landesgerichtes Feldkirch unterzogen.
Teilweise konnte den Forderungen aus rechtlichen Gründen nicht nachgekommen werden. So fällt etwa die Einrichtung einer Sonderzuständigkeit beim Landesgericht Feldkirch in die Zuständigkeit des unabhängigen Personalsenates. Ein solcher Eingriff steht der Justizverwaltung aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Gewaltentrennung nicht zu.
Zum Wunsch einer außergerichtlichen Überprüfung und umgehenden Auszahlung von allfälligen Ansprüchen der Opfer ist auf die Beantwortung der Fragepunkte 13 und 15 bis 17 hinsichtlich der Amtshaftungsansprüche zu verweisen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass für eine unbürokratische und kostenfreie außergerichtliche Anspruchsprüfung das administrative Aufforderungsverfahren nach § 8 AHG zur Verfügung steht, in dem der Geschädigte den Rechtsträger schriftlich auffordern kann, ihm binnen drei Monaten eine Erklärung zukommen zu lassen, ob er den Ersatzanspruch anerkennt oder den Ersatz ganz oder zum Teil ablehnt.
Um jedoch allfällig Geschädigten und Rat suchenden Personen ein verbessertes Informationsservice zukommen zu lassen, wurde bereits im September 2010 das Konzept für die Einrichtung einer Informationsstelle ausgearbeitet. Deren Einrichtung erfolgte am 14. Oktober 2010 (siehe dazu meine Ausführungen zu den Fragepunkten 4 bis 8).
. Dezember 2010
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)