6876/AB XXIV. GP
Eingelangt am 21.01.2011
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

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Frau Präsidentin des Nationalrates Maga. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger Bundesminister
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GZ: BMG-11001/0382-II/A/9/2010
Wien, am 20.
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 7031/J des Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Fragen 1 und 2:
Meinem Ressort ist der Bericht „AF AWARE“ vom November 2010 bekannt. Es handelt sich um eine Studie zu Vorhofflimmern in Europa, die von der „Stroke Alliance for Europe“ (SAFE) in Auftrag gegeben, von der World Heart Federation (WHF) unterstützt und von der Pharmafirma Sanofi-Aventis durch einen „unrestricted grant“ finanziert wurde.
Es wurden Daten einiger europäischer Länder und Russlands durch Befragung von Patient/inn/en-Organisationen, die der SAFE angehören, von Kliniker/inne/n und weiteren nicht näher bezeichneten Personen gesammelt. Die Aussagekraft ist eingeschränkt durch eine niedrige Antwortrate aus nur 8 Ländern (davon 2 „anonyme“ Quellen) von insgesamt 72 eingeladenen Mitglieder-Organisationen von SAFE und WHF (siehe Punkt 8. Appendix). Der Bericht erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, gibt sich als unabhängiger Bericht aus, erstellt durch einen unabhängigen Gesundheitsökonomen und wird als „Momentaufnahme“ und Ausgangspunkt für weitere Forschung auf diesem Gebiet in Europa bezeichnet.
Nach Auffassung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG), die von mir um Stellungnahme ersucht wurde, zeigen die Ergebnisse insgesamt einen Mangel an Information und „Wahrnehmung“ betreffend das Problem des Vorhofflimmerns mit allen seinen gesundheitlichen Folgen auf. Diese Mängel betreffen Daten zu Inzidenz und Prävalenz des Vorhofflimmerns, Maßnahmen und Reaktionen der
Gesundheitssysteme, Patient/inn/eninformation und die volkswirtschaftliche Belastung durch Vorhofflimmern. Der Bericht zeigt jedoch, und das muss kritischerweise angemerkt werden, eindeutige Mängel in der Datenverfügbarkeit, möglicherweise aber auch der Datenerhebung (die in den „Acknowledgements“ auch angedeutet werden): z.B. die Angaben über indirekte Arbeitskosten in Tabelle 2 zeigen unglaubwürdig große Streuungen; Tabelle 6 über verfügbare Behandlungs-optionen zeigt für Deutschland nur Fragezeichen, was unglaubwürdig ist; etc.
So betrachtet sind die daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen nur mit großer Vorsicht zu übernehmen.
Frage 3:
Register zur Erfassung von Vorhofflimmern existieren laut Bericht nur in Deutschland.
Hinsichtlich einer großflächigeren Verfügbarkeit und Nutzung von Erkrankungsregistern wird angemerkt, dass aufgrund der hohen Dunkelziffer von Personen mit „stummem“ Vorhofflimmern (Punkt 2.3 des Berichts), die zu erwartende Unvollständigkeit der Daten aus einem Register zu Vorhofflimmern ein limitierender Faktor ist, der zu bedenken ist.
Vor einer entsprechenden Maßnahmensetzung ist seitens meines Ministeriums geplant, in diesem Jahr eine Veranstaltung zu initiieren, die eine umfassende Aufbereitung des Themas, unter Einbeziehung der betroffenen Fachgesellschaften sowie wesentlichen Vertretern der Ärzteschaft und weiterer Gesundheitsberufe, zum Inhalt haben wird. Eine breite fachliche Auseinandersetzung scheint mir eine Grundbedingung für eine differenzierte Herangehensweise sowohl für eine verbesserte Information und Aufklärung als auch rechtzeitiges Erkennen und Behandlung von Personen mit Vorhofflimmern.
Krankheitsregister mit einer bestimmten Zielsetzung sind grundsätzlich sinnvoll. Durch die ELGA-Initiative und die dort vorgesehene Verfügbarkeit von Befunden können in Zukunft bei Lösung der Datenschutzanforderungen und gegebenenfalls der Verwendung anonymisierter bzw. pseudonymisierter Daten derartige Fragestellungen auch ohne die Führung eigener Register und der damit verbundenen Kosten und Probleme beantwortet werden.
Frage 4:
Leitlinien (Guidelines) zu Vorhofflimmern existieren von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC, Camm et al 2010). Diese werden von der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft inhaltlich anerkannt und sind bereits von den behandelnden Ärzten übernommen.
Frage 5:
Im Sonderfach der Internen Medizin wird Vorhofflimmern im Additivfach zum Intensivmediziner oder Kardiologen gelehrt. Vor allem physikalische Applikationen, die bei komplexeren Rhythmusstörungen angewandt werden, bedürfen einer dementsprechenden Ausbildung und diese ist gewährleistet.
Um Patient/inn/en besser zu schulen ist laut Meinung der ÖKG etwa die Förderung der Blutdruck-Selbstmessung eine sinnvolle Maßnahme, die mit entsprechenden Geräten auch zur Aufdeckung von Vorhofflimmern führen könnte. Die Zusammenarbeit zwischen medizinischem Personal und Patient/inn/enorganisationen wäre ebenfalls sinnvoll. Dies könnte zur besseren Erhebung der Behandlungspräferenzen von Patient/inn/en führen.
Frage 6:
Diese ist sicher erstrebenswert, muss aber sorgfältig erfolgen, um rationale Früherkennung zu fördern, ohne „Angstmache“ zu erzeugen.
Die Gestaltung derartigen Informationsmaterials soll jedenfalls in enger Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachgesellschaften erfolgen.
Wie bereits unter Frage 3 angeführt, wird dies ebenfalls bei der oben erwähnten Veranstaltung zu diskutieren sein.