7193/AB XXIV. GP

Eingelangt am 22.02.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0343-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

zur Zahl 7285/J-NR/2010

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Werner Neubauer und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Festnahme und Anstaltseinweisung von Anton Gebetsberger“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2:

Seit dem Jahr 1993 ist A. G. in verschiedenen Strafverfahren vor den Landesgerichten Graz, Salzburg und Wels sowie dem Bezirksgericht Gmunden in Erscheinung getreten. Er erstattete zahllose Eingaben an die verschiedensten Sicherheitsbehörden, Justizbehörden und Mitglieder verfassungsmäßiger Vertretungskörper, wobei er Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte sowie Sachverständige verschiedenster mit Strafe bedrohter Handlungen bezichtigte und ihnen die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz in Aussicht stellte. Die zentralen Themen der zahlreichen, als unhaltbar zu wertenden Beschuldigungen durch A. G. waren Kinderschändung und Kinderpornografie, wobei der Genannte der Meinung war bzw. ist, übergeordnete Stellen  würden  in  derartige  Strafverfahren  verwickelt  sein  und  diese  decken.  Den Ausgangspunkt    für    diese    Anschuldigungen    bildeten    wiederum    Vorwürfe   im


Zusammenhang mit einer Reihenhaussiedlung in Salzburg, die wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit durch Verwendung leicht brennbarer Materialien und unzähliger weiterer Mängel nicht bewohnbar bzw. wertlos sei. Den zuständigen Gemeinde- und Landespolitikern sowie der Justiz warf A. G. vor, die verantwortlichen Bauunternehmer nicht zu verfolgen. Eine detaillierte Aufschlüsselung aller Vorwürfe ist aufgrund der Vielzahl der Eingaben und Strafanzeigen mit vertretbarem Aufwand nicht möglich.

Zu 3:

Nach dem mir vorliegenden Bericht hat die Staatsanwaltschaft Linz die von A. G erstatteten Anzeigen vom 28. April, 6. Juli und 22. September 2010 jeweils zum Anlass für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens genommen.

Zu 4:

Bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft langten am 31. August 2010 und am 2. September 2010 Anzeigen des A. G. ein.

Zu 5:

Die Staatsanwaltschaft Linz hat Ermittlungsverfahren gegen die zur Anzeige gebrachten Personen eingeleitet und in weiterer Folge wegen Haltlosigkeit der erhobenen Vorwürfe zur Einstellung gebracht. Ein Ermittlungsverfahren ist noch anhängig.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat die Anzeige vom 31. August 2010 gemäß § 28a Abs. 2 StPO im Wege der Oberstaatsanwaltschaft Linz an die Staatsanwaltschaft Salzburg übertragen. Das aufgrund der Anzeige vom 2. September 2010 eingeleitete Verfahren wurde gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt. Den gegen diese Entscheidung eingebrachten Antrag auf Fortführung des Verfahrens wies das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 24. November 2010 zurück.

Zu 6 und 7:

Ja. Ich ersuche jedoch um Verständnis, dass eine namentliche Nennung der angezeigten Personen aufgrund der Verpflichtung zur Wahrung des Datenschutzes und der Rechte der Betroffenen nicht möglich ist, weil es sich gegenständlich um nicht öffentliche Ermittlungsverfahren handelt.

Zu 8 und 9:

Nach § 80 Abs. 1 StPO ist jeder, der von der Begehung einer strafbaren Handlung Kenntnis erlangt, zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft berechtigt. Die bloße Ausübung dieses Rechtes führt weder zu einer Festnahme noch zu einer Anstaltsunterbringung. So wurde auch A. G. nicht wegen der Erstattung von Strafanzeigen, sondern wegen des Verdachtes der gefährlichen Drohung bzw. Verleumdung festgenommen.


Zu 10:

Die Staatsanwaltschaft Linz hat am 4. Dezember 2010 die vorläufige Anhaltung des A. G. beantragt. Nach Abtretung des Ermittlungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft Wels hat diese am 30. Dezember 2010 beim Landesgericht Wels einen Antrag auf Unterbringung des A. G. gemäß § 21 Abs. 1 StGB eingebracht.

Zu 11 bis 13:

Die Festnahme des Betroffenen wurde von der Staatsanwaltschaft Linz aufgrund des Verdachtes der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB und der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB angeordnet. Gegen die vom Landesgericht Linz mit Beschluss vom 4. Dezember 2010 angeordnete vorläufige Anhaltung  wurde ein Rechtsmittel erhoben, das erfolglos blieb. Dem Unterbringungsantrag der Staatsanwaltschaft Wels liegt der Verdacht der Vergehen der gefährlichen Drohung zum Nachteil des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gemäß § 107 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB zugrunde. Es handelt sich dabei um verbale Äußerungen des Beschuldigten.

Zu 14:

Die Tatzeitpunkte waren am 3. und 9. Februar 2010. Es liegen die Zeugenaussagen des Opfers sowie jener Justizbediensteten vor, denen gegenüber die inkriminierten Äußerungen getroffen wurden.

Zu 15:

Das Ermittlungsverfahren gegen A. G. wurde von der Staatsanwaltschaft Linz am 31. März 2010 eingeleitet.

Zu 16 und 17:

Die Einleitung des Strafverfahrens ist A. G. spätestens seit dem 27. April 2010 bekannt, als er von der Polizei telefonisch aufgefordert wurde, der Ladung zu der für diesen Tag anberaumten Beschuldigteneinvernahme Folge zu leisten. Im Rahmen dieser Beschuldigtenvernehmung hätte A. G. die Möglichkeit zur inhaltlichen Entkräftung der gegen ihn gerichteten Vorwürfe gehabt. Nach den mir zur Verfügung stehenden Informationen hatte A. G. zuvor bereits eine niederschriftliche Einvernahme verweigert. Der Ladung der Polizei zur Beschuldigteneinvernahme am 27. April 2010 kam A. G. nicht nach.

Zu 18:

Dies wäre A. G. sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form möglich gewesen.


Zu 19 und 20:

Ja. Dazu verweise ich auf die Ausführungen zu Frage 1.

Zu 21:

Ja. Die vom Gericht bewilligte Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Linz erfolgte aufgrund des bereits dargestellten Tatverdachtes und Vorliegens des Haftgrundes der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr, der aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens dringend indiziert war. Nach diesem Gutachten liegen die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 StGB vor. Im Hinblick auf die Wahrung der Rechte des Betroffenen und des Datenschutzes ist mir eine nähere Darstellung der gerichtlichen Feststellungen zum Geisteszustand von A. G. in Form einer öffentlichen, jedermann zugänglichen Anfragebeantwortung nicht möglich.

Zu 22:

A.G. wird derzeit in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg vorläufig angehalten. Nach den mir vorliegenden Informationen wurde bislang keine Anzeige gegen Primar Dr. L. eingebracht.

Zu 23:

Die Beantwortung dieser Anfrage entfällt im Hinblick auf die Antwort zu Frage 22.

Zu 24:

Dem mir vorliegenden Bericht der Staatsanwaltschaft Linz zufolge können solche Befangenheitsaspekte ausgeschlossen werden.

Zu 25 bis 29:

Für eine derartige Prüfung bestand nach dem mir vorliegenden Bericht kein Anlass. A.G. hat in seiner Beschuldigteneinvernahme vom 4. Dezember 2010 die Staatsanwaltschaft und das Landesgericht Linz für befangen erklärt und einen Delegierungsantrag an den Obersten Gerichtshof gestellt, wobei er jedoch keine Begründung angab. Da im Ermittlungsverfahren eine Delegierung aus den in § 28 StPO angeführten Gründen nur an eine Staatsanwaltschaft in Betracht kommt, wäre für eine diesbezügliche Entscheidung die Oberstaatsanwaltschaft Linz bzw. die Generalprokuratur zuständig. Eine solche Entscheidung liegt jedoch nicht vor, zumal das Verfahren ohnehin am 13. Dezember 2010 gemäß § 25 StPO der Staatsanwaltschaft Wels abgetreten wurde.

Zu 30:

Ich verweise auf die Beantwortung der Frage 10.

Zu 31:

Das fachärztliche Gutachten, das bereits vor der gegenständlichen Festnahme eingeholt worden war, bezieht die konkret vorgeworfenen Anlasstaten mit ein.


Zu 32 und 33:

Im Bereich des materiellen Strafrechts ist die Rechtsgrundlage für eine „Anstaltseinweisung“ im Sinne einer Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher insbesondere der gleichnamige § 21 des Strafgesetzbuches (StGB), der in seinem Abs. 1 die Voraussetzungen für eine solche Unterbringung von zurechnungsunfähigen und in seinem Abs. 2 für eine solche Unterbringung von zurechnungsfähigen geistig abnormen Rechtsbrechern regelt. Daneben wären im vorliegenden Zusammenhang insbesondere die §§ 24 („Reihenfolge des Vollzugs von Freiheitsstrafen und mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen“), 25 („Dauer der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen“), 45 („Bedingte Nachsicht von vorbeugenden Maßnahmen“), 47 („Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme“) und 54 („Widerruf der bedingten Nachsicht und der bedingten Entlassung bei einer vorbeugenden Maßnahme“) StGB zu nennen.

Im Bereich des Verfahrensrechts sind die Rechtsgrundlagen bei einer Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB insbesondere die §§ 429 ff der Strafprozessordnung (StPO), bei einer Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB die §§ 435 ff StPO.

Im Bereich des Vollzugsrechts sind die Rechtsgrundlagen insbesondere die §§ 158 sowie die §§ 164 bis 167a des Strafvollzugsgesetzes (StVG).

Die kumulativ verlangten Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB sind folgende:

1) Der Rechtsbrecher muss eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, begangen haben (Anlasstat).

2) Nach der Person des Rechtsbrechers, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat muss zu befürchten sein, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen (Prognosetat) begehen werde.

Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB sind hinsichtlich Anlass- und Prognosetat grundsätzlich ident, doch ist dort der Täter zurechnungsfähig, sodass in einem solchen Fall  die  Anstaltsunterbringung  zusätzlich  zu einer  Strafe  verhängt  wird,  wobei  die


Unterbringung zwar vor der Strafe zu vollziehen, die Zeit der Anhaltung jedoch auf die Strafe anzurechnen ist.

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass es daneben noch weitere mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahmen im Bereich des Strafrechts gibt, nämlich die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 StGB sowie die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter nach § 23 StGB. Andererseits gibt es auch eine zivilrechtliche Unterbringung von psychisch Kranken nach dem Unterbringungsgesetz und können psychisch kranke Strafgefangene (ebenso wie solche Untersuchungshäftlinge) auch vorübergehend zu Behandlungszwecken in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie (oder eine solche Abteilung) überstellt werden (§ 71 StVG, gegebenenfalls iVm § 182 Abs. 4 StPO).

Zu 34:

Eine Auswertung der elektronischen Register der Staatsanwaltschaften ergibt für das Jahr 2010 157 Anträge nach § 21 Abs. 1 StGB, vier Anträge nach § 22 StGB und keine Anträge nach § 23 StGB.

Zu 35:

Im Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB ist der Rechtsbrecher schon im Ermittlungsverfahren nach § 429 Abs. 2 Z 2 StPOmindestens durch einen Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zu untersuchen. Das Ziel der Untersuchung liegt darin, Befund und Gutachten über die Person des Betroffenen zu erstellen. Darin geht es einerseits um die Frage nach dessen geistiger und seelischer Abartigkeit höheren Grades, die im Tatzeitpunkt zur Zurechnungsunfähigkeit gesteigert gewesen sein muss. Andererseits sind darin die Grundlagen für die vom Gericht für den Zeitpunkt des Unterbringungsverfahrens zu erstellende Gefährlichkeitsprognose zu schaffen. Zudem kann die Verhandlungsfähigkeit des Betroffenen und dessen Beteiligungsfähigkeit an der Hauptverhandlung zweifelhaft und daher in Rahmen der Untersuchung zu beurteilen sein (Murschetz, WK-StPO, § 429 Rz 6).

Darüber hinaus können nach § 429 Abs. 2 Z 3 StPO bereits im Ermittlungsverfahren auch zu jeder Vernehmung des Betroffenen ein oder zwei Sachverständige beigezogen werden.

Schließlich ist nach § 430 Abs. 4 StPO der Hauptverhandlung bei sonstiger Nichtigkeit ein psychiatrischer Sachverständiger beizuziehen.


Für die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB gilt nach den §§ 436, 439 Abs. 2 StPO grundsätzlich Entsprechendes.

Zu 36:

Abgesehen von Beschwerdemöglichkeiten im Ermittlungsverfahren kann ein Urteil im Verfahren zur Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB zufolge § 433 StPO in sinngemäßer Anwendung der §§ 281 (345) und 283 (346) zu Gunsten und zum Nachteil des Betroffenen mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angefochten werden. Im Falle der Unterbringung stehen diese Rechtsmittel auch dem Betroffenen und seinen Angehörigen (§ 282 Abs. 1) zu.

Nach § 435 Abs. 2 StPO bildet die Anordnung der Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB oder ihr Unterbleiben einen Teil des Ausspruches über die Strafe und kann zu Gunsten und zum Nachteil des Verurteilten mit Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung angefochten werden.

 

 

. Februar 2011

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)