6800/AB XXIV. GP
Eingelangt am 17.01.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

|
Frau Präsidentin des Nationalrates Maga. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger Bundesminister
|
GZ: BMG-11001/0364-II/A/9/2010
Wien, am 17. Jänner 2011
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 6879/J des Abgeordneten Jannach und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass nicht jedes Zeichen auf einer Ware ein „Gütezeichen“ ist. Es gilt zu unterscheiden zwischen staatlich anerkannten Gütezeichen, „Gütesiegeln“ (dahinter stehen mehr oder weniger strenge privatrechtlich vereinbarte Kriterien hinsichtlich Spezifikation und Kontrolle) und sogenannten „lobenden Auszeichnungen“ wie Werbeslogans, Wort-Bild-Marken oder Handelsmarken. Für alle Zeichen bzw. Siegel gilt ebenso wie für jede lobende Auszeichnung auf Lebensmitteln das grundsätzliche Irreführungsverbot des Lebensmittelkennzeichnungsrechts. Die Verlässlichkeit und Transparenz der mit dem Zeichen transportierten oder suggerierten Qualität(en) nimmt vom staatlich anerkannten Gütezeichen über Gütesiegel bis hin zu den lobenden Auszeichnungen und Markennamen ab.
Weiters möchte ich vorausschicken, dass es derzeit keine spezifische Rechtsgrundlage für die aus Verbrauchersicht verlässlichste Auslobung in Form von Zeichen – somit für staatliche Gütezeichen - gibt. Das Zustandekommen eines neuen, modernen Gütezeichengesetzes als Nachfolgerregelung der mit 31.12.2009 außer Kraft getretenen Gütezeichenverordnung (Verordnung über Güte-, Prüf-, Gewähr- und ähnliche Zeichen vom 9. April 1942) ist mir daher ein großes Anliegen. Die ausgelaufene Gütezeichenverordnung hatte Gesetzesrang und regelte Gütezeichen für alle Waren, somit auch Lebensmittel. Dieser grundsätzlich breite Ansatz über alle Waren und Dienstleistungen hinweg müsste meiner Ansicht nach auch für eine moderne Nachfolgeregelung gelten.
Im Regierungsprogramm SPÖ/ÖVP ist auch ein „Gütesiegelgesetz“ vereinbart, „welches neue Qualitäts- und Kennzeichnungsregelungen bringen soll, die von einer einzigen unabhängigen Stelle kontrolliert werden“ (Regierungsprogramm 2008-2013; Seite 199).
Fragen 1-7:
Fragen zur Anzahl und Beschreibung von zugelassenen Gütezeichen, hinsichtlich Vergabe und Kontrollen etc. wären aufgrund der in der ausgelaufenen Gütezeichenverordnung normierten Zuständigkeit vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in Bezug auf Lebensmittel und im Übrigen vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend zu beantworten.
Fragen 8-9:
Durch das bereits in der Präambel angesprochene Gütezeichengesetz sollen insbesondere Maßnahmen zur Unterstützung der Qualitätssicherung in der Produktion und zur Gewährleistung von für die Verbraucherinnen und Verbraucher verlässlichen und transparenten Gütezeichen (hinsichtlich Standard, Kontrolle und Vergabe) geschaffen werden, dies insbesondere auch bei Lebensmitteln. Bei Lebensmitteln handelt es sich um Güter des täglichen Bedarfs und in diesem Bereich kommen nicht zuletzt auch aufgrund der Sättigung des Marktes und des harten Wettbewerbs besonders häufig „lobende Auszeichnungen“ vor, die laut einer Informationsbroschüre der Arbeiterkammer („Gütezeichen für Lebensmittel – ein Leitfaden durch den Zeichendschungel“) häufig nicht mehr als der gesetzliche Mindeststandard sind. Solche „Zeichen“ sind meist nicht irreführend (nach den Vorgaben des Lebensmittelkennzeichnungsrechts), aber doch verwirrend bzw. ist die Vielfalt und der entsprechende Mehrwert unübersichtlich für Verbraucherinnen und Verbraucher.
Freiwillige und nicht gesetzlich geregelte Spezifikationen sollten sich, um die wichtigsten Anforderungen wie Transparenz des Standards und der Kontrolle sowie Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten, einem unabhängigen Zertifizierungssystem unterwerfen. In Österreich wird dieser Grundsatz zum Beispiel für die Auslobung von aus „gentechnikfreier Produktion“ stammenden Lebensmitteln mit durchaus großer Akzeptanz angewandt. Grundlage für eine Auslobung von Lebensmitteln als „gentechnikfrei“ (oder „ohne Gentechnik“ bzw. alle anderen Wortkreationen, die diese Wahrnehmung auslösen) war die Erarbeitung und Etablierung einer diesbezüglichen Richtlinie im Österreichischen Lebensmittelcodex (objektiviertes Sachverständigengutachten über Beurteilungsgrundsätze und zur Festlegung der Verbrauchererwartung; „Richtlinie zur Definition der Gentechnikfreien Produktion von Lebensmitteln und deren Kennzeichnung“, veröffentlicht mit Erlass GZ: BMGFJ-75210/0014-IV/B/7/2007 vom 6.12.2007). Im Codex sind auch Kontrollvorgaben festgelegt. Die Kontrolleinrichtungen müssen als Zertifizierungsstelle für diesen Bereich akkreditiert sein. Die Codexrichtlinie ist in erster Linie eine Hilfestellung für Lebensmittelgutachterinnen und –gutachter in der Beurteilung, ob eine korrekte, nicht irreführende Kennzeichnung vorliegt. In zweiter Linie dient sie Herstellern, die „gentechnikfreie“ Lebensmittel anbieten wollen, als Richtschnur, welche Vorgaben einzuhalten sind, damit keine Beanstandung der Kennzeichnung durch die Lebensmittelkontrolle erfolgt. Die Verwendung eines bestimmten Zeichens ist nicht vorgegeben. Eine Anerkennung des Codex-Standards als staatliches Gütezeichen wäre eine Aufwertung einer Kennzeichnung von Lebensmitteln als „gentechnikfrei“, würde dazu führen, dass das gleiche Zeichen verwendet wird (mit dem Zusatz „staatlich anerkanntes Gütezeichen“ und damit bessere Wahrnehmung durch und größeres Vertrauen bei Konsumentinnen und Konsumenten), würde die Vorreiterrolle Österreichs im Bezug auf die Gentechnikfreiheit stärken bzw. auch unsere Bemühungen um die nationale Selbstbestimmung hinsichtlich des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen durchgängig glaubwürdig machen. Zudem sind Produkte mit staatlichen Gütezeichen auch international wettbewerbsfähiger. Ein staatlich anerkanntes Gütezeichen „gentechnikfrei“ für Lebensmittel wäre aus meiner Sicht daher sehr wünschenswert.
Ich bemühe mich, das Regierungsprogramm zu erfüllen und habe auch einen Vorschlag für ein umfassendes und modernes Gütezeichengesetz vorgelegt, der aus der Sicht des Koalitionspartners noch nicht beschlussreif ist. Es wird daher weitere Gespräche geben.
Der Täuschungsschutz ist zudem einer der Schwerpunkte im mehrjährigen integrierten Kontrollplan und eine Arbeitsgruppe des österreichischen Lebensmittelcodex arbeitet an klareren Vorgaben (für Lebensmittelgutachterinnen und –gutachter) zur Beurteilung der Irreführung bei Lebensmitteln. Meine Vorgabe hierbei ist, dass die Weiterentwicklung der Verbrauchererwartung berücksichtigt wird, die in zunehmendem Maße auf heimische oder regionale Herkunft von Lebensmitteln bzw. bestimmten wertbestimmenden Bestandteilen in Lebensmitteln fokussiert. Es gilt hier aber jedenfalls, das EU-Recht bzw. die EUGH-Rechtsprechung zu berücksichtigen. Einer Beurteilung einer Irreführung ist der „durchschnittlich informierte, mündige Verbraucher“ zugrunde zu legen, der die gesamte Produktinformation liest und im Bezug auf Werbung / lobende Auszeichnungen ausreichende Grundkenntnisse besitzt, um Dichtung von Wahrheit zu unterscheiden.