7244/AB XXIV. GP
Eingelangt am 02.03.2011
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

Alois Stöger
Bundesminister
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMG-11001/0006-II/A/9/2011
Wien, am 1. März 2011
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage
Nr. 7380/J der Abgeordneten Dr. Spadiut, Kolleginnen und Kollegen nach den
mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Frage 1:
Das weltweite Problem der nosokomiale Infektionen und (multi-)resistente Erreger ist mir, meinem Ressort, den involvierten Institutionen sowie den zuständigen Bezirksverwaltungs-behörden bekannt.
Fragen 2 bis 4:
Gemäß § 60 des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG) haben die Bezirksverwaltungsbehörden unter Beiziehung der ihnen als Gesundheitsbehörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden Amtsärzte in den Krankenanstalten und Kuranstalten ihres örtlichen Wirkungsbereiches die Einhaltung der sanitären Vorschriften, die auf Grund des Ersten Teiles dieses Bundesgesetzes erlassen wurden, zu überwachen.
Das KAKuG beinhaltet im § 5b die Verpflichtung zur Qualitätssicherung. Darüberhinaus beinhaltet der § 8a des KAKuG Regelungen zur Krankenhaushygiene und deren interne Überwachung (z.B. mittels Krankenaushygieniker/inne/n, Hygienebeauftragten, Hygienefachkräften, Hygieneteam).
Gemäß § 8a Abs. 4 KAKuG gehören zu den Aufgaben des Hygieneteams alle Maßnahmen, die der Erkennung, Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von Infektionen und der Gesunderhaltung dienen. Zur Durchführung dieser Aufgaben hat das Hygieneteam einen Hygieneplan zu erstellen. Es begleitet auch fachlich und inhaltlich die Maßnahmen zur Überwachung nosokomialer Infektionen. Die Überwachung/Surveillance hat nach einem anerkannten, dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Surveillance-System zu erfolgen.
Die Bundesländer haben die Bestimmungen des KAKuG mittels Ausführungsgesetzen in die Landesgesetzgebung überzuführen.
Im Oktober 2002 wurde seitens meines Ministeriums die Publikation „PROHYG – Strategie und Organisation der Krankenhaushygiene“ herausgegeben. Ziel war es, eine Qualitätsverbesserung in der Krankenhaushygiene zu bewirken. Ein interdisziplinäres Expert/inn/enteam erstellte einen österreichweiten fachlichen Standard für die Krankenhaushygiene, der den in der Krankenhaushygiene Tätigen Hilfe bietet. Die Publikation wurde von den operativ zuständigen Gesundheits-behörden zunehmend als fachliche Basis für behördliche Vorgaben herangezogen. Die Ressourcenzuteilung in den Krankenanstalten orientiert sich an dieser Veröffentlichung. Durch die breite Akzeptanz von „PROHYG – Strategie und Organisation der Krankenhaushygiene“ kommt es zu einem weitgehend einheitlichen Vorgehen in der Praxis trotz föderaler Strukturen.
Im Jahr 2010 wurde durch mein Ressort, unter Einbindung anerkannter nationaler Expert/inn/en, interdisziplinär und intersektoral eine Aktualisierung des Dokumentes „PROHYG – Strategie und Organisation der Krankenhaushygiene“, die noch heuer zu einer Neuauflage führen wird, vorgenommen.
Seitens meines Ressorts wurden bereits vor Jahren Referenzzentralen für nosokomiale Infektionen und Antibiotikaresistenzen in Wien und Linz gegründet.
Im Jahr 2003 beauftragte mein Ministerium das Klinische Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Universität Wien in seiner (schon früher zugewiesenen) Rolle als nationales Referenzzentrum für nosokomiale Infektionen und Antibiotikaresistenz mit der Adaptierung des von der Europäischen Kommission im Rahmen des EU-Projekts entwickelten HELICS-Programmes für österreichische Spitäler und Ausarbeitung von Vorschlägen für ein österreichisches Netzwerk zur Erfassung von nosokomialen Infektionen basierend auf HELICS-Protokollen. Die österreichische HELICS-Initiative wirkt seit 2004 unter dem Akronym ANISS (Austrian Nosocomial Infection Surveillance System) und wird im Auftrag meines Ministeriums betrieben. Als Information betreffend nosokomiale Infektionen stehen meinem Ministerium die Jahresberichte des ANISS-Projektes zur Verfügung.
Hinsichtlich der antimikrobiellen Resistenzen ist auf den jährlichen österreichischen Antibiotikaresistenz-Bericht zu verweisen, der unter dem Titel AURES von meinem Ressort publiziert wird.
Fragen 5 und 6:
Es besteht in Österreich keine Meldepflicht (wie z.B. gemäß den Bestimmungen des Epidemiegesetzes), somit gibt es keine „offizielle Infektionsrate“. Eine gesamtösterreichische repräsentative Infektionsrate kann derzeit nicht genannt werden.
Nosokomiale Infektionen sind eine Querschnittsthematik und auch wesentlich von der Gesamtkonstitution der Patientin/des Patienten beeinflusst. D. h. nosokomiale Infektionen können nicht 1:1 als Ergebnisparameter für eine Aussage über ein qualitätsvolles Arbeiten im Krankenhaus herangezogen werden, dennoch sind sie als Maß durchaus geeignet, Ergebnisqualität mit einer gewissen Unschärfe als Annäherung darzustellen. Für das Jahr 2012 ist eine Untersuchung geplant, die nähere Informationen bringen soll.
Preliminäre Daten aus Europa und auch aus Österreich liegen in der Höhe von ca. 7 %. Dies bedeutet, 7 von 100 stationären Patient/inn/en erleiden im Laufe ihres Aufenthaltes eine nosokomiale Infektion. Es ist zu beachten, dass die Schwere der Grunderkrankung der Patientin/des Patienten ein sehr individueller, aber maßgeblicher Faktor zur Entstehung von nosokomialen Infektionen ist.
Bei den Indikatoroperationen in Österreich verteilen sich über die Jahre von 2005 bis 2009 die postoperativen Infektionsraten wie folgt:
Gallenblasenoperationen: Eine Schwankung zwischen 0,53 % und 0,75 %, Tendenz sehr stabil.
Dickdarmoperationen: Eine Schwankung zwischen 7,14 % und 9,8 %; die erhöhte Rate erklärt sich, auch international, durch eine Operation in einem mikrobiologisch mit Keimen dichtbesiedeltem Gebiet.
Bei der Sectio Cäsarea sieht man eine Schwankung zwischen 0,58 % und 1,2 %; auch hier eine sehr stabile Datenlage.
Anteilsmäßig eine sehr häufig durchgeführte Operation ist die Hüftarthroplastie, die totale und die Teilendoprothetik des Hüftgelenks; hier sieht man eine Infektionsrate in den Jahren 2005 bis 2009 schwankend zwischen 1,28 % und 1,84 %.
Bei den Knieendoprothesen gibt es Komplikationen zwischen 0,34 % und 1,65 % über die Jahre. Auch hier eine sehr stabile Infektionsrate.
Insgesamt kann nach Auswertungen durch das „European Centre for Disease Prevention and Control“ gesagt werden, dass die österreichischen Infektionsdaten durchwegs entweder im besten Drittel oder am Median in Europa liegen.
Frage 7:
Meinem Ressort liegen derzeit dazu keine repräsentativen auswertbaren Daten vor.
Frage 8:
Dazu darf ich auf die Beantwortung der Fragen 5 und 6 verweisen.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich im abgefragten Zeitraum eine sehr stabile Infektionsrate zeigt und sich auch keine Verschlechterung ergeben hat – wiewohl die Herausforderungen durch das weltweit vermehrte Auftreten von multiresistenten Erregern ansteigen.
Zur Resistenzlage: Die MRSA-Rate („Methicillin-resistant Staphylococcus aureus“) ist österreichweit rückläufig (2009: 5,9 %), was allerdings nicht den Schluss zulässt, dass die Rate an nosokomialen Infektionen durch den Erreger auch zwingend rückläufig ist. Detailliert betrachtet ist die MRSA-Rate an österreichischen Intensivstationen im Vergleich zu anderen Abteilungen erhöht, ebenso auf chirurgischen Stationen (Quelle: AURES 2009). Die Rate an ESBL („extended-spectrum beta-lactamase“) produzierenden Enterobakterien ist im Steigen begriffen, im Europavergleich mit 7,6 % im unteren Drittel. Carbapenemase produzierende Enterobakterien sind, wenn auch in geringen Fallzahlen, über Österreich verteilt.
Frage 9:
Sowohl ANISS wie auch AURES sollen trotz der finanziellen Einschränkungen im Bundesbudget weiter geführt werden. Es ist darüber hinaus geplant, eine nationale Strategie zur Eindämmung der Resistenz gegen antimikrobielle Mittel in der Humanmedizin zu implementieren.
Frage 10:
Unbeschadet der Tatsache, dass Forschung und Entwicklung ein Aufgabenbereich ist, der in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung fällt, sollen – als anwendungsorientierte Projekte – sowohl ANISS als auch AURES, durch mein Ministerium weiter geführt werden.
Fragen 11 und 12:
Das niederländische Modell wurde zur Bekämpfung des Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) entwickelt. Bei diesem Erreger macht das Screening und vor allem die daraus abgeleiteten Sanierungsmaßnahmen Sinn. Eine Recherche bezüglich der anderen multiresistenten Erreger zeigt in den Niederlanden allerdings keinen Vorteil dieses Systems in den Zahlen gegenüber Österreich. D. h., nachdem bei anderen multiresistenten Erregern keine Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden können – da diese Erreger großteils den menschlichen Darm besiedeln und somit nicht eradiziert werden können – ist eine „search and destroy“-Strategie hier leider nicht zielführend. Auch in den österreichischen Krankenanstalten werden alle nötigen hygienischen Maßnahmen ergriffen, um eine Übertragung dieser Erreger auf andere Patient/inn/en zu unterbinden, die MRSA-Rate ist in Österreich ebenfalls sinkend (von 15,3 % im Jahr 2003 auf 5,9 % im Jahr 2009). In Österreich werden Patient/inn/en, die ein Risiko für die Besiedelung mit multiresistenten Erregern aufweisen, ebenfalls einem „Such-Screening“ mittels Abstrichen unterzogen, um die nötigen Hygienemaßnahmen so frühzeitig wie möglich einleiten zu können.