6879/AB XXIV. GP

Eingelangt am 21.01.2011
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BM für Inneres

Anfragebeantwortung

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

GZ: BMI-LR2220/1135-II/3/2010

Wien, am      . Jänner 2011

 

Die Abgeordnete zum Nationalrat Korun, Freundinnen und Freunde haben am                       22. November 2010 unter der Zahl 6978/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „rechtswidrige Inschubhaftnahme des HTL-Schülers Code E.“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu den Fragen 1, 14 und 15:

Gemäß § 44 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) begründen Anträge nach

§ 44 Abs. 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Die Fremdenpolizeibehörde hat jedoch mit der Durchführung einer Abschiebung zuzuwarten, wenn ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung erst nach einer Antragsstellung gemäß § 44 Abs. 4 NAG eingeleitet wurde und die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wahrscheinlich ist.

Im Fall von Herrn Code E. lagen diese Voraussetzungen nach Ansicht der zuständigen Fremdenpolizeibehörde nicht vor.

Der Fremde wurde daher am 14.11.2010 aufgrund eines Festnahmeauftrages gemäß § 74 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz (FPG) der BPD Wien vom 11.11.2010 festgenommen.

Festzuhalten ist, dass es sich dabei um die Vollziehung eines Festnahmeauftrages und somit nicht um die Verhängung einer Schubhaft gehandelt hat.


Zu den Fragen 2 und 3:

Die Festnahme am 14.11.2010 erfolgte auf Grund eines Festnahmeauftrages gemäß § 74 Abs. 2 Z 3 FPG; die Anhaltung des Fremden zwischen der Festnahme und der Verhängung des gelinderen Mittels aufgrund § 39 Abs. 2 und 5 FPG.

 

Da zum Zweck der Einvernahme Aktenstudium und die Beiziehung eines Dolmetschers erforderlich waren, erfolgte die Vorführung am Morgen des 15.11.2010 und ergingen die bescheidmäßigen  Anordnungen des gelinderen Mittels sowie der Auftrag gemäß § 77 Abs. 5 FPG um 09.30 Uhr desselben Tages.

 

Zu Frage 4:

Code E. gab im Zuge seiner Festnahme keinen von seiner Festnahme zu verständigenden Rechtsvertreter an. Der gegenständliche Bescheid betreffend Anordnung des gelinderen Mittels wurde dem Rechtsvertreter am 16.11.2010, um 08.21 Uhr per Fax zugestellt.

 

Zu den Fragen 5 und 8:

Die Maßnahme gemäß § 77 Abs. 5 FPG stellt keine Schubhaft dar. Die Anordnung soll gewährleisten, dass die Verhängung eines gelinderen Mittels nicht zur Vereitlung der Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme führt. Soweit es zur Durchsetzung der Abschiebung „erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten“ (§ 77 Abs. 5 FPG). Wie sich auch aus der Regierungsvorlage zu BGBl I 100/2005 ergibt, kann diese Unterbringung zweckmäßigerweise auch in einem Anhaltezentrum (Polizeianhaltezentrum) erfolgen.

 

Zu Frage 6:

Es liegt hier keine Gleichzeitigkeit vor. Die Behörde hat zunächst bescheidmäßig zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 FPG vorliegen. Sind diese gegeben, ist anschließend zu prüfen, ob es zur Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zweckmäßig ist, eine Maßnahme gemäß § 77 Abs. 5 FPG anzuordnen.

 

Zu Frage 7:

Diese Vorgangsweise entspricht § 77 Abs. 1 und 5 FPG.

 

Zu Frage 9:

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sich bei der über Herrn Code E. verhängten Maßnahme gemäß § 77 Abs. 5 FPG nicht um Schubhaft handelt.

Statistiken über die Anzahl der gemäß § 77 Abs. 5 FPG ergangenen Aufträgen liegen nicht vor.


Zu Frage 10:

Gemäß § 39 Abs. 5 FPG ist „Freiheitsentziehung nur gemäß Abs. 5, § 77 Abs. 5 oder in Schubhaft möglich“. Bei der Maßnahme gemäß § 77 Abs. 5 FPG handelt es sich somit um eine kurzfristige Anhaltung zur direkten Außerlandesbringung, bei der selbstverständlich auch die AnhO gilt.

 

Zu den Fragen 11 und 12:

Gegen Herrn Code E. bestand seit 4.11.2009 eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung. Da er weder Ladungsterminen für den 22.12.2009 und 14.05.2010 Folge leistete, noch seiner gesetzlichen Ausreiseverpflichtung aus eigenem Antrieb nachkam, war im Hinblick auf die geplante Abschiebung ein Sicherungsbedarf zur Durchsetzung der fremdenpolizeilichen Maßnahmen gegeben und wurde ein Festnahmeauftrag erlassen sowie in weiterer Folge das gelindere Mittel angeordnet.

 

Zu Frage 13:

Die Anhaltung des Fremden vom 14.11.2010, 19:30 Uhr bis 15.11.2010, 09:30 Uhr erfolgte auf der Rechtsgrundlage des § 74 Abs. 2 Z 3 FPG.

Mit Bescheid vom 15.11.2010 - zugestellt um 09:30 Uhr - wurde dem Fremden aufgetragen, gemäß § 77 Abs. 5 FPG im Polizeianhaltezentrum Wien 9., Rossauer Lände 7–9, für maximal 72 Stunden Unterkunft zu nehmen. Bei einer Abschiebung am 18.11.2010 um 00.20 Uhr wäre es daher zu keiner die 72 Stunden überschreitenden Frist gekommen.

 

Zu Frage 16:

Herr Code E. wurde nicht in Schubhaft genommen.

Seitens der Fremdenpolizeibehörden wird eine Stellungnahme der zuständigen NAG-Behörde gemäß § 44 Abs. 5 Z 2 NAG eingeholt, wenn die Voraussetzung des § 44 Abs. 5 Z 1 NAG vorliegt. Dies da die Voraussetzungen in § 44 Abs. 5 Z 1 und 2 NAG kumulativ sind und daher eine Befassung der NAG-Behörde ohne Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 leg.cit. einen unnötigen Verwaltungsaufwand darstellen würden. Aus diesen Gründen wurde auch im gegenständlichen Fall seitens der BPD Wien keine Stellungnahme der NAG-Behörde eingeholt.

 

Zu Frage 17:

Die Fremdenpolizeibehörden werden weiterhin jeden Einzelfall prüfen und entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen – einschließlich der dazu ergangenen Judikatur und selbstverständlich unter Achtung der Vorgaben der EMRK – ihrem gesetzlich vorgegebenen Auftrag nachkommen.


Zu den Fragen 18 bis 21:

Dem bevollmächtigten Rechtsvertreter wurde am 15.11.2010 der Zutritt zu Herrn Code E. nicht verweigert.

Herr Code E. fügte sich an diesem Tag - kurz vor dem Eintreffen seines Rechtsvertreters - in der Zelle leichte Schnittwunden zu. Im Hinblick auf die Erstversorgung in der Sanitätsstelle wurde daher der Rechtsvertreter gebeten, nach Möglichkeit seinen Besuch auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Der Rechtsvertreter nahm diese Mitteilung akzeptierend zur Kenntnis und erhielt wunschgemäß eine Bestätigung für seine Anwesenheit vor Ort.

Gespräche mit Rechtsvertretern sind auch während Einzelunterbringung möglich.

 

Zu Frage 22:

Herrn Code E. wurde erlaubt, seinen Rechtsberater anzurufen. Diesen Wunsch äußerte er erstmals am 16.11.2010. Ob dieser auch tatsächlich seinen Rechtsberater mittels ihm zur Verfügung gestellten Diensttelefons kontaktierte, kann nicht nachvollzogen werden, zumal derartige Telefonate nicht überwacht werden. Die Aufsichtsorgane halten daher immer einen Abstand, der es dem Angehaltenen ermöglicht, sein Telefonat bei normaler Lautstärke unter Wahrung seiner Privatsphäre zu führen.

 

Zu Frage 23:

Die erweiterte Besuchsmöglichkeit von Rechtsvertretern wird in den Polizeianhaltezentren praktiziert.

 

Zu Frage 24:

Dieser Vorwurf kann nicht mehr nachvollzogen werden.

Eine Erklärung ist möglicherweise im Dienstsystem (Gruppendienst) oder aber bezogen auf die unterschiedlichen Örtlichkeiten innerhalb des Polizeianhaltezentrums - der Rechtsvertreter befand sich bei der Überwachungszentrale im Eingangsbereich, Herr Code E. im Zellentrakt im 3. Stock – zu suchen. Die am 16.11.2010 im 3. Stock dienstversehenden Beamten hatten keine Kenntnis vom Besuch des Rechtsvertreters des Code E. am 15.11.2010 und erteilten eine ungeprüfte Auskunft.

Informativ darf mitgeteilt werden, dass Besuche von Rechtsvertretern elektronisch nicht erfasst werden und daher für eine zentrale Auskunft nicht zur Verfügung stehen (§ 58b Sicherheitspolizeigesetz (SPG) enthält keine entsprechende Ermächtigung zur Verwendung dieser Daten in einem Informationsverbundsystem iSd § 4 Z. 13 Datenschutzgesetz (DSG) 2000).

 


Zu Frage 25:

Zum Zeitpunkt des beabsichtigten Besuches des Rechtsvertreters war die Entlassung des Herrn Code E. bereits eingeleitet worden, weshalb ein Besuch im Polizeianhaltezentrum nicht mehr zustande kam. Der Fremde wurde am 16.11.2010, um 17.40 Uhr entlassen und nach vorliegendem Informationsstand von seinem Rechtsbeistand empfangen.

 

Zu Frage 26:

Es wird auf die Beantwortung der Fragen 18 bis 21 und 23 verwiesen.

 

Zu Frage 27:

Mit Schreiben des Fremdenpolizeilichen Büros der Bundespolizeidirektion Wien vom 19.11.2010 wurde der rechtsfreundlichen Vertretung des Herrn Code E. mitgeteilt, dass dessen Festnahme am 14.11.2010, um 19:30 Uhr aufgrund eines Festnahmeauftrages gemäß § 74 Abs. 2 Zi. 3 FPG erfolgte. Zugleich wurde mitgeteilt, dass mit Bescheid vom 15.11.2010 ein Gelinderes Mittel über diesen angeordnet wurde. Dieser Bescheid war zuvor bereits am 16.11.2010 per Fax an den Rechtsvertreter übermittelt worden.

Herr Code E. erhielt bei seiner Entlassung aus dem Polizeianhaltezentrum eine Haftbestätigung. Dabei handelt es sich um die übliche Vorgangsweise.