6525/AB XXIV. GP
Eingelangt am 14.12.2010
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BM für Inneres
Anfragebeantwortung
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat Stefan, Herbert sowie weitere Abgeordnete haben am 14. Oktober 2010 unter der Zahl 6595/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Flugdatensicherung durch die US-Heimatschutzbehörden“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Am 23. Juli 2007 wurde seitens der Europäischen Union das „Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records — PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an das United States Department of Homeland Security (DHS) (PNR-Abkommen von 2007)“ unterzeichnet. Dieses Abkommen sieht die Übermittlung von PNR-Daten durch die Fluggesellschaften an das Department of Homeland Security (DHS) vor.
Zu den Fragen 3 und 4:
Derzeit bestehen neben dem oben genannten Abkommen mit den USA auch Abkommen mit Australien und Kanada, die ebenfalls die Übermittlung von PNR-Daten an diese Drittstaaten vorsehen. Ein „EU-PNR-System“ hingegen existiert derzeit nicht. Im November 2007 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zu Strafverfolgungszwecken vor. Dieser Vorschlag für einen Rahmenbeschluss wurde 2008 und 2009 in den zuständigen Expertengremien verhandelt. Österreich hat sich bei den Verhandlungen zu diesem Rahmenbeschluss in enger Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst für ein möglichst starkes Datenschutzniveau eingesetzt.
Die Verhandlungen über den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zur Einrichtung eines EU-PNR-Systems konnten vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht beendet werden. Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist für die Fortführung der Verhandlungen die Vorlage eines neuen Vorschlags der Europäischen Kommission erforderlich. Die Europäische Kommission sollte gemäß dem von den Staats- und Regierungschefs verabschiedeten Mehrjahresprogramm für den „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (Stockholmprogramm) im Jahr 2010 einen „Legislativvorschlag für ein gemeinsames EU-Konzept zur Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR) für Strafverfolgungszwecke“ vorlegen. Dieser Vorschlag wird jedoch nach dem derzeitigen Stand nicht vor Jahresende vorgelegt werden. Eine formelle Festlegung des Rates auf ein EU-PNR-System hat nicht statt gefunden. Rat und Europäisches Parlament werden auf Grundlage des zu erwartenden Legislativvorschlags über ein solches EU-System zur Speicherung von Fluggastdaten verhandeln.
Zu Frage 5:
Personenbezogene Daten, die eine Flugbuchungsgesellschaft als Auftraggeber einer Datenanwendung in Österreich verarbeitet, unterliegen den Bestimmungen des österreichischen Datenschutzgesetzes (DSG 2000). Nach dem DSG 2000 (§ 26) hat die betroffene Person (Fluggast) gegenüber der Flugbuchungsgesellschaft das Recht auf Auskunft über den Inhalt der die Person betreffenden Daten, über den Zweck und die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung sowie über die Herkunft der Daten und über allfällige Empfänger von Übermittlungen.
Zu den Fragen 6 und 9 bis 12:
Werden Daten durch einen Auftraggeber außerhalb der EU verarbeitet, richtet sich insbesondere die verfahrensrechtliche Durchsetzung von Ansprüchen auf Auskunft nicht nach den Bestimmungen des österreichischen bzw. europäischen Datenschutzrechts, sondern nach den für die Verarbeitung durch diesen Auftraggeber jeweils geltenden ausländischen Rechtsvorschriften. Zur Durchsetzung von in solchen Rechtsvorschriften allenfalls normierten Ansprüchen im Einzelfall, etwa Auskunftsansprüchen gegenüber Behörden eines Drittstaats, wären nicht österreichische Behörden und Gerichte, sondern die Organe des jeweiligen Drittstaats (hier: der USA) berufen. Daraus folgt, dass auch Organen der Republik Österreich selbst grundsätzlich keine Befugnis zur Überprüfung des Handelns von Behörden der USA oder zur Setzung von Zwangsmaßnahmen im Zusammenhang mit Auskunftsbegehren, die an Behörden der USA gerichtet sind, zukommt. Die Speicherung dieser Daten durch Behörden der USA muss mit den Bestimmungen des Abkommens zwischen den USA und der EU zum Schutz personenbezogener Daten in Einklang stehen.
Zu den Fragen 7 und 8:
Nein.
Zu den Fragen 13, 14, 19 und 20:
Am 21. September 2010 legte die Europäische Kommission das – zunächst für die Zeit vor dem Sommer – angekündigte „PNR-Paket“ vor. Dieses besteht aus einer Mitteilung über einen globalen Ansatz betreffend die Übermittlung von PNR-Daten an Drittländer sowie aus drei Vorschlägen für Verhandlungsleitlinien für die Verhandlung von PNR-Abkommen mit den USA und Australien sowie für die Verhandlung eines neuen Abkommens mit Kanada. Die Ausarbeitung und Verhandlung neuer Abkommen über die Übermittlung von Fluggastdaten mit den drei genannten Drittstaaten ist im Stockholmprogramm vorgesehen und wurde überdies auch vom Europäischen Parlament verlangt. Das Ziel der Mitteilung der Europäischen Kommission ist es, erstmals generelle Grundsätze zu entwickeln, die bei jedem künftigen PNR-Abkommen mit Drittstaaten zu berücksichtigen sind. Empfehlungen der Europäischen Kommission für PNR-Abkommen haben dann künftig zumindest die in der Mitteilung festgelegten (Mindest-)Kriterien zu erfüllen; darüber hinausgehende Kriterien können nach wie vor vorgesehen werden. Langfristig plant die Europäische Kommission pro-aktiv internationale Standards für die Übermittlung und Verwendung von PNR-Daten zu etablieren.
Seit Oktober 2010 fanden Verhandlungen auf Ebene der Ständigen Vertreter in Brüssel statt. Eine Einigung auf den Text der Verhandlungsleitlinien wurde durch den Rat am 2. Dezember 2010 erzielt.
Österreich begrüßt die Vorlage der Mitteilung der Europäischen Kommission und der Verhandlungsleitlinien. Die Verhandlungen mit den jeweiligen Drittstaaten werden von der Europäischen Kommission geführt werden. Österreich setzt sich – wie auch bisher – für einen möglichst hohen Datenschutzstandard ein. Der Datenaustausch sollte auf das Mindestmaß beschränkt werden und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Österreich wird sich auch dafür einsetzen, dass PNR-Daten mit allen angemessenen technischen Mitteln und Sicherheitsverfahren und –maßnahmen gegen Missbrauch und unrechtmäßigen Zugriff geschützt werden, um Risiken in Bezug auf Sicherheit, Vertraulichkeit oder Integrität der Daten vorzubeugen. Bei den Verhandlungen mit den USA aber auch mit den beiden anderen Drittstaaten wird auch darauf zu achten sein, dass jede Person bei der Verletzung ihrer Privatsphäre oder dem Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen das Recht auf wirksamen Rechtsbehelf bei Gerichten oder Behörden ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes bekommt.
Österreich wird sich bei allen Bemühungen um einen hohen Datenschutzstandard aber selbstverständlich auch dafür einsetzen, dass die Zusammenarbeit der europäischen Strafverfolgungsbehörden mit den Strafverfolgungsbehörden der USA und der anderen Drittstaaten effizient und rasch erfolgt, um drohende Gefahren zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erkennen und abwenden zu können bzw. die Verfolgung von Straftätern so weit wie möglich zu erleichtern.
Zu den Fragen 15 bis 18:
Die Europäische Kommission setzt sich grundsätzlich dafür ein, einen hohen und wirksamen Schutz personenbezogener Daten zu gewährleisten. Dazu gehört, dass alle PNR-Daten an Drittländer auf sichere Weise übermittelt werden und Fluggäste die Möglichkeit haben, ihre Rechte in Bezug auf die Verarbeitung ihrer Daten geltend zu machen. Die Leitlinien für die künftigen Verhandlungen der Europäischen Kommission mit den USA, Australien und Kanada verfolgen das Ziel, einen schlüssigen Rechtsrahmen für die Übermittlung von PNR-Daten durch Fluggesellschaften an Drittländer zu gewährleisten.
Die Europäische Kommission sieht ein System zur Beaufsichtigung der Behörden, die PNR-Daten verwenden, vor. Eine unabhängige Datenschutzbehörde mit konkreten Eingriffs- und Durchsetzungsbefugnissen soll dabei die Aufsicht führen. Die Behörden, die PNR-Daten verwenden, sind verpflichtet, die bestehenden Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten einzuhalten, und sollten zur Anhörung von Beschwerden Einzelner in Bezug auf die Verarbeitung von PNR-Daten berechtigt sein. Jede Person soll nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission darüber aufgeklärt werden, welchem Zweck die Verarbeitung der personenbezogenen Daten dient, wer die Daten verarbeitet, nach welchen Regeln oder Gesetzen dies geschieht, wem gegenüber die Daten offengelegt werden, und wie und bei welcher Stelle ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann. Jede Person soll ferner Zugang zu ihren PNR-Daten erhalten. Gegebenenfalls soll auch das Recht auf Berichtigung oder Löschung der PNR-Daten gewährt werden.
Zu den Fragen 21 bis 25:
Das bestehende Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an das United States Department of Homeland Security (DHS) (PNR-Abkommen von 2007) könnte gem. Punkt 9 des Abkommens von jeder Vertragspartei jederzeit durch Notifizierung auf diplomatischem Wege gekündigt oder ausgesetzt werden. Die Kündigung wird dreißig Tage nach dem Tag, an dem sie der anderen Vertragspartei notifiziert wurde, wirksam, es sei denn, eine der Vertragsparteien hält im Interesse ihrer nationalen Sicherheit oder inneren Sicherheit eine kürzere Kündigungsfrist für unabdingbar. Dieses Abkommen und alle daraus abgeleiteten Verpflichtungen treten sieben Jahre nach dem Tag der Unterzeichnung außer Kraft bzw. verlieren ihre Gültigkeit, es sei denn, die Vertragsparteien vereinbaren gegenseitig, das Abkommen zu ersetzen. Auswirkungen auf andere „Verträge“ zwischen der Europäischen Union und den USA sind mit einer allfälligen Kündigung oder Aussetzung des PNR-Abkommens nicht verbunden, da dies weder völkerrechtlich noch unionsrechtlich vorgesehen ist.