669/AB XXIV. GP

Eingelangt am 13.03.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0007-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 585/J-NR/2009

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Peter Fichtenbauer und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Kritik an Salzburger Gerichtsgutachtern“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 5:

Ein Gerichtssachverständiger muss nach den Bestimmungen des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes in der Lage sein, ein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten zu erstatten. Nähere Vorgaben hinsichtlich der Gutachtenserstellung enthalten die Verfahrensgesetze sowie die Standesregeln des Hauptverbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen. Die Kenntnisse über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens sind – ebenso wie die Sachkunde und die Kenntnis über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen und über die Befundaufnahme – eine der Eintragungsvoraussetzungen, um in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen zu werden (§ 2 Abs. 2 Z 1 Sachverständigen- und Dolmetschergesetz).

Ergibt sich in einem bestimmten Verfahren der Verdacht, dass eine der Eintragungsvoraussetzungen weggefallen und damit gleichzeitig ein Entziehungstatbestand nach § 10 Abs. 1 SDG gegeben ist, hat das Gericht oder die staatsanwaltschaftliche Behörde hiervon dem zur Entziehung berufenen, für die Führung der Gerichtssachverständigenliste zuständigen Präsidenten des Landesgerichts Mitteilung zu machen. Dieser hat gegebenenfalls ein Entziehungsverfahren einzuleiten, in dessen Rahmen er auch ein Gutachten der aus einem Richter und (mindestens) zwei weiteren qualifizierten und unabhängigen Fachleuten bestehenden Kommission nach § 4a SDG oder eine Äußerung eines qualifizierten Mitglieds dieser Kommission einholen kann. Daneben geben die Verfahrensgesetze sowohl dem Gericht als auch den Parteien verschiedene Möglichkeiten, die Unschlüssigkeit oder die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Gutachtens zu relevieren und entweder die Ergänzung des Gutachtens oder die Einholung des Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu erreichen.

Für die in der Anfrage angesprochene flächendeckende inhaltliche Überprüfung sämtlicher „Gutachten in Obsorgeangelegenheiten von Sachverständigen der Jahre 2006 und 2007 aus Salzburg durch das Bundesministerium für Justiz“ fehlt es insoweit sowohl an einer hinreichenden rechtlichen Grundlage als auch an einem hinreichend konkretisierten Anlass. Schließlich würde ein solches Vorgehen zwangsläufig auch zu unbegründeten und nicht hinnehmbaren Verzögerungen einer Vielzahl von Pflegschaftsverfahren führen.

Zu 6 bis 9 sowie 12 bis 15:

Im anfragerelevanten Zeitraum kam es im Bundesland Salzburg in Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren zu insgesamt 1.275 Bestellungen von Sachverständigen verschiedener Fachgebiete. Diese Bestellungen teilen sich auf 65 verschiedene Sachverständige auf.

Über diese Fakten hinausgehend ließen sich diese Fragen zum einen nur durch einen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand – nämlich Einsicht und manuelle Auswertung all dieser Gerichtsverfahren – beantworten, andererseits würde die Beantwortung in schutzwürdige, grundrechtlich abgesicherte Interessen des Datenschutzes eingreifen. Nicht zuletzt würde eine derartige Aktenauswertung  zu nicht vertretbaren Verzögerungen in Besuchsrechts- und Obsorgeverfahren führen.

Zu 10 und 11:

Die Auswahl und Bestellung eines konkreten Sachverständigen ist Sache des Gerichts im Einzelfall und damit eine Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich zu diesen Fragen nicht näher Stellung nehmen kann.

Zu 16 bis 18:

Nach der derzeitigen Rechtslage kann ein/e Sachverständige/r gemäß § 19 JN einerseits aufgrund Vorliegens eines Ausschließungsgrundes (§ 20 JN) und andererseits aufgrund aller denkbaren Befangenheitsgründe (§ 19 Z 2 JN) abgelehnt werden. Für Sachverständige gelten daher – was deren Ausgeschlossenheit bzw. Befangenheit betrifft – dieselben gesetzlichen Vorschriften wie auch für RichterInnen, zumal auch sie zur selben Objektivität und Unparteilichkeit wie RichterInnen verpflichtet sind (vgl. § 355 Abs. 1 1. Satzteil ZPO).

Ausgeschlossen ist ein/e Sachverständige/r in Rechtssachen, in welchen

-          er/sie selbst Partei ist, oder in Ansehung derer er/sie zu einer der Parteien im Verhältnis eines/einer Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;

-          in Sachen des/der Ehegatten/Ehegattin oder solcher Personen, welche mit ihm/ihr in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind, oder mit welchen er/sie in der Seitenlinie bis zum vierten Grade verwandt oder im zweiten Grade verschwägert ist;

-          in Sachen seiner/ihrer Wahl- oder Pflegeeltern, Wahl- oder Pflegekinder, seiner/ihrer Mündel und Pflegebefohlenen;

-          in Sachen, in welchen er/sie als Bevollmächtigte/r einer der Parteien bestellt war oder noch bestellt ist.

 

Abgelehnt kann ein/e Sachverständige/r von einer Partei immer dann werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine/ihre Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Nach der Rechtsprechung liegt ein zureichender Grund, die Unbefangenheit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen (§ 19 Z 2 JN), in jeder Tatsache, die bei verständiger Würdigung ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in seine Unparteilichkeit rechtfertigen kann. Ein klassischer Grund für die Ablehnung des Sachverständigen ist deshalb z.B. die Erstattung eines Privatgutachtens für die Gegenpartei vor dem Prozess.

Im Ablehnungsverfahren hat die Partei (ähnlich wie bei der Ablehnung eines Richters) gemäß § 356 ZPO mit der Ablehnung die Gründe dafür anzugeben und diese auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Wird die Ablehnung des/der Sachverständigen vom Gericht als gerechtfertigt erachtet, muss ein/e andere/r Sachverständige/r bestellt werden; der/die erfolgreich abgelehnte Sachverständige darf nicht tätig werden. Hat diese/r bereits ein Gutachten erstattet, darf es nicht berücksichtigt werden.

Die derzeitigen einschlägigen Bestimmungen der ZPO („ … zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen“) sind nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz ausreichend flexibel, um auf Einzelfälle einzugehen und diese einer konkreten Prüfung zu unterziehen. Es bleibt aber Sache der eine/n Sachverständige/n ablehnenden Partei, die Gründe für die Ablehnung anzugeben und auf Verlangen des Gerichts auch glaubhaft zu machen.

Den Parteien eines Verfahrens stehen somit verschiedene prozessuale Behelfe zur Verfügung, um gegen ein (vermeintlich) ungenügendes Gutachten vorzugehen. Von diesen Möglichkeiten ist im Rahmen des Gerichtsverfahrens – gegebenenfalls unter Anleitung des Gerichts – Gebrauch zu machen.

Lediglich zur Klarstellung sei – soweit mit der Frage 18. allfällige finanzielle Unterstützungen angesprochen sein sollten – in diesem Zusammenhang betont, dass der Sachverständige nach der ständigen Rechtsprechung kein Gerichtsorgan im Sinn des § 1 Abs. 2 Amtshaftungsgesetz ist. Aus diesem Grund können aus einem allfälligen Fehlverhalten des Gerichtssachverständigen auch keine Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden. Für einen durch ein unrichtiges Gutachten verursachten Schaden haftet der Sachverständige der dadurch betroffenen Partei vielmehr unmittelbar und persönlich. Zur Deckung der aus seiner gerichtlichen Sachverständigentätigkeit gegen ihn entstehenden Schadenersatzansprüche hat der Sachverständige gemäß § 2a SDG eine Haftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 400.000 Euro für jeden Versicherungsfall abzuschließen und während der Dauer seiner Eintragung in die Gerichtssachverständigenliste aufrecht zu erhalten.  

. März 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)