7182/AB XXIV. GP

Eingelangt am 22.02.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0339-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 7248/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Mehrwertsteuerbetrug: Gebrauchtfahrzeughandel – Fingierte ‚Ketten- oder Karussellgeschäfte im Jahr 2009 und 2010’“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 4:

Die Existenz sogenannter Ketten- und Karussellgeschäfte ist im Justizressort bekannt; sie werden jedoch in den elektronischen Verfahrensregistern nicht gesondert erfasst, sodass deren statistische Auswertung automationsunterstützt nicht möglich ist. Gesonderte Statistiken über Ketten- und Karussellgeschäfte werden vom Bundesministerium für Justiz nicht geführt. Von einer händischen Auswertung musste im Hinblick auf den damit verbundenen unvertretbar hohen Aufwand abgesehen werden, wofür ich um Verständnis bitte.


Zu 5:

Ketten- und Karussellgeschäfte werden von der Rechtsprechung (siehe beispielsweise OGH vom 7.4.2005, 15 Os 31/04) unabhängig davon, ob Umsätze nicht versteuert oder ob zu Unrecht Vorsteuern geltend gemacht werden, als Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG oder nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG gewertet, wobei § 33 Abs. 1 FinStrG durch eine Verkürzung der bescheidgemäß festzusetzenden Jahresumsatzsteuer, § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG demgegenüber durch die Verkürzung der USt-Vorauszahlung charakterisiert wird (OGH 2.4.1986, 15 Os 26/98). Durch diese Rechtsprechung können auch alle der im Urteil des BGH vom 30.4.2009, 1 StR 342/08, im Einzelnen dargestellten Hinterziehungshandlungen erfasst werden, wie das Ausstellen von Rechnungen mit einem geringeren Kaufpreis als dem tatsächlich bezahlten durch die ursprünglichen Verkäufer, das Nichterklären und Nichtabliefern der Umsatzsteuer durch die angeblichen Erstankäufer sowie die Geltendmachung von ungerechtfertigten Vorsteuerabzügen durch die zum Schein auftretenden Zwischenhändler und den das Kettengeschäft organisierenden tatsächlichen Ankäufer. Unter Zugrundelegung der in diesem Urteil des BGH geschilderten planmäßigen Tatbegehung in zehn Fällen wäre im Übrigen von den österreichischen Gerichten höchstwahrscheinlich auch der erschwerende Umstand der Gewerbsmäßigkeit nach § 38 Abs. 1 FinStrG angezogen worden.

Mit der am 1. Jänner 2011 in Kraft getretenen FinStrG-Novelle 2011 kann künftig auch das gerade im Hinblick auf Umsatzsteuerkarusselle und Missing-Trader-Konstruktionen (siehe EBRV 874 d. B. XXIV. GP 10) eingeführte Finanzvergehen des Abgabenbetrugs nach § 39 FinStrG auf Fälle der Ketten- und Karussellgeschäfte zur Anwendung kommen. So werden insbesondere die Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden nach § 39 Abs. 1 lit. a FinStrG (beispielsweise bei falscher Darstellung der Geschäftskette auf zur Tatbegehung verwendeten Fakturen) oder die Verwendung von Scheingeschäften und anderen Scheinhandlungen nach § 39 Abs. 1 lit. b FinStrG (beispielsweise wenn der gesamte Kreislauf oder Teile davon als Scheingeschäft anzusehen sind) nach § 39 Abs. 2 FinStrG den neuen, wesentlich strengeren Strafdrohungen unterliegen.


Zu 6:

Umsatzsteuerkarusselle weisen typischerweise einen Auslandsbezug auf, da sie häufig den Umstand ausnützen, dass Lieferungen in andere Staaten umsatzsteuerfrei sind. Statistiken werden weder über die Zahl von Fällen mit Auslandsbezug noch über die Zahl von Rechnungen an Scheinfirmen im Ausland geführt.

Zu 7:

Die Zusammenarbeit mit den Justizbehörden der anderen EU-Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Umsatzsteuerkarusselle beruht im Wesentlichen auf dem EU-JZG und dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Sie gestaltet sich abgesehen von dem oft besonders großen Umfang und der erheblichen Komplexität derartiger Verfahren im Wesentlichen problemlos. 

Zu 8:

Probleme aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten der Finanzbehörden und der Kriminalpolizei bei der Bekämpfung der Umsatzsteuerkarusselle sind mir nicht bekannt. Durch § 196 FinStrG wird die Zuständigkeit für die Aufklärung und Verfolgung von gerichtlich strafbaren Finanzvergehen eindeutig den Finanzstrafbehörden zugewiesen, denen dabei die Aufgaben und Befugnisse der Kriminalpolizei zukommen. Gemäß § 196 Abs. 2 FinStrG hat die Kriminalpolizei nur ausnahmsweise einzuschreiten, nämlich dann, wenn die Finanzstrafbehörden nicht rechtzeitig einschreiten können oder das aufzuklärende Finanzvergehen auch den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt. Diese Zuständigkeitsverteilung in Finanzstrafsachen hat sich seit Jahrzehnten bewährt und stellt sicher, dass wegen gerichtlich strafbarer Finanzvergehen durch jene Behörde ermittelt wird, die auch über das dafür notwendige steuer- und zollrechtliche Wissen verfügt.

. Februar 2011

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)