6723/AB XXIV. GP

Eingelangt am 04.01.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0281-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 6816/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Genossinnen und Genossen,  haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Buch ‚Blutiges Edelweiß’ von Hermann Frank Meyer; Schlussfolgerungen (Parlamentarische Anfrage ‚Kriegsverbrechen deutscher Gebirgsjäger: Massenmord auf der Insel Kefalonia im September 1943’)“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 7:

Das für geschichtlich interessierte Personen zweifelsohne höchst interessante Werk, das die Kriegsverbrechen der deutschen Gebirgstruppen auf dem Balkan, insbesondere das Massaker an einer italienischen Division auf der griechischen Insel Kefalonia im September 1943 akribisch aufbereitet und Hinweise auf die Involvierung auch österreichischer Soldaten und Offiziere daran enthält, wurde von einem – freilich sehr sachkundigen – Privatgelehrten verfasst. Die vom Autor dabei zitierten Quellen (allein das Quellenverzeichnis beträgt nahezu 100 Seiten) sind der österreichischen Justiz aber nicht ohne Weiteres zugänglich. Das Werk enthält naturgemäß auch keine Angaben darüber, welche der namentlich genannten Personen, die an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein sollen, noch am Leben sind. Zudem bleibt in vielen Fällen die Staatsbürgerschaft dieser Personen offen. Hinzu kommt, dass der Buchautor Hermann Frank MEYER am 12. April 2009 nach einem Unfall verstorben ist und daher für weitere Recherchen nicht mehr zur Verfügung steht.

Die hier aufgezeigten Kriegsverbrechen der sogenannten „Edelweißdivisionen“ auf dem Balkan wurden zudem – soweit erkennbar – bisher noch in keinem österreichischen Kriegsverbecherverfahren aufbereitet. Das zitierte Werk gibt keinen ausreichenden Anfangsverdacht, für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen konkrete, noch lebende Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft und inländischem Wohnsitz.

Das Bundesministerium für Justiz hat aber einen Weg beschritten, um mögliche weitere Verfahren im Zusammenhang mit NS-Kriegsverbrechen einleiten zu können. Ich darf in diesem Zusammenhang auf das Projekt: „Die österreichische Justiz und der Komplex Lublin-Majdanek“ verweisen. Mit der Durchführung dieses Projekts wurde die zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz (FStN) betraut.

Anstoß für dieses Projekt war das Ableben einer ehemaligen Aufseherin im Konzentrationslager Majdanek Anfang des Jahres 2008, das zwangsläufig zur Beendigung des gegen sie bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahrens führte.

Dieses Projekt ist als Anstrengung der österreichischen Justiz zu verstehen, in einem, wenn auch beschränkten, Rahmen bei der Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen und der Ausforschung von Tatverdächtigen selbst initiativ zu werden.

So wurde die Forschungsstelle mit der Ausarbeitung einer geschichtswissenschaftlichen Expertise beauftragt,

 

Die Ergebnisse dieser Studie wurden Ende Oktober 2010 der Öffentlichkeit präsentiert.

Als Folge der Erkenntnisse aus dieser Studie wurde eine „Arbeitsgruppe zur Ausforschung mutmaßlicher NS-Täter“ unter Beteiligung von Vertretern der Zentralen Österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz und des Bundesministeriums für Justiz gebildet. Für die noch offene strafrechtliche Auf­arbeitung von NS-Gewaltverbrechen und die Beurteilung der Verdachtslage im konkreten Einzelfall erschien es nämlich effizienter und wirtschaftlicher, die in der Forschungsstelle gebündelten historischen Fach- und Aktenkenntnisse ganz gezielt zu nützen, um die Staatsanwaltschaften von den aufwändigen, aber unumgänglichen Recherchetätigkeiten zu entlasten und ihnen gegebenenfalls das für weiterführende Ermittlungen benötigte Material zur Verfügung stellen zu können. Diese Vorgangs­weise trägt dem Umstand Rechnung, dass bei so lange zurückliegenden Verbrechen die Beweisführung im Wesentlichen nur mehr auf Basis des bereits in den Akten befindlichen Materials erfolgen kann und es vor allem gilt, die Ermittlungsansätze, die teilweise in verschiedenen Verfahren und Akten enthalten sind und seinerzeit – aus welchen Gründen auch immer – nicht weiter verfolgt worden waren, nunmehr zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.

 

. Dezember 2010

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)