7196/AB XXIV. GP
Eingelangt am 22.02.2011
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0345-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 7321/J-NR/2010
Die Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Susanne Winter und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Abgängigkeit des minderjährigen P. N.“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 sowie 9 bis 13:
Die in § 141 AußStrG festgelegte, beschränkte Auskunft darf nicht durch Akteneinsicht umgangen werden (OGH 7 Ob 48/03i). Eine Beantwortung dieser Fragen würde jedoch einer Akteneinsicht gleichkommen, weshalb von einer Beantwortung Abstand genommen werden muss.
Zu 2 und 5:
Die Entscheidungen und Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien in dem der Anfrage zugrunde liegenden Verfahren ergingen in Ausübung des unabhängigen Richteramtes (Art. 87 Abs. 1 B-VG); sie sind somit nicht Gegenstand der Vollziehung eines Mitglieds der Bundesregierung (Art. 52 Abs. 2 B-VG).
Zu 3 und 14:
Losgelöst vom vorliegenden Sachverhalt ist es ganz allgemein so, dass bei Rückziehung eines Antrages des Jugendwohlfahrtsträgers kein rechtlicher Grund dafür besteht, dass ein Minderjähriger nicht bei seinen Eltern leben darf.
Gerichte haben in Pflegschaftsverfahren jedes Vorbringen zu prüfen und allfällige, entscheidungsrelevante Beweisergebnisse zu würdigen.
Zu 4, 6 und 7:
Zunächst ist festzuhalten, dass der Jugendwohlfahrtsträger nach geltendem Recht nicht zur Einschränkung der persönlichen Freiheit der ihm anvertrauten Minderjährigen berechtigt ist. Der Begriff „Unterbringung“, der im Justizrecht mit der Freiheitseinschränkung verknüpft ist (vgl. „Unterbringungsgesetz“), ist für die Zurverfügungstellung eines Betreuungsplatzes durch den Jugendwohlfahrtsträger irreführend. Insoweit der Jugendwohlfahrtsträger die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung über eine minderjährige Person aufgrund gerichtlicher Übertragung oder kraft Gesetzes ausübt, agiert er nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht im Bereich der Hoheitsverwaltung, sondern untersteht der Aufsicht des Pflegschaftsgerichtes. Zur Pflege und Erziehung gehört auch die Bestimmung des Aufenthaltes der minderjährigen Person, sofern dies erforderlich ist. Bei der Durchsetzung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes stehen dem Jugendwohlfahrtsträger keine anderen Mittel zur Verfügung als den Eltern. Die Anwendung von Gewalt und faktischer Zwang sind nicht zulässig.
Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des Pflegschaftsgerichtes, über die Rechtmäßigkeit von einzelnen auf der Grundlage von § 215 ABGB vom Jugendwohlfahrtsträger getroffenen Maßnahmen zu entscheiden. Das Zusammenspiel der §§ 176, 213 und 215 soll gewährleisten, dass das Gericht von Tätigkeiten des Jugendwohlfahrtsträgers im Zusammenhang mit der Gefährdung des Kindeswohls durch die aktuellen Betreuungspersonen erfährt und dem Jugendwohlfahrtsträger die Obsorge, insbesondere im Bereich Pflege und Erziehung, überträgt, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Zu 8:
Eine Beantwortung dieser Frage würde datenschutzrechtlichen Bestimmungen zuwiderlaufen.
Februar 2011
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)