7069/AB XXIV. GP

Eingelangt am 16.02.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

GZ: BMG-11001/0405-II/A/9/2010

Wien, am 14. Februar 2011

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 7293/J der Abgeordneten Dr. Strutz und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Einleitend ist festzuhalten, dass zur vorliegenden Anfrage eine Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eingeholt wurde.

 

Den nachfolgenden Ausführungen ist zunächst eine grundsätzliche Anmerkung voranzustellen: Wie in der Einleitung der Anfrage zum Ausdruck kommt, legen die Anfragesteller eine staatsbürgerschaftsbezogene Sichtweise an („österreichische Staatsbürger haben ...“). Dies setzt sich auch in den Fragestellungen fort.

Sozialversicherung hängt aber nicht von der Staatsbürgerschaft ab, sondern z.B. davon, ob eine Person (im Inland) einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht oder, ob eine Angehörigeneigenschaft zu einer versicherten Person besteht. Dementsprechend werden bei Auswertungen die Versicherten (bzw. deren Angehörige) berücksichtigt und keine staatsbürgerschaftsbezogenen Eingrenzungen vorgenommen.


Ein Recht, einzig und allein aufgrund der Staatsbürgerschaft medizinische Versorgung zu erhalten (wie dies in staatlichen Gesundheitsdiensten allenfalls vorgesehen wäre), besteht nicht.

 

Frage 1:

Das Gesundheitsressort hat sich bereits vor Jahren dafür eingesetzt, dass die Statistik Austria eine regelmäßige Gesundheitsausgaben-Rechnung nach dem international vergleichbaren „System of Health Accounts“ der OECD erstellt. Die Eckzahlen aus der entsprechenden Veröffentlichung der Statistik Austria sind in der Beilage 1 dargestellt. Demnach haben sich die öffentlichen und privaten Gesundheitsausgaben im Zeitraum 1998 ‑  2008 ohne Berücksichtigung der Langzeitpflege um 55,4%, mit Berücksichtigung der Langzeitpflege um 55,1% erhöht. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben sind etwas stärker gestiegen als die privaten. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP hat ohne Berücksichtigung der Langzeitpflege von 8,7% im Jahr 1998 auf 9,2% im Jahr 2008 zugenommen, mit Berücksichtigung der Langzeitpflege von 10,0% auf 10,5%.

 

Fragen 2 und 4:

Ich verweise dazu auf die vom Hauptverband zur Verfügung gestellte beiliegende Tabelle (Beilage 2), wobei jedoch eine Einschränkung auf österreichische Staatsbürger/innen - wie bereits einleitend festgehalten - nicht möglich ist.

 

Dazu ist zu ergänzen, dass gemäß der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2006/2007 (ATHIS 2006/2007) Allgemeinmediziner/innen in Österreich deutlich häufiger aufgesucht werden als Fachärzte/-ärztinnen: Der Anteil der befragten Personen ab 15 Jahren, die in den vergangenen 12 Monaten eine/n Allgemeinmediziner/in aufgesucht haben, lag bei rund 80%, bei den Fachärzt/inn/en deutlich niedriger (Zahnarzt/-ärztin 60%, Augenheilkunde 27%, Innere Medizin 16%, Dermatologie 14%, Orthopädie, HNO und Urologie jeweils ca. 10%).

 

Frage 3:

Vergleichszahlen für andere OECD-Staaten aus den OECD Health Data 2010 sind
der Beilage 3 zu entnehmen. Innerhalb Europas bewegt sich die Zahl der „doctors consultations per capita“ im Jahr 2008 zwischen 2,9 (Schweden) und 12,1 (Slowakei). Österreich liegt mit 6,9 im Mittelfeld, Deutschland weist einen Wert von 7,8 auf.
Auch hinsichtlich Zahnbehandlungen, zu denen relativ wenige internationale Ver­gleichswerte vorliegen, liegt Österreich im Mittelfeld.

 

Frage 5:

Ich verweise auf die vom Hauptverband übermittelte Tabelle der Leistungszahlen 2009 aus den Leistungsstatistiken der Krankenversicherungsträger (Beilage 4), wobei jedoch eine Einschränkung auf österreichische Staatsbürger/innen - wie bereits einleitend festgehalten - nicht möglich ist.


Ergänzend ist anzumerken, dass bundesweit einheitlich erhobene Daten über das Leistungsgeschehen derzeit nur für den akutstationären Bereich vorliegen, wobei nach den konservativen Leistungen und den bildgebenden Verfahren onkologische Leistungen die häufigsten innerhalb der Akut-Krankenanstalten sind (Beilage 5). Ähnlich detaillierte Daten über das Leistungsgeschehen im gesamten ambulanten Bereich werden erst nach Einführung einer bundesweit einheitlichen Diagnosen- und Leistungsdokumentation verfügbar sein, somit wird das Leistungsgeschehen insgesamt (intra- und extramural) ebenfalls erst danach abgebildet werden können.

 

Frage 6:

Internationale Vergleichszahlen für die Inanspruchnahme von Spitalsleistungen liegen von der OECD in Form der Spitalstage pro Kopf der Bevölkerung in der Akutversor­gung vor (Beilage 6). Demnach liegt Österreich mit 1,8 Tagen pro Kopf im Jahr 2008 europaweit an der Spitze, gefolgt von Deutschland (1,6) und der Tschechischen Republik (1,5). Die niedrigsten Werte weisen Finnland (0,6), Niederlande und Spanien (jeweils 0,7) auf. Aus der „European Hospital Morbidity Database“ der WHO/EURO kann dieser Befund in Bezug auf die Krankenhaushäufigkeit (stationäre Aufenthalte pro 1.000 Einwohner/innen der Wohnbevölkerung) vollinhaltlich bestätigt werden (Beilage 7). Internationale Vergleiche zur Frequentierung des ambulanten Bereichs sind aufgrund von Datendefiziten derzeit nicht möglich. Weiters muss grundsätzlich darauf hingewiesen werden, dass internationale Vergleiche nur in sehr eingeschränk­tem Maß aussagekräftig sind, weil die vorgegebenen Definitionen für Daten und Indikatoren von den einzelnen Staaten aufgrund der jeweils vorhandenen Daten und Statistiken nicht strikt befolgt werden (können). Grundsätzlich ist zu beachten, dass es eine Übersicht über alle in Anspruch genommenen Leistungen des Gesundheits­systems erst geben kann, wenn alle Sektoren und Bereiche des Gesundheits­systems bzw. sämtliche Leistungsanbieter die Leistungen nach einheitlichen Doku­mentationsgrundlagen erfassen. Auch auf internationaler Ebene gibt es keine derartigen Statistiken.

 

Fragen 7 und 8:

Dazu führt der Hauptverband in seiner Stellungnahme Folgendes aus:

Eine genaue Beantwortung der Fragen 7 und 8 ist aus folgenden Gründen nicht möglich, zur allgemeinen Entwicklung der Arzthonorare (die nicht direkt von der Zahl der Besuche, sondern von der Vorgangsweise der Ärztinnen und Ärzte abhängen) siehe die beiliegende Tabelle (Beilage 8). Aus ihr ist die kostendämpfende Wirkung der Diskussionen bei Einführung der e-card, aber auch der Nachzieheffekt des Jahres 2006 deutlich erkennbar – über die letzten zehn Jahre hat sich allerdings im Durchschnitt (+ 2,7 %) keine Veränderung ergeben.

Für die Zeit vor Einführung des e-card-Systems fehlen vergleichbare Zahlen (man hat ja auch u.a. deswegen das e-card-System eingeführt, um hier Transparenz zu schaffen). Ein „Vorher-Nachher-Vergleich“ ist mangels „Vorher-Zahlen“ nicht möglich.

Bei Betrachtung der Zahlen seit Einführung der e-card ist zu beachten, dass


·      das Einführungsjahr 2005 kein „ganzes“ Kalenderjahr umfasst, da die Ärzte erst im Laufe des Jahres ausgestattet wurden und daher auch erst ab unterschiedlichen Zeitpunkten Konsultationen erfassen konnten,

·      in den Folgejahren bis einschließlich 2008 laut e-card-Gesamtvertrag nur die Erstkonsultationen zu erfassen waren, sodass für Vergleichszwecke nur Erstkonsultationen in Ansatz gebracht werden könnten, nicht jedoch „alle Arztbesuche“ (inklusive Folgekonsultationen), wie in der Anfrage gewünscht,

·      das e-card-System nur Vertragsärzte und daher nicht „alle Arztbesuche“, zu denen auch die Wahlarzthilfe zählt, umfasst.

 

Daraus folgt, dass

·      aus dem e-card-System Auswertungen nur für die Jahre 2006 bis 2009, eingeschränkt auf ärztliche Hilfe durch niedergelassene Vertragsärzte, durchgeführt werden können, wobei für Vergleichszwecke nur die Erstkonsultationen relevant sein können,

·      diese Zahlen in keiner Relation zu den anderen Auswertungen stehen, da diese - wenn sie der Fragestellung folgen - auch Wahlarzthilfe umfassen müssten.

Wie aus der beiliegenden Tabelle ersichtlich, weist ein Vergleich der in den letzten 10 Jahren bundesweit an Vertragsärztinnen/-ärzte bezahlten Honorare keine Auffälligkeiten auf.

Eine Auswertung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse über Arztkontakte für den Zeitraum 1. Quartal 2004 bis 2. Quartal 2010, basierend auf den in Anspruch genommenen Ordinationen und Visiten ergibt, dass sich die durchschnittliche Anzahl der Kontakte pro Patient/in seit bzw. durch Einführung der e-card nicht wesentlich verändert hat (siehe beiliegende Tabelle, Beilage 9) sondern tendenziell sogar geringer geworden ist. Es liegen keine Hinweise vor, dass die Situation bei anderen Krankenkassen hievon stark abweichend wäre.

Die Einführung der e-card hat, soweit aus den vorliegenden Unterlagen nachvollziehbar, keine spürbaren Auswirkung auf die Häufigkeit von Arztbesuchen gehabt.“

 

Frage 9:

Der Hauptverband weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass zur Beantwortung der Frage der Begriff „Doppeluntersuchung“ näher zu definieren wäre: Nach Auffassung des Hauptverbandes ist damit gemeint, dass verschiedene Leistungsanbieter für denselben Versicherten im selben Versicherungsfall gleiche diagnostische Leistungen setzen, obwohl diese Leistungen nur einmal erforderlich wären.


Doppelgleisigkeiten in diesem Sinne können von den Versicherungsträgern - abhängig vom jeweiligen Verrechnungssystem - nicht immer erkannt werden. Beispielhaft führt der Hauptverband hier an, dass eine Patientin/ein Patient nach der stationären Aufnahme innerhalb des Krankenhauses nochmals untersucht wird, obwohl bereits ausreichende Vorbefunde aus dem niedergelassenen Bereich vorliegen. Im LKF-System wird eine derartige Leistung von den Versicherungsträgern tatsächlich mehrfach bezahlt, wobei die Spitalsfinanzierung allerdings pauschaliert (§ 447f ASVG) erfolgt; Einflussmöglichkeiten für die Träger gibt es dazu aber nicht. Aktuell gibt es in Österreich einige Projekte, die Doppelbefundungen an der Schnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Bereich vermeiden sollen.

Andere so genannte Doppeluntersuchungen können andererseits nicht zu einer Belastung im Gesundheitssystem führen, da die Versicherungsträger diese Leistungen nicht zweimal bezahlen. Beispielsweise wird von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) ein Kostenzuschuss abgelehnt, wenn innerhalb des­selben Quartals von zwei verschiedenen Ärztinnen/Ärzten derselben Fachrichtung dieselbe Untersuchung durchgeführt wird.

Innerhalb des Sachleistungssystems ist eine Mehrfachleistung seit Einführung des e-card-Systems erschwert, weil die Zahl der Arztbesuche limitiert ist und das per e‑card auch tatsächlich effizient geregelt werden kann (vgl. § 5b MKO 2007, idF avsv Nr. 130/2006 und avsv Nr. 45/2009). Weiters kann eine parallele Abrechnung von Sachleistung und Abrechnung über die Wahlärztin/den Wahlarzt durch das Abwarten des Quartals und Herstellung einer Querverbindung, wie dies z.B. bei der SVB und anderen Kassen die Regel ist, vermieden werden.

Werden Doppeluntersuchungen von Vertragsärzt/inn/en erbracht, wird eine derartige Praxis im Nachhinein durch Prüfungen aufzeigbar. Dabei ist aber zu bedenken, dass es sich auch um eine erforderliche Nachfolgeuntersuchung handeln kann und somit keine Doppeluntersuchung im eigentlichen Sinn vorliegt.

Wie der Hauptverband ausführt, hat in einer Veranstaltung des Competence Centers „integrierte Versorgung“ am 18. November 2010 der Geschäftsführer des IGES Instituts, Dr. Martin Albrecht, über Erfahrungen aus Deutschland berichtet: Danach wurde dort im Rahmen einer Studie festgestellt, dass die Thematik der Doppelbefundungen überbewertet wird, weil bei einer genauen Prüfung der Fälle sich sehr viele dieser so genannten Doppelbefundungen als Nachfolgeuntersuchungen oder Kontrolluntersuchungen darstellen. Diese sind medizinisch beispielsweise zur Verlaufskontrolle und Überprüfung des Therapieerfolges notwendig und leistungsrechtlich gedeckt.[1]

Abschließend sei noch darauf verwiesen, dass die Krankenordnung in bestimmten Konstellationen Doppeluntersuchungen auch bewusst in Kauf nimmt: Beispielsweise könnte es im Rahmen eines berechtigten Arztwechsels durchaus vorkommen, dass die/der erste Ärztin/Arzt eine bestimmte Untersuchung durchgeführt hat und nach dem zugelassenen Arztwechsel die/der zweite Ärztin/Arzt nochmals dieselbe Untersuchung anstellen muss, um die Behandlung sinnvoll fortsetzen zu können.

Versicherte - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - halten sich an die einschlägigen Regelungen der Krankenordnung. Soweit Doppelbehandlungen festgestellt wurden, war die Ursache dafür meist ein notwendiger bzw. begründeter Arztwechsel.

 

Hierzu ist zu ergänzen, dass eine sektorenübergreifende Analyse der Häufigkeit von Doppel-/Mehrfach-Unter­suchungen erst dann möglich sein wird, wenn die bereits erwähnte Voraussetzung erfüllt ist, dass die Leistungen sämtlicher Leistungserbringer nach einheitlichen Dokumentationsgrundlagen vergleichbar gemacht werden können und es außerdem gelingt, die Datenbestände für den intra- und extramuralen Versorgungsbereich einer gemeinsamen Analyse zu unterziehen. Entsprechende vorbereitende Schritte dazu werden während der Laufzeit der derzeit geltenden Vereinbarung gem. Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens (2008 bis 2013) im Rahmen der Arbeiten der Bundesgesundheitsagentur (Erarbeitung eines Katalogs ambulanter Leistungen – KAL, Pilotprojekte in einigen Bundesländern) geleistet.

 

Frage 10:

Eine Auswertung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (Beilage 10) zeigt, dass eine Inanspruchnahme mehrerer Fachärztinnen/Fachärzte (Fächer) die Ausnahme und in dieser Frequenz medizinisch durchaus plausibel ist. Eine abweichende Statistik darüber ist dem Hauptverband nicht bekannt.

Patient/inn/en, die mehrere Allgemeinmediziner/innen in Anspruch nehmen, werden im Hinblick auf missbräuchliche Verordnungen analysiert, bei bestätigtem Verdacht werden anschließend die Ärztinnen/Ärzte informiert und auch Kontakt mit den Versicherten aufgenommen. Auch derartige missbräuchliche Verordnungen sind Ausnahmen, ihr Auftreten wird aber nachverfolgt und entsprechende Maßnahmen getroffen.

 

 

 

 

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfragebeantwortung gescannt) zur Verfügung.

 

 

 



[1] Siehe dazu: Albrecht M, Freytag A, Gottberg A, Storz P.: Effiziente Strukturen ärztlicher Versorgung. Die Entwicklung fachärztlicher Leistungen im deutschen Gesundheitssystem. ISBN 978-3-8329-3214-5, Nomos Verlagsgesellschaft. Abstract: http://www.iges.de/publikationen/schriftenreihe/band_1/index_ger.html .