6874/AB XXIV. GP

Eingelangt am 21.01.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger diplô

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0376-II/A/9/2010

Wien, am 20. Jänner 2011

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 6981/J des Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Frage 1:

Nach statistischen Definitionen werden international untergewichtige Neugeborene, also Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 2.500 g verglichen. Der erst kürzlich in Zusammenarbeit von WHO, EU und OECD erschienene Bericht „Health at a glance, Europe 2010“ zeigt, dass Österreich mit 7,1  % knapp über dem durchschnittlichen Prozentsatz an untergewichtigen Neugeborenen von 6,4 liegt. Österreich befindet sich jedoch vor den EU-Staaten Großbritannien, Tschechien, Slowakei, Belgien, Spanien, Portugal, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Griechenland.


Die (nicht nur in Österreich) steigende Frühgeburtenrate ist vor allem auf „späte“ Frühgeburten (late preterm) zurückzuführen. Obwohl auch bei diesen eine höhere Wahrscheinlichkeit von Entwicklungsstörungen als bei Reifgeborenen vorliegt, reduziert sich die Schwere und Wahrscheinlichkeit der Störung aber doch deutlich mit dem Gestationsalter.

 

Zurückzuführen ist dies einerseits auf die deutlich gestiegene Häufigkeit von Mehrlingsgeburten (beinahe Verdoppelung seit 1970), hervorgerufen durch die Methoden der assistierten Reproduktion (In-vitro-Fertilisation). Andererseits führt auch das höhere Alter der Gebärenden (gesellschaftliche und medizinische Aspekte) zu einer erhöhten Frühgeburtenrate. Eine weitere Ursache sind induzierte Frühgeburten aus medizinischer Indikation (fetale Wachstumsstörungen, Präeklampsie, HELLP-Syndrom, vorzeitiger Blasensprung, bedrohliche Blutungen, Fälle also, in denen die Frühgeburt heutzutage ein geringeres Risiko darstellt als eine längere Schwangerschaftsdauer).

 

Weitere Ursachen für Frühgeburtlichkeit stellen mütterliche Vorerkrankungen, psychosoziale Faktoren sowie ungünstige Lebensstilfaktoren (Alkohol- und  Nikotinabusus) dar.

 

Fragen 2 bis 4:

In Österreich werden alle Schwangeren im Rahmen des Mutter-Kind-Pass-Vorsorgeprogrammes kostenlos und unabhängig vom Versicherungsstatus betreut. Der österreichische Mutter-Kind-Pass umfasst ein Programm, das eine ungestörte Entwicklung des Ungeborenen, der Geburt und der nachgeburtlichen Entwicklung sichern und mögliche Komplikationen vermeiden oder zumindest deren Risiken entdecken will. Das gilt auch für das Risiko der Frühgeburtlichkeit.

 

Im Zuge der vorgesehenen geburtshilflichen Untersuchungen (in Kombination mit Ultraschalluntersuchungen, Anamnese) wird auf organische Risikofaktoren (z. B. Gebärmutterfehlbildungen), auf funktionelle Risikofaktoren (z. B. vorangegangene Frühgeburten, Mehrlingsschwangerschaft, Bluthochdruck, Gestosen), auf risikoerhöhende Lebensstilparameter (psychosoziale Belastungen, Alkohol-, Drogenkonsum, Rauchstatus zum jeweiligen Untersuchungszeitpunkt mit eingehender Beratung) Augenmerk gelegt. Das Risiko einer drohenden Frühgeburt wird durch die manuelle und geschallte Messung der Cervixlänge und -weite, Erhebung von vorzeitiger Wehentätigkeit sowie Diagnose und Behandlung von Harnwegsinfekten erhoben. Das genaue Gestationsalter wird durch eine frühe Ultraschalluntersuchung bestimmbar. Die intrauterine Versorgungslage wird durch Ultraschall-Wachstumsmessungen objektiviert. Jegliche Auffälligkeit führt zu weiteren zusätzlichen Kontrollen im niedergelassenen Bereich oder zu einer Überweisung an eine Risikoambulanz mit erweiterten diagnostischen Möglichkeiten.


Fragen 5 bis 7:

Es wird danach getrachtet, dass frühgeborene Kinder in Perinatalzentren betreut werden, die auch zur Betreuung hochgradig unreifer Frühgeborener und höhergradiger Mehrlingsschwangerschaften ausgestattet sind. Diese Zentren übernehmen dann in Abstimmung mit niedergelassenen Ärzten und Therapeuten auch die weitere Nachbetreuung der entsprechenden Kinder.

Frühgeborenen Kindern stehen darüberhinaus ebenso wie allen anderen Kindern die Untersuchungen nach dem Mutter-Kind-Pass-Programm bis zum 5. Lebensjahr zur Verfügung, wo gegebenenfalls auftretende Entwicklungsverzögerungen  festgestellt werden und einer entsprechenden weiteren Therapie zugeführt werden können.

 

Frage 8:

Die Entwicklungsdiagnostik erfolgt durch die betreuenden Perinatalzentren und ist über diese Zentren finanziert. Die Therapie einer Entwicklungsverzögerung muss individuell auf den Bedarf des Kindes abgestimmt sein und erfolgt sowohl in den Perinatalzentren, als auch im niedergelassenen Bereich. Im niedergelassenen Bereich erfolgt die Finanzierung durch die Leistungen der Sozialversicherung.

Eine  einheitliche Entwicklungsdiagnostik ist durch das Konsensuspapier der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde betreffend entwicklungsdiagnostische Nachkontrollen von Neugeborenen vorgegeben.

 

Fragen 9 bis 12:

Entsprechende österreichische Studien neueren Datums stehen nicht zur Verfügung. Da, wie bereits bei Frage 1 beantwortet, die Häufigkeitsrate in Österreich ähnlich dem EU-Durchschnitt ist, können Untersuchungen bezüglich gesundheitlicher Risiken und Folgen von Frühgeburten aus anderen Ländern herangezogen werden.

Derzeit ist eine österreichweite Erhebung des aktuellen Standes durch das AKH Wien im Gange.

 

Fragen 13 bis 15:

Im Wermont Oxford Netzwerk sind Outcome-Daten von ganz Europa und auch von österreichischen Zentren gespeichert. Die zweite europäische Datenbank, die im Zusammenhang mit Frühgeburten betrieben wird, ist das EuroneoNet.

 

Frage 16:

Angelegenheiten der Forschung fallen nicht in meinen Ressortbereich. Mir ist aber bekannt, dass wissenschaftliche Arbeiten im Laufen sind, wie z. B. eine weltweite Multicenterstudie an der Universitätsklinik am Allgemeinen Krankenhaus Wien, die sich mit der Vermeidung von Frühgeburten, v.a. durch Infektionen (Urea Plasmen) intensiv beschäftigt.

 

Fragen 17 bis 19:

Vergangenen Sommer wurde von mir ein Kindergesundheitsdialog ins Leben gerufen. Im Rahmen des Kindergesundheitsdialoges wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich auch mit  dem Thema Frühgeburtlichkeit befasst. Experten aus allen relevanten Berufsgruppen erarbeiten dabei Vorschläge zur Verminderung der Anzahl von frühgeborenen Kindern und zur Verbesserung der Betreuung der Frühgeborenen. Erste Ergebnisse werden nach dem Sommer 2011 vorliegen.