7178/AB XXIV. GP

Eingelangt am 22.02.2011
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                  Wien, am         Februar 2011

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0275-I/4/2010

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 7319/J vom 22. Dezember 2010 der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Abgesehen von § 118 BAO (Auskunftsbescheid) haben Rechtsauskünfte eines Finanzamtes mangels Bescheidform keine Bindungswirkung.

 

Zu 2. und 3.:

Unter dem Grundsatz von Treu und Glauben versteht man, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben.

 

Grundsätzlich ist dieser Grundsatz auch im Abgabenrecht zu beachten; seine Wirkungen können weder durch Weisungen noch durch Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen

außer Kraft gesetzt werden. Er ist allerdings nur anwendbar, wenn für die Abgabenbehörde ein Vollzugsspielraum besteht, somit insbesondere bei Ermessensentscheidungen. Vor allem kommt jedoch dem Legalitätsprinzip (Art. 18 B-VG) Vorrang vor dem Grundsatz von Treu und Glauben zu.

 

Zu 4.:

Der Umstand, dass ein Finanzamt eine (unzutreffende) Rechtsansicht in einigen Veranlagungsbescheiden vertreten hat, hindert das Finanzamt nicht, in anderen (Folgejahre betreffenden) Veranlagungsbescheiden von der als unrichtig erkannten Rechtsauffassung abzuweichen. Dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz (Art. 18 B-VG) kommt nämlich – wie bereits erläutert – Vorrang vor dem Grundsatz von Treu und Glauben zu.

 

Zu 5.:

Im Hinblick auf das beim Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Innsbruck, anhängige Berufungsverfahren und angesichts der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht gemäß § 48a Bundesabgabenordnung können zum konkreten Sachverhalt keine Angaben gemacht werden.

 

Zur Rechtslage ist allgemein anzuführen, dass nach Art. 34 des BBG 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, Ausgliederungen und Übertragungen von Aufgaben von Körperschaften des öffentlichen Rechts an juristische Personen des privaten Rechts umsatzsteuerneutral möglich sind. Die Unternehmereigenschaft und das Vorsteuer-abzugsrecht des ausgegliederten Rechtsträgers sind nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 2 bzw. 12 UStG 1994 vom zuständigen Finanzamt gesondert zu beurteilen. Aus den angeführten Rechtsgrundlagen ergibt sich auch, dass dem Hoheitsbereich zuzuordnende Tätigkeiten keine unternehmerische Tätigkeit begründen und daher mangels Ausführung für das Unternehmen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Soweit für die gegebene Problematik relevant, haben sich diese Rechtsgrundlagen seit Einführung des UStG 1994 nicht geändert.

 

Darüber hinaus hat sich auch die Rechtsauslegung durch das Bundesministerium für Finanzen nicht geändert. Mit Erlass vom 7.11.2003, Zl. 09 1202/28-IV/9/03, hat das Bundesministerium für Finanzen erstmals seine Rechtsauslegung bezüglich der Anerkennung der Unternehmereigenschaft von ausgegliederten Rechtsträgern von Gebietskörperschaften im Zusammenhang mit der Vermietung von ausgegliederten Grundstücken (insbesondere Gebäude) unter Rz 274 in die Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) 2000 aufgenommen. Weiters wurde im Umsatzsteuerprotokoll 2004 (Erlass vom 6.10.2004, Zl. 01 0219/38-IV/9/04) aufgrund der Anfrage eines Finanzamtes klargestellt, dass die der Rechtssicherheit dienende Regelung der Rz 274 nicht auf grundsätzlich hoheitliche (und daher nicht-unternehmerische) Maßnahmen, wie die Errichtung und anschließende Überlassung von Straßen, Parkplätzen oder Ortsbildgestaltungen, anzuwenden ist (siehe diesbezüglich auch USt-Protokoll 2006 zur Ausgliederung der Straßenbeleuchtung).

 

Zu 6.:

Das in der Einleitung der gegenständlichen Anfrage dargestellte Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung stützt sich auf die im Rahmen der Beantwortung der Frage 5. dargestellte Rechtslage.

 

Ob sich die Berufungspartei im konkreten Fall im Hinblick auf die seinerzeitige Auskunftserteilung auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen kann oder ob der im Zuge der Betriebsprüfung festgestellte tatsächliche Sachverhalt von dem der Anfrage-beantwortung zugrunde liegenden Sachverhalt soweit abweicht, dass der Grundsatz von Treu und Glauben nicht verwirklicht ist, hat die zuständige Rechtsmittelbehörde zweiter Instanz im Zuge des Berufungsverfahrens zu klären.

 

Zu 7. und 9.:

Der bundesweite Fachbereich hat zwar keine „normative“ Kompetenz. Er ist allerdings (als Teil des Bundesministeriums für Finanzen) gegenüber den Finanzämtern zur Erteilung von Weisungen (Art. 20 Abs. 1 B-VG) befugt.

 

Zu 8.:

Der bundesweite Fachbereich ist eine Organisationseinheit im Sinne des § 8 Abs. 2 AVOG 2010 bzw. der §§ 1 – 3 AVOG 2010 – DV.

 

Zu 10.:

Es besteht kein subjektives Recht der Partei auf Erteilung einer Weisung durch eine Oberbehörde. Des Weiteren besteht kein subjektives (vor dem VwGH geltend machbares) Recht der Partei auf Befolgung von Weisungen.

 

Zu 11. und 12.:

Hierzu darf auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden.

 

Mit freundlichen Grüßen

Josef Pröll eh.