6776/AB XXIV. GP

Eingelangt am 14.01.2011
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

 

 

GZ. BMVIT-10.000/0068-I/PR3/2010

DVR:0000175

 
 


An die

Präsidentin des Nationalrats

Mag.a  Barbara PRAMMER

Parlament

A-1017    W i e n

 

 


Wien, am     . Jänner 2011

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr.in Moser, Freundinnen und Freunde haben am 16. November 2010 unter der Nr. 6852/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend unpräzise Beantwortung der parlamentarischen Anfragen über Sicherheitsmängel bei Straßenbahn- und U-Bahntüren in Wien (5611/J und 5639/J) gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Ø  Zu den wiederholten Unfallereignissen bei den Wiener Linien verweisen sie in beiden Anfragebeantwortungen (mit gleich lautendem Textbaustein) darauf, dass das Risiko, in einem Schienenfahrzeug verletzt zu werden, ohnehin 64 Mal geringer wäre als in einem PKW und Fragen betreffend dem Unternehmen Wiener Linien (sic!) vor diesem Hintergrund zu betrachten wären.

Bereits bisher entstand der Eindruck, dass die Wiener Linien bei einer großzügigen Handhabung der Sicherheitsvorschriften von den Aufsichtsbehörden sogar noch unterstützt wurden.

Halten Sie es in diesem Zusammenhang für richtig und zielführend, regelmäßig auftretende gleichartige Unfallereignisse mit Hinweisen auf noch schlechtere Unfallbilanzen bei anderen Verkehrsträgern beiseite zu schieben?

 

 

In der gegenständlichen Anfragebeantwortung wurden keine Sicherheitsbedenken zur Seite geschoben. Es wurde vielmehr klargestellt, dass die in der Anfrage behauptete große Unsicherheit des Eisenbahnsystems durch statistische Daten widerlegt wird.

 

Zu Frage 2:

Ø  Zur Frage nach den Konsequenzen aus den schweren Unfällen (in der einen Anfrage) bzw. zur Kritik an Hinweisen auf falsches Verhalten der Fahrgäste und des Fahrpersonals und auf „seltene Einzelereignisse“ (in der anderen Anfrage) verweisen sie in beiden Anfragebeantwortungen (mit gleich lautendem Textbaustein!) darauf, dass für Unfälle ohnehin eine eigene Unfalluntersuchungsstelle des Bundes eingerichtet wäre, deren Berichte jährlich dem Parlament vorgelegt und in den zuständigen Ausschüssen debattiert würden. Darüber hinaus mussten Sie sogar noch einräumen, dass Ihnen allfällige empfohlene Maßnahmen der Unfalluntersuchungsstelle im Bereich des Betriebes von Straßenbahnen bis dahin nicht einmal bekannt waren.

Der Sinn der Tätigkeit der Unfalluntersuchungsstelle besteht hoffentlich nicht darin, dass Berichte irgendwann in Ausschüssen debattiert werden, sondern dass Sicherheitsempfehlungen erarbeitet (und umgesetzt) werden, um künftige gleichartige Vorfälle zu verhindern. So lautet jedenfalls die Vorgabe der Europäischen Union.

a)    Sie sind zuständige Berufungs- und Oberbehörde für Straßenbahnen und U-Bahnen, darüber hinaus sind Sie für die diesbezüglichen Rechtsvorschriften (Eisenbahngesetz, Straßenbahnverordnung) zuständig – wie können Sie diesen Aufgaben nachkommen, wenn Ihnen nicht einmal die Ergebnisse Ihrer eigenen Unfallkommission zu den spektakulären Unfallserien bekannt sind?

b)    Welche konkreten Ergebnisse hat die Unfalluntersuchungsstelle des Bundes ermittelt?

c)   Welche konkreten Empfehlungen hat sie ausgesprochen?

d)   Welche konkreten Maßnahmen wurden aufgrund der Empfehlungen der Unfalluntersuchungsstelle eingeleitet?

e)   Welche konkreten Maßnahmen wurden womöglich darüber hinaus aus eigenem Antrieb eingeleitet?

Wir ersuchen um Beantwortung im Einzelnen.

 

 

Zum Zeitpunkt der damaligen Beantwortung waren „empfohlene Maßnahmen“ der Unfalluntersuchungsstelle im Bereich des Betriebes von Straßenbahnen deshalb noch nicht bekannt , da die Untersuchung zu diesem Zeitpunkt noch anhängig war und auch keine „ad hoc“-Sicherheitsempfehlungen im Sinne von § 16 Abs.2 Unfalluntersuchungsgesetz (wegen Gefahr im Verzug) vorgenommen wurden.

 

Es wurde noch kein endgültiger Untersuchungsbericht der Unfalluntersuchungsstelle übermittelt. Die Unfalluntersuchungsstelle ist in ihrer Tätigkeit aufgrund der Vorgaben aus der Richtlinie 2004/49/EG weisungsfrei und unabhängig.

Kürzlich wurde der vorläufige Untersuchungsbericht der Untersuchungsstelle zur Stellungnahme ausgesendet. Darin wird auch angeführt, dass schon im Zuge der Untersuchungen Maßnahmen festgelegt wurden, mit deren Umsetzung von den Wiener Linien bereits begonnen wurde. Die Frist für die Abgabe von Stellungnahmen wurde mit einem Zeitraum von 40 Tagen festgesetzt. Nach Einarbeitung der eingelangten Stellungnahmen in den Untersuchungsbericht wird dieser versendet und auf der Homepage der BAV/UUB veröffentlicht.

 

Bei Aufnahme von Sicherheitsempfehlungen in diesen Abschlussbericht werden diese sodann von der zuständigen Behörde zu werten und weiterzubehandeln sein.

 

Die bisherigen Ergebnisse des vorläufigen Untersuchungsberichts wurden zwischenzeitig für eine, derzeit eingeleitete Statuserhebung bei den Straßenbahnunternehmen genutzt.

 

Zu den Fragen 3, 4, 5 und 9:

Ø  Zur Frage nach möglicherweise erforderlichen Änderungen des § 45 Abs. 3 Straßenbahnverordnung (Einklemmschutz), ob Sie diese Bestimmung nach den aufgetreten Unfallereignissen immer noch für ausreichend halten, ob Überlegungen zur Änderung (Anpassung) der Straßenbahnverordnung angestellt wurden und wann gegebenenfalls entsprechende Schritte gesetzt werden, zitieren Sie lediglich den Inhalt des § 45 Abs. 3 Straßenbahnverordnung und beantworten die anderen Fragen gar nicht.

Nach spektakulären Unfallereignissen mit dem Einklemmschutz sollte es aber selbstverständlich sein, dass die diesbezüglichen Rechtsvorschriften vom Verordnungsgeber kritisch hinterfragt werden.

a)    Wurde § 45 Abs. 3 Straßenbahnverordnung nach der spektakulären Unfallserie evaluiert?

b)    Wenn nein, wann werden Sie diese Evaluierung durchführen lassen?

Wir ersuchen um Beantwortung im Einzelnen.

Ø  Zur Frage nach möglicherweise erforderlichen Änderungen des § 61 Abs. 3 Straßenbahnverordnung (planmäßig wiederkehrende Inspektionen für Fahrzeuge nur alle 500.000 km bzw. alle acht Jahre), ob Sie diese Bestimmung nach den aufgetretenen Unfallereignissen immer noch für ausreichend halten, ob Überlegungen zur Änderung (Anpassung) der Straßenbahnverordnung angestellt wurden und wann gegebenenfalls entsprechende Schritte gesetzt werden, verweisen sie darauf, dass zwischen den Inspektionen ohnehin weitere Wartungen durchzuführen wären.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass derartig spitzfindige Auslegungen auch zu den Straßenbahnunternehmen durchgedrungen sind.

a)    Wurde § 61 Abs. 3 Straßenbahnverordnung nach der spektakulären Unfallserie evaluiert?

b)    Weshalb werden die sehr großzügig gehaltenen Inspektionsfristen für Fahrzeuge (nur alle 500.000 km bzw. alle acht Jahre) nicht auf realistische Fristen abgekürzt?

c)    Wann und in welcher Form haben Sie die Straßenbahnunternehmen aktiv auf die zitierte, von Ihnen in der Anfragebeantwortung angeführte spitzfindige Interpretation hingewiesen?

Wir ersuchen um Beantwortung im Einzelnen.

Ø  Eine Verkürzung der Inspektionsfristen in der Straßenbahnverordnung machen Sie auch von Überprüfungen der zuständigen Behörde (Landeshauptmann) über die Wartung abhängig.

a)    Welche Informationen haben Sie darüber eingeholt?

b)    Welche Ergebnisse sind aus den eingeholten Informationen ableitbar?

Wir ersuchen um Beantwortung im Einzelnen.

Ø  Seit dem Unfallereignis am Enkplatz ist mittlerweile fast ein halbes Jahr vergangen, dieses Unfallereignis war der traurige Höhepunkt einer Reihe von Unfallereignissen bei den Wiener Linien, bei denen Fahrgäste immer wieder zwischen den sich schließenden Türen von Straßenbahnen oder U-Bahnen eingeklemmt, mitgerissen und dabei verletzt wurden.

Welche Maßnahmen (legistische Maßnahmen, Aufsicht, Weisungen) haben Sie seither getroffen, um die Sicherheit der Straßenbahnen und U-Bahnen für die Fahrgäste zu verbessern?

Wir ersuchen um Beantwortung im Einzelnen.

 

 

Da bei der Evaluierung der Bestimmungen der Straßenbahnverordnung 1999 die Endergebnisse der Untersuchungen durch die Unfalluntersuchungsstelle berücksichtigt werden sollen, wird diese nach dem Vorliegen der Ergebnisse durchgeführt. Es erscheint zweckmäßig, hiezu auch die zuständige Behörde einzubinden. An Hand des vorläufigen Untersuchungsberichtes ist nicht davon auszugehen, dass zwischen dem Unfallereignis und den Inspektionsfristen bzw. den Wartungen ein Zusammenhang besteht.

 

Eine statistische Auswertung der bei der BAV/UUB geführten Unfalldatenbank hat ergeben, dass im Zeitraum 2007 bis 2010 von den Wiener Linien zwei Vorfälle gemeldet wurden, bei denen Fahrgäste durch Einklemmen bei U-Bahntüren verletzt wurden. Über ähnliche Unfälle im Zusammenhang mit Straßenbahnen liegen bei der BAV/UUB keine Aufzeichnungen vor.

 

§ 61 Abs. 1 StrabVO 1999 legt klar fest, dass die Instandhaltung der Fahrzeuge „Wartung, Inspektionen und Instandsetzung“ umfasst. Nach Abs. 2 haben sich „Art und Umfang der Wartung und der Inspektionen“ „nach der Bauart und Belastung“ der Fahrzeuge zu richten. In Abs. 3 werden Fristen für die Inspektionen, nicht aber der Wartung festgelegt. Nach Abs. 7 sind „die Aufzeichnungen über die Wartung […] bis zur nächsten Inspektion, mindestens jedoch drei Jahre, diejenigen über die Inspektionen bis zur Außerbetriebsetzung […] der Fahrzeuge aufzubewahren“.

 

Dass ein Unterschied zwischen Wartung und Inspektionen besteht, ist daher keinesfalls spitzfindig, sondern aus dem eindeutigen Verordnungstext klar erkennbar.

 

Zu Frage 6:

Ø  Zur Frage, ob Sie die seinerzeit erteilten Ausnahmegenehmigungen für die Fahrzeuginspektionen (750.000 km anstelle der ohnehin schon sehr großzügigen 500.000 km) nach dem Unfallereignis am Enkplatz noch für vertretbar halten, verweisen Sie auf die Zuständigkeit des Landeshauptmanns von Wien.

Halten Sie es nicht für unfair, wenn seitens des Verkehrsministeriums kurz vor der Zuständigkeitsübertragung an den Landeshauptmann die ohnehin schon sehr großzügigen Inspektionsfristen mit Ausnahmebescheid nochmals um die Hälfte verlängert wurden – und jetzt, nachdem die bedenklichen Begleiterscheinungen dieses „Freundschaftsdienstes“ Faktum sind, auf die Zuständigkeit des Landeshauptmannes verwiesen wird?

 

Aufgrund des damaligen Ermittlungsverfahrens und der damaligen Festlegungen des Eisenbahnunternehmens zur Wartung erschien dem damals zuständigen Bundesminister eine Erhöhung des Kilometergrenzwertes geboten. Aufgrund der Änderung der Zuständigkeit fällt die Entscheidung, ob die vom damaligen Bundesminister erteilten Genehmigungen aufrecht bleiben oder überprüft werden sollen, seit beinahe 10 Jahren in die Zuständigkeit des Landeshauptmannes.

 

 

Zu Frage 7:

Ø  Zur Frage, welche Dienststelle im Verkehrsministerium als Oberbehörde für die Betriebssicherheit des Schienenverkehrs der Wiener Linien zuständig ist, verweisen Sie hinsichtlich der Sektionen und Abteilungen auf die sachliche Anknüpfung, die der im Internet kundgemachten Geschäftseinteilung zu entnehmen wäre.

Weshalb ist es nicht möglich, die zuständigen Dienststellen bekannt zu geben, die als Oberbehörde für die Betriebssicherheit des Schienenverkehrs der Wiener Linien zuständig sind?

 

In der im Internet meines Ressorts kundgemachten Geschäftseinteilung wird die Abteilung SCH 5 als Eisenbahnsicherheitsbehörde ausgewiesen.

 

 

Zu Frage 8:

Ø  Zu Frage nach den eingeleiteten Sicherheitsmaßnahmen und Auflagen zur Hebung der Betriebssicherheit bei den Wiener Linien halten Sie fest, dass nicht jede Oberbehörde zusätzlich auch noch die Aufgaben der nachgeordneten Behörde übernehmen könne. Seit dem Zuständigkeitsübergang wären der Obersten Eisenbahnbehörde keine Anregungen der zuständigen Behörde vorgelegt worden. Es ist schwer nachvollziehbar, in welcher Weise die Oberbehörde ihren Aufgaben (Berufungsentscheidungen, legistische Maßnahmen, Aufsicht, Weisungen) in der gebotenen Weise nachkommen könnte, wenn sie sich für die Vorkommnisse im Bereich der Unterbehörden gar nicht interessiert. Ebenso ist die Vorgabe bzw. das Bereich der Unterbehörden gar nicht interessiert. Ebenso ist die Vorgabe bzw. das Selbstverständnis bedenklich, dass ein Einschreiten der Oberbehörde (legistische Maßnahmen, Aufsicht, Weisungen) nur auf „Anregung“ der Unterbehörden erfolgen sollte.

a)   Halten Sie es tatsächlich für rechtskonform, wenn eine Oberbehörde Ihren Aufgaben immer nur „auf Anregung der zuständigen Behörden“ (Unterbehörden) nachkommt?

b)   Wie können Sie sicherstellen, dass legistische Maßnahmen zweckentsprechend und praxisgerecht festgelegt werden, wenn sich Ihre Oberbehörden nicht über die Ereignisse vor Ort informieren?

c)   Wie definieren Sie die Aufgaben ihrer Oberbehörde für Straßenbahnen und U-Bahnen, wenn diese nur „auf Anregung der zuständigen Behörden“ (Unterbehörden) tätig wird?

Wir ersuchen um Beantwortung im Einzelnen.

 

Die Fragestellungen geben die zu Grunde liegende Beantwortung unrichtig wieder und unterstellen ihr einen anderen Inhalt.

 

Keinesfalls wurde behauptet, dass die Eisenbahnbehörde „nur auf Anregung der zuständigen Behörden“ tätig würde. Sehr wohl wird es aber als geboten erachtet, dass Behörden zusammen arbeiten und auch Oberbehörden die vom Gesetzgeber vorgegebene Zuständigkeitsverteilung (zuständige Behörde, Oberbehörde, Unfalluntersuchungsbehörde) nicht einfach ignorieren.