6527/AB XXIV. GP
Eingelangt am 14.12.2010
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag.a Barbara Prammer Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger diplômé Bundesminister
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GZ: BMG-11001/0322-II/A/9/2010
Wien, am 14. Dezember 2010
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 6587/J der Abgeordneten Dr: Belakowitsch-Jenewein, Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Fragen 1 bis 6:
Österreich hat bereits im EU-weiten Zulassungsverfahren begründete Einwände gegen die Zulassung der „Amflora“ Stärkekartoffel sowohl für den Anbau als auch als Futtermittel vorgebracht und auch im Regelungsausschuss sowie am Landwirtschaftsministerrat dagegen gestimmt. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass eine selektive Zulassung als Futtermittel nach der EU-VO über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel nicht vorgesehen ist. Leider konnte am Landwirtschaftsministerrat nicht die erforderliche Mehrheit der Mitgliedstaaten gegen eine Zulassung erreicht werden, sodass die Europäische Kommission diese Zulassung erteilen konnte.
Mein Ressort hat aber umgehend nach der Zulassung durch die Kommission und deren Bestätigung durch die schwedische Behörde ein Verbot des Inverkehrbringens dieser Kartoffel für Zwecke des Anbaus in Österreich vorbereitet und dieses mit Verordnung BGBl. II Nr. 125/2010 erlassen. Dieses Verbot ist mit 27. April 2010 in Kraft getreten und bis Ende 2012 befristet.
In der dazu erforderlichen Begründung hat das BMG die Kommission vor allem darauf hingewiesen, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bei ihrer wissenschaftlichen Stellungnahme wichtige Fragen zur Möglichkeit eines Transfers des in der Kartoffel enthaltenen Antibiotikaresistenzmarkergens nptII auf Mikroorganismen des Bodens oder des Magen-/Darmtraktes sowie zur vorhandenen Hintergrundbelastung in Europa und insbesondere auch in Österreich nicht ausreichend untersucht hat. Im Auftrag meines Ressorts führt die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ein Forschungsprojekt zur Untersuchung dieser offenen Fragen durch (Hintergrundbelastung in Österreich). Dieses Projekt soll bis Herbst des Jahres 2012 abgeschlossen sein.
Aus ähnlichen Gründen hat sich mein Ressort auch gegen die Zulassung der bei der Stärkeproduktion anfallenden Pulpe als Futtermittel gemäß der EU-Verordnung 1829/2003 ausgesprochen, ebenso auch dagegen, dass eine Vermischung mit anderen Futtermitteln und Lebensmitteln bis zu einem Grenzwert von 0,9 % toleriert wird. Österreich unterstützt daher auch die Nichtigkeitsklage, die Ungarn gegen die beiden Entscheidungen der Europäischen Kommission im Bezug auf die Amflora-Kartoffel eingebracht hat. Diese Klage wird auch von Luxemburg und teilweise auch von Frankreich unterstützt.
Bis zu einer allfälligen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes auf Nichtigkeit der Kommissionsentscheidung ist ein generelles Verbot dieser Kartoffel in Europa rechtlich kaum machbar, auch wenn Österreich die Kommission ersucht hat, die österreichischen Argumente erneut zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen.
Frage 7:
Nach derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist eine Gefährdung der Gesundheit von Menschen durch den Verzehr von Fleischprodukten, die von Tieren stammen, die mit Kartoffelschalen von „Amflora“ gefüttert wurden, auszuschließen.
Frage 8:
Auch die Möglichkeit, dass es diese Produkte im österreichischen Handel gibt, ist mehr oder weniger auszuschließen, da eine Verfütterung nur im Umfeld der Anbauproduktion in Frage kommt.
Fragen 9 und 10:
Konkrete Studien, die den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und dem Auftreten von Antibiotikaresistenzen belegen, sind meinem Ressort nicht bekannt. Auch konnte die Übertragung von Resistenzgenen aus gentechnisch veränderten Pflanzen in der freien Natur bisher nicht dokumentiert werden.
Unter optimierten Laborbedingungen ist die Übertragung von Antibiotikaresistenzmarkergenen (ARM) aus Pflanzen auf Boden- bzw. Darmbakterien beobachtbar. Es existiert keine physische Barriere, die einen derartigen Gentransfer grundsätzlich verhindern bzw. a priori ausschließen würde.
Ein großer Nachteil aller bisher durchgeführten Studien zum horizontalen Gentransfer besteht darin, dass keine brauchbare Methodik existiert, seltene Übertragungsvorgänge im freien Feld mit Sicherheit zu dokumentieren.
Es muss aber in diesem Zusammenhang betont werden, dass für eine Risikoabschätzung von ARM die Betrachtung der Häufigkeit von derartigen Transfervorgängen prinzipiell von geringer Relevanz ist, da auch seltenste Übertragungsereignisse zu resistenten Bakterienpopulationen führen können. Trotzdem wird die geringe Übertragungshäufigkeit als zentrales Argument für die Harmlosigkeit von ARM angeführt.
Folgende Schwachstellen tauchen bei den gegenwärtig vorliegenden Arbeiten des EFSA GMO Panels zur Risikoabschätzung von ARM auf:
1. Die Übertragung von Resistenzgenfragmenten wird nicht in Betracht gezogen bzw. nicht analysiert.
2. Es liegen keine aktuellen quantitativen Daten zur Häufigkeit von ARM in Boden- und Darmbakterien vor.
Die natürlich vorkommende Resistenzgen-Hintergrundbelastung (die „Baseline“) ist somit nicht bekannt. Dies wäre aber die Voraussetzung dafür, seriös abschätzen zu können, wie sich ein zusätzlicher Eintrag von Resistenzgenen aus gentechnisch veränderten Pflanzen tatsächlich auf die Resistenzsituation in natürlichen Bakterienpopulationen auswirkt.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat daher - wie schon erwähnt - zur Abklärung dieser Probleme ein zweijähriges Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, das die Hintergrundbelastung ausgewählter Boden- und Darmbakterien mit dem Amflora-Resistenzgen österreichweit quantitativ erfassen soll (Ermittlung der „Baseline“ vor GVO Exposition). Überdies wird untersucht werden, ob und wie häufig Resistenzgenfragmente übertragen werden und ob diese Fragmente das Potential besitzen, das Resistenzspektrum der betroffenen Mikroorganismen zu erweitern.
Literatur, die die ARM Sicherheitsdebatte kritisch analysiert:
1. Bensasson, D., J. L. Boore, and K. M. Nielsen. 2004. Genes without frontiers? Heredity 92:483-9.
2. Nielsen, K. M. 2003. An assessment of factors affecting the likelihood of horizontal transfer of a recombinant plant DNA to bacterial recipients in the soil and phytosphere. Collection of Biosafety Reviews (ICGEB, Italy) 1:96-149.
3. Nielsen, K. M. 1998. Barriers to horizontal gene transfer by natural transformation in soil bacteria. APMIS Suppl 84:77-84.
4. Nielsen, K. M., A. M. Bones, K. Smalla, and J. D. van Elsas. 1998. Horizontal gene transfer from transgenic plants to terrestrial bacteria-a rare event? FEMS Microbiol Rev 22:79-103.
5. Nielsen, K. M., and J. P. Townsend. 2004. Monitoring and modeling horizontal gene transfer. Nature Biotechnology 22:1110-1114.