6580/AB XXIV. GP
Eingelangt am 20.12.2010
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0271-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 6655/J-NR/2010
Die Abgeordneten zum Nationalrat Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „menschenrechtswidrige Vertragsuntreue der Republik Österreich“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Das Bundesministerium für Justiz wurde bislang im Beschwerdeverfahren BNr: 9821/10 weder unmittelbar durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte noch im Wege des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten befasst.
Der Beschwerdeführer dieses Verfahrens hat jedoch das Bundesministerium für Justiz von der Einbringung der Beschwerde in Kenntnis gesetzt.
Die Vertretung der Republik Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgt durch das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten.
Zu 2:
Ich ersuche um Verständnis dafür, dass ich im Hinblick auf Vorgänge, die vor meiner Amtszeit liegen, nur aufgrund der im Bundesministerium für Justiz verfügbaren Aktenbestände Stellung nehmen kann.
Im Beschwerdeverfahren BNr: 43508/98 hat der Beschwerdeführer gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte seine Vorstellungen für eine gütliche Einigung nach Artikel 39 EMRK bekannt gegeben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dieses Schreiben der österreichischen Prozessvertretung am 17. Oktober 2002 vorgelegt. Das Bundesministerium für Justiz hat am 6. November 2002 dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten mitgeteilt, dass es das „Vergleichsangebot“ des Beschwerdeführers für völlig inakzeptabel erachtet.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 20. Dezember 2005 einen weiteren Vorschlag des Beschwerdeführers vom 5. Dezember 2005 für eine gütliche Einigung vorgelegt. Das Bundesministerium für Justiz hat gegenüber dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten mitgeteilt, dass zwar Vergleichsbereitschaft bestehe, Vergleichsgespräche aber nur aufgrund eines vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgeschlagenen Vergleichsangebots geführt werden könnten. Das Zustandekommen eines Vergleiches auf Grundlage des vom Beschwerdeführer unterbreiteten Vergleichsangebotes (Zahlung von 1.578.325,11 Euro und vergleichsweise Bereinigung der noch anhängigen Konkurs- und Strafverfahren) ist auszuschließen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in der Folge am 17. März 2006 mitgeteilt, dass er sich im vorliegenden Fall nicht in der Lage sieht, einen Vorschlag für eine gütliche Einigung zu erstatten. Sollte die österreichische Prozessvertretung ein Vergleichsangebot unterbreiten, müsste dies bis zum 7. April 2006 erfolgen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat schließlich am 11. April 2006 erneut mitgeteilt, dass er sich nicht in der Lage sieht, einen Vergleichsvorschlag zu erstatten.
Zu 3:
Mit dem (letzten) gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erstatteten Vergleichsvorschlag hat der Beschwerdeführer die Einstellung aller Verfahren in der Republik Österreich, einschließlich der Finanzverfahren und Verfahren der Sozialversicherung, die Entschädigung aller Gläubiger sowie die Einstellung der anhängigen Strafverfahren und die Wiederaufnahme der bereits abgeschlossenen Strafverfahren vorgeschlagen. Überdies wurde als Entschädigung ein Betrag von 1.578.325,11 Euro begehrt.
Zu 4 bis 6:
Vergleichsverhandlungen zwischen Beamten des Bundesministeriums für Justiz und dem Beschwerdeführer haben nicht stattgefunden.
Der Beschwerdeführer DI Dr. W. P. behauptet sowohl gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als auch gegenüber dem Bundesministerium für Justiz, es sei ein mündlicher Vergleich zwischen einem von der damaligen Bundesministerin für Justiz, Mag. Karin GASTINGER, bevollmächtigen Ministersekretär und ihm mit Handschlag erfolgt, mit dem sich das Bundesministerium für Justiz unwiderruflich verpflichtet habe, dem konkursgerichtlich genehmigten Vergleichsvorschlag der Firmengruppe Putz und der Familie Putz zuzustimmen, den Vergleich anzunehmen und den Vergleichsbetrag binnen 14 Tagen zu überweisen, wenn alle Beschwerden und Klagen gegen die Republik Österreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zurückgezogen worden sind. Damit habe sich die Republik Österreich zur Zahlung einer Vergleichssumme in der Höhe von 95.483.707,76 Euro verpflichtet. Dafür habe er auf einen Betrag in der Höhe von 1.578.325,11 Euro verzichtet.
Nach den mir vorliegenden Informationen hat ein solcher Vergleich nicht stattgefunden.
Zu 7 bis 10:
Der Grundsatz „pacta sunt servanda“ gilt selbstverständlich ebenso für das Bundesministerium für Justiz wie die Vertragsregeln des ABGB. Ich ersuche aber um Verständnis dafür, dass das Vorliegen solcher mündlicher – und äußerst unüblicher - „pacta“ über einen Betrag von über 95 Millionen Euro auch nachzuweisen ist und sich nicht auf bloße Behauptungen stützen kann.
Zu 11 und 12:
Nein. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitarbeiter der damaligen Bundesministerin für Justiz dazu ermächtigt gewesen wäre, die Republik Österreich durch mündlichen Vergleich und Handschlag zur Zahlung einer Summe in der Höhe von 95 Mio. Euro an DI Dr. W. P. zu verpflichten. Das Sekretariat der damaligen Bundesministerin, Mag. Karin GASTINGER, hat auch weder die haushaltsmäßige Bedeckung noch die Zahlung einer solchen Vergleichssumme veranlasst.
Es spricht daher nichts dafür, dass das Sekretariat der damaligen Bundesministerin Mag. Karin GASTINGER vom Abschluss eines Vergleiches ausgegangen ist. Ich werde in dieser Angelegenheit folglich auch keine Weisung an die Strafverfolgungsbehörden erteilen.
. November 2010
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)