6926/AB XXIV. GP

Eingelangt am 28.01.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN

           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0306-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 7015/J-NR/2010

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Wolfgang Zanger und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „der Überprüfungen für die Erteilung von Freigang von Häftlingen“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 3 sowie 5 bis 7:

Die Kriterien für die Gewährung von Vollzugslockerungen im Allgemeinen sind in § 126 Abs. 1 StVG festgelegt, wonach Strafgefangene, an denen zeitliche Freiheitsstrafen vollzogen werden, im Strafvollzug in gelockerter Form anzuhalten sind, soweit Einrichtungen für einen solchen Vollzug bestehen, diese Einrichtungen dadurch am besten genützt werden und zu erwarten ist, dass die Strafgefangenen die Lockerungen nicht missbrauchen werden.

Nach § 11 Abs. 1 StVG ist der Anstaltsleiter Vollzugsbehörde erster Instanz. Ihm steht nach Maßgabe der Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes die Aufsicht über den Strafvollzug in der ihm unterstellten Anstalt zu. In dieser Funktion entscheidet er bzw. derjenige Organwalter, an den er die Entscheidung delegiert hat, über den Freigang. Die Entscheidung über die erwähnten Vollzugslockerungen ist daher der Vollzugsbehörde erster Instanz zuzurechnen. Sie war im Rahmen des innerbehördlichen Mandats an einen Organwalter delegiert.

Zur Beratung des Entscheidungsträgers bei der Prüfung, ob Missbrauchsgefahr beim ansuchenden Strafgefangenen vorliegt, ist in jeder Justizanstalt ein Fachteam eingerichtet. Diesem gehören neben Justizwachbediensteten auch Mitarbeiter des psychologischen und des sozialen Dienstes an. In diesem Fachteam werden die individuellen Kriterien für die Gewährung einer Vollzugslockerung geprüft. Dazu gehören Vollzugsplan, Vorleben, Vorstrafen, familiäre Bindungen, disziplinäre Vorkommnisse während der Haft, Einschau in vorliegende Gutachten, eventuell eingeholte Stellungnahmen externer Betreuungsstellen sowie angegebene Gründe für den Wunsch nach einer solchen Maßnahme.

Dem in der Anfrage angesprochenen Strafgefangnen O. war nicht die weitergehende Vollzugslockerung des Freigangs gemäß § 126 Abs. 2 Z. 3 StVG gewährt, sondern (lediglich) die Vollzugslockerung gemäß § 126 Abs. 2 Z. 2 StVG („Beschränkung oder Entfall der Bewachung bei der Arbeit auch außerhalb der Anstalt“). Dies war darauf zurückzuführen, dass das Vollzugsgericht am 8. Februar 2010 anlässlich der amtswegigen Prüfung der bedingten Entlassung eine neuerliche und allenfalls positive Prüfung der bedingten Entlassung des Insassen noch im Laufe des Jahres 2010 ausdrücklich ins Auge gefasst hatte. Im Zusammenhang mit dieser Vollzugslockerung wurde ihm auch die Vollzugslockerung nach § 126 Abs. 4 letzter Satz StVG („Bewegung im Freien außerhalb der Anstalt“) gewährt.

Es ist – abgesehen vom nunmehrigen tragischen Vorfall – zu keinen anderen Missbräuchen der Lockerungen durch O. gekommen.

Zu 4, 8, 9:

Vollzugslockerungen stehen im modernen Strafvollzug als wesentlicher Bestandteil des Entlassungsvollzugs, der den Insassen auf die bevorstehende Entlassung in die Freiheit vorbereiten soll, außer Frage. Die (ex-ante) Entscheidungen darüber haben naturgemäß einen stark prognostischen Charakter und können daher nicht schon allein deswegen, dass die tatsächliche Entwicklung in einem Einzelfall nicht der zunächst gehegten Erwartung entspricht, in Frage gestellt werden.

Grundsätzlich besteht wie bei jeder behördlichen Entscheidung auch hier die Möglichkeit einer straf-, dienst- und zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des Entscheidungsträgers bzw. des Organwalters. Die Vorgangsweise der Vollzugsbehörde erster Instanz im konkreten Fall wurde bereits eingehend geprüft. Die Prüfung hat aus Sicht der Dienstbehörden keinen Hinweis dafür erbracht, dass die Entscheidung auf Grundlage des seinerzeit vorhandenen Wissens unvertretbar gewesen wäre.

 

. Jänner 2011

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)