665/AB XXIV. GP
Eingelangt am 13.03.2009
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0004-Pr 1/2009
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 574/J-NR/2009
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „der strafprozessualen Zulässigkeit der Überwachung der IP-Telefonie“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Vorweg möchte ich festhalten, dass die Beurteilung der Zulässigkeit von den in der Anfrage beschriebenen Grundrechtseingriffen den Organen der Gerichtsbarkeit obliegt, deren Entscheidungsfindung nicht an die Rechtsansicht der Bundesministerin für Justiz gebunden ist.
Unvorgreiflich der Rechtsprechung der unabhängigen Gerichte hat der Gesetzgeber den in der Anfragebegründung beschriebenen „Graubereich“ jedoch bewusst auszuschließen versucht, indem von einem technologieunabhängigen Ansatz mit dem Ziel ausgegangen wird, sämtliche Formen moderner Kommunikation, die sich nur zum Teil als Telekommunikation darstellen, erfassen zu können (siehe RV 25 d. Beilagen XXII. GP, 187). Gemäß diesem Ansatz stellt schon die Definition des § 134 Z 3 StPO klar, dass die Überwachung von Nachrichten jeglicher Form zulässig ist („3. das Ermitteln des Inhalts von Nachrichten (§ 92 Abs. 3 Z 7 TKG), die über ein Kommunikationsnetz (§ 3 Z 11 TKG) oder einen Dienst nach der Informationsgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes) ausgetauscht oder weitergeleitet werden“). Die Definition erfasst demnach auch bestimmte, mittels eines Computersystems übertragene Kommunikationen, welche allerdings – wie es dem Verständnis der Art. 20 und 21 der Cyber-Crime-Convention des Europarates entspricht – die Übertragung der Kommunikation über Telekommunikationsnetzwerke vor deren Empfang durch ein anderes Computersystem einschließen können. Nach diesem Verständnis wird auch die Überwachung, also das Mithören, Abhören, Aufzeichnen, Abfangen oder das sonstige Überwachen des Inhalts der Nachricht von Internettelefonie oder Voice over IP von der Definition erfasst sein. Eine solche Überwachung ist gemäß § 137 Abs. 1 StPO von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen.
§ 138 Abs. 2 StPO legt zwar Anbietern und sonstigen Diensteanbietern eine Mitwirkungspflicht bei der Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung und der Überwachung von Nachrichten auf. Aus dieser Pflicht, die Maßnahme technisch zu ermöglichen, deren Umfang im Einzelfall durch eine gesonderte Anordnung der Staatsanwaltschaft gemäß § 138 Abs. 3 StPO zu aktualisieren ist, kann jedoch kein Mitwirkungsrecht des Anbieters geschlossen werden. Sollte die Mitwirkung eines Anbieters zur technischen Durchführung einer Überwachung von Nachrichten nach § 134 Z 4 StPO im Zusammenhang mit § 135 Abs. 3 StPO nicht nötig sein, bedarf es keiner Verständigung des Anbieters.
Zu 2:
Über technische Umsetzungsschwierigkeiten liegen mir derzeit keine Berichte vor.
Zu 3 und 4:
Nach den mir vorliegenden Berichten ergaben sich weder aus den Registern der Anklagebehörden noch aus der persönlichen Erinnerung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Strafverfahren, in denen eine Überwachung von Internettelefonaten ohne Wissen des Diensteanbieters angeordnet wurde.
. März 2009
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)