6872/AB XXIV. GP
Eingelangt am 19.01.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
Anfragebeantwortung
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 6964/J der Abgeordneten Markowitz, Ursula Haubner, Dolinschek, Kollegin und Kollegen wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 5:
Grundsätzlich können zwar Praktika als Arbeitsverhältnis, Ausbildungsverhältnis, oder freies Dienstverhältnis gestaltet sein. Welches der genannten Vertragsverhältnisse tatsächlich vorliegt, ist aber jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Ausschlaggebend dabei ist die tatsächliche Ausgestaltung des Praktikums und nicht dessen Bezeichnung. In der Regel wird die Beurteilung ergeben, dass ein Arbeitsverhältnis - insbesondere bei Pflichtpraktika - vorliegt.
Wie in der Anfrage angeführt, ist der Rechtsstatus von Praktikantinnen und Praktikanten in der Praxis mitunter unklar. Daher sieht das Regierungsprogramm eine verstärkte Information über die arbeits- und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen der Praktika vor. Neben diversen Informationsangeboten von Interessenvertretungen stehen Praktikantinnen und Praktikanten sowie deren Angehörigen auch Informationen im Unternehmensserviceportal zur Verfügung, die im Internet bereitgestellt werden. Selbstverständlich sind Informationen zum Rechtsstatus von Praktikanten und Praktikantinnen auch der Website des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) zu entnehmen. Hinzuweisen ist des Weiteren auf eine vom BMASK herausgegebene Broschüre über die rechtliche Situation von Praktikantinnen und Praktikanten in Österreich, die ebenfalls zum Download auf der Website des BMASK zur Verfügung steht. Diese Broschüre enthält neben Informationen über die Rechte und Pflichten von Praktikanten und Praktikantinnen auch Informationen über deren sozialversicherungsrechtliche Situation sowie über Familien- und Studienbeihilfe für die Zeit der Absolvierung von Praktika.
Neben dem Ausbau von Informationsangeboten sind weitere Maßnahmen zu überlegen.
Die Schaffung eines eigenen Praktikant/inn/engesetzes verhindert jedoch das Umgehen des Arbeitsrechts durch „Scheinpraktika“ nicht. Hier ist primär eine effektive Durchsetzung bereits vorhandener arbeitsrechtlicher Normen für die betroffenen Beschäftigten von großer Bedeutung. Bei der Umsetzung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Neukodifikation des Arbeitsvertragsrechts wird daher auch die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung ein wesentlicher Punkt sein. Ein Sondergesetz für eine Gruppe von Arbeitnehmer/inne/n, das vom allgemeinen Arbeitsrecht abweichende Regelungen enthält, ist aus meiner Sicht nicht zu unterstützen.
Bei den so genannten „Pflichtpraktika“ geht es primär um die Frage, wie sicher gestellt werden kann, dass die Tätigkeit im Betrieb den entsprechenden Ausbildungsvorschriften entspricht („Stichwort: Qualitätssicherung“). Selbstverständlich steht auch der Anspruch auf ein angemessenes Entgelt im Vordergrund. Auch hier ist davon auszugehen, dass Schritte in Richtung Verbesserung der Rechtsdurchsetzung zu setzen sind.
Um effektive Maßnahmen setzen zu können, ist die Situation der Praktikantinnen und Praktikanten eingehend zu analysieren. Daher wird derzeit die im Regierungsprogramm vorgesehene Evaluierung der Situation der Praktika hinsichtlich der arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung durchgeführt. Anhand der Ergebnisse dieser Evaluierung, mit denen Ende März 2011 zu rechnen ist, kann zielgerichtet überprüft werden, welche (gesetzlichen) Maßnahmen zu ergreifen sind, um die Situation der Praktikantinnen und Praktikanten in Österreich zu verbessern.
Für Praktika, die im Rahmen arbeitsmarktpolitischer Förderangebote des Arbeitsmarktservice (AMS) durchgeführt werden, wurden die entsprechenden Richtlinien des AMS zuletzt hinsichtlich Qualitätssteigerung bzw. Qualitätssicherung, Anforderungen an die Praktikumsbetriebe und Dauer der Praktika geändert. Dies betrifft insbesondere die arbeitsmarktpolitischen Förderangebote der Aus- und Weiterbildung, der überbetrieblichen Lehrausbildung und der Arbeitsstiftungen, in deren Rahmen Praktika für die praktische Qualifizierung sowie die eventuelle Möglichkeit einer Übernahme aus dem Praktikumsbetrieb in ein Ausbildungs- oder Dienstverhältnis vorgesehen und von besonderer Bedeutung sind.
Bereits mit November 2008 wurden im Rahmen der Bundesrichtlinie Aus- und Weiterbildungsbeihilfen (vormals Beihilfen zur Förderung der beruflichen Mobilität) des AMS die Instrumente Arbeitserprobung und Arbeitstraining als eigenständige Produkte der Bundesrichtlinie genau definiert und für diese Formen der Praktika für Kundinnen und Kunden des AMS konkrete Qualitätsanforderungen festgelegt:
Sowohl für die
Arbeitserprobung als auch für das Arbeitstraining gelten folgende Voraussetzungen:
Zur
Missbrauchsvermeidung gelten folgende Rahmenbedingungen:
Die beiden Instrumente sind wie folgt zu unterscheiden:
„Eine Arbeitserprobung steht immer im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Abschluss eines konkreten Arbeitsverhältnisses bei einem Arbeitgeber und dient – im Hinblick auf begründete Zweifel – der Überprüfung der fachlichen oder persönlichen Eignung für die beabsichtigte Beschäftigung. Die Dauer beträgt bis zu einer Woche zur Feststellung der fachlichen Eignung bzw. bis zu vier Wochen zur Feststellung der persönlichen Eignung
Ein Arbeitstraining
steht nicht zwingend im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Arbeitsverhältnisses
und dient den Zielen
·
Erwerb von Berufspraxis nach abgeschlossener
Ausbildung,
·
Erwerb von praktischen Erfahrungen als
Voraussetzung für einen Ausbildungsabschluss,
·
Erwerb von Arbeitserfahrung und Training von
Fähigkeiten/Fertigkeiten bzw. Steigerung der Belastbarkeit bzw.
Verbesserung der Arbeitshaltung,
die durch die in der „Vereinbarung-Arbeitstraining“ festgelegten Arbeitstrainingsinhalte erreicht werden sollen.
Im Hinblick auf die Erreichung der Trainingsziele beträgt die Dauer zwischen mindestens einer Woche und maximal zwölf Wochen und umfasst mindestens 16 Wochenstunden.
Darüber hinaus sind Arbeitstrainings für Jugendliche mit dem Ziel der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung im Rahmen einer kursmäßigen Berufsorientierungs- und Berufsvorbereitungsmaßnahme durchzuführen. Weiters sind Arbeitstrainings für Personen nach längerer Abwesenheit vom Erwerbsleben (z.B. Wiedereinsteiger/ Wiedereinsteigerinnen) mit dem Ziel der Aktualisierung von Fähigkeiten/Fertigkeiten im Rahmen eines (geförderten) Arbeitsverhältnisses oder einer diesbezüglichen Bildungsmaßnahme durchzuführen.“
Mit Juli 2010 ist folgende Regelung der Praktika in der Bundesrichtlinie zur Anerkennung, Förderung und Durchführung von Maßnahmen der Arbeitsstiftung in Kraft getreten:
„Praktische
Ausbildung (Praktikum):
Die
praktische Ausbildung unterstützt die theoretische/schulische Ausbildung
und darf nicht ausschließlich zur Überbrückung von zeitlichen
Lücken zwischen theoretischen/schulischen Ausbildungselementen
herangezogen werden. Jeder praktischen Ausbildung ist ein theoretisches
Einstiegsmodul voranzustellen. Der Anteil darf höchstens 2/3 der
Gesamtmaßnahmendauer betragen, der Bezug auf die Komplexität der
Tätigkeit muss verhältnismäßig sein, bei einfacheren
Qualifikationen darf die Dauer nicht über vier Wochen betragen. Das
wöchentliche Ausmaß darf die gesetzliche Normalarbeitszeit nicht
überschreiten, es darf keine Beschäftigungsverhältnisse bzw.
geringfügige Beschäftigung beim Praktikumsbetrieb geben.
Während des
Praktikums überwiegt die Ausbildung der TeilnehmerInnen:
• Ausbildungsfremde
oder Hilfsarbeiten haben nur vernachlässigbares Ausmaß
• Wechsel der Tätigkeiten nach Wahl des Auszubildenden und nicht
nach Maß-
gabe der Betriebserfordernisse
• Mitbestimmung
der Arbeitsabläufe nach den Interessen des Auszubildenden
• Größere Freiheit in der zeitlichen Gestaltung der Anwesenheit als sonstige
Beschäftigte“
Mit Dezember 2010 tritt eine auch hinsichtlich der Qualitätsanforderungen an Praktika und Praktikumsbetriebe geänderte Bundesrichtlinie zur Durchführung der Überbetrieblichen Lehrausbildung und der Überbetrieblichen Integrativen Berufsausbildung (ÜBA, IBA) durch das AMS in Kraft. Diese sieht vor, dass für alle Formen der Praktika im Rahmen der überbetrieblichen Lehrausbildung gilt, dass der vorrangige Ausbildungszweck, die Vermittlung der für die Erlernung des Lehrberufes notwendigen Kenntnisse durch die Ausbildungseinrichtung, nicht vernachlässigt werden darf. Darüber hinaus gelten verpflichtend folgende Qualitätsanforderungen für alle Betriebe, in denen Praktika im Rahmen der überbetrieblichen Lehrausbildung durchgeführt werden:
·
„Sie müssen sich verpflichten, Inhalte
des Berufsbildes zu vermitteln.
·
Es muss die erforderliche Anzahl von AusbilderInnen
im Betrieb vorhanden sein (Praktikant/inn/en zählen als Lehrlinge im Sinne
der Verhältniszahlen).
·
Sie müssen eine Ausbildungsberechtigung
für den jeweiligen Lehrberuf haben.
· Die Auftragnehmer müssen mit den Praxisbetrieben eine Vereinbarung über die zu vermittelnden Inhalte des Berufsbildes und die Dauer des Praktikums abschließen.“
Zu Frage 6:
Zur Beantwortung dieser Frage wurde der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger im Hinblick auf allfälliges Datenmaterial befragt.
Praktikantinnen und Praktikanten ohne Entgeltbezug unterliegen seit 1. September 2005 nicht der Pflichtversicherung nach dem ASVG und werden daher den Gebietskrankenkassen auch nicht gemeldet. Volontäre und Voluntärinnen sind lediglich unfallversichert und bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) anzumelden. FerialarbeitnehmerInnen und Praktikantinnen/Praktikanten mit Entgeltbezug (Taschengeld) sind zwar zur Sozialversicherung zu melden, können aber nach Information des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht gesondert ausgewertet werden. Auch hinsichtlich Praktikantinnen und Praktikanten nach abgeschlossener Hochschulausbildung gibt es vom Hauptverband kein Datenmaterial.
Da bisher aussagekräftige Daten zum Thema Praktika fehlen, wurde erstmals im Rahmen der Arbeitskräfteerhebung 2009 ein ad-hoc Modul zum Eintritt junger Menschen in den Arbeitsmarkt aufgenommen. Damit soll erstmals der Verbreitungsgrad von Praktika sowie deren wesentlicher Charakter repräsentativ abgebildet werden.
Somit gibt es zum Thema Praktika erstmals im Rahmen des Sondermoduls der Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria vom Frühjahr 2009 mit dem Titel „Eintritt junger Menschen in den Arbeitsmarkt“, publiziert 11/2010, einen etwas umfassenderen Überblick:
http://www.statistik.at/web_de/services/publikationen/3/index.html?id=3&listid=3&detail=597
Demnach haben von den in Österreich wohnhaften 1,353 Mio. 15- bis 34-jährigen Personen, die nicht mehr in Ausbildung sind, 65.000 ein Praktikum nach dem Ausbildungsende absolviert. Dies entspricht einem Anteil von rund 5%.
Praktika nach der Ausbildung werden häufiger von Frauen (38.700) als von Männern (26.600) gemacht und sind auf Personen mit höheren Bildungsabschlüssen konzentriert. Mehr als 40% der Praktikantinnen und Praktikanten haben zumindest eine höhere Schule abgeschlossen.
70% der Befragten gaben an, nur ein Praktikum absolviert zu haben, 13% machten drei oder mehr Praktika. 27% aller Praktika dauern nicht länger als 2 Monate, 47% bis zu 5 Monate; 11% haben eine Dauer von über 12 Monaten.