7288/AB XXIV. GP

Eingelangt am 14.03.2011
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0005-II/A/9/2011

Wien, am 14. März 2011

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 7375/J der Abgeordneten Brunner, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 bis 5:

Es ist mir ein Anliegen, auch den landwirtschaftlichen Nutztieren ein tiergerechtes und möglichst artgemäßes Leben im Dienste des Menschen bieten zu können. Ich setze mich dafür ein, dass die Verwendung des Kastenstandes für den Zeitraum, in dem die Schweine für das Decken in Kastenständen gehalten werden (bisher 4 bis 5 Wochen), auf ein nötiges Mindestmaß, z.B. 10 Tage, reduziert wird.

 

Die Diskussion über den Zeitraum von der Geburt bis zum Absetzen der Ferkel wird sehr kontroversiell geführt. Mir ist es in diesem Zusammenhang sehr wichtig, eine sachgerechte Lösung zu erarbeiten. Es ist erforderlich, das Schutzbedürfnis des Muttertieres gegen die Bedürfnisse der Ferkel abzuwägen. Eine Fixierung der Sau für die gesamte Dauer der Haltung in der Abferkelbucht stellt jedoch eine übermäßige und aus Sicht des Tierschutzes nicht gerechtfertigte Einschränkung der Bewegungsmöglichkeit dar. Im Kastenstand hat die Sau keine Möglichkeit ihrem normalen Nestbauverhalten nachzukommen bzw. eine normale Mutter-Kind-Beziehung aufzubauen. Dadurch steigt Studien zufolge auch der Stresspegel vor der Geburt stark an und führt dazu, dass sich die Dauer des Geburtsvorganges verlängert. Längere Geburtsvorgänge wiederum führen zu einer zusätzlichen Schwächung der Mutter und der Ferkel.

 

Mein Ressort hat sich im Zuge der Erarbeitung eines entsprechenden Verordnungsentwurfes auch mit dem von Vertreter/inne/n auf dem Gebiet der Landwirtschaft immer wieder ins Treffen geführten Problem der hohen Ferkelverluste in Systemen ohne Kastenstand auseinandergesetzt.

 

Die Gesundheit der Muttersauen ist ein wesentlicher Aspekt im Zusammenhang mit der Erdrückungsproblematik. Neben den oben erwähnten Stresssituationen leiden die Muttertiere oft an Gliedmaßenproblemen oder sind zu fett, was zu einer gewissen Immobilität führt und die Tiere daran hindert, sich vorsichtig und langsam niederzulegen bzw. rasch wieder aufzustehen. Die Bewegungsmöglichkeit in freien Abferkelbuchten sowie die positiven Einflüsse, die sich dadurch auf der Verhaltensseite ergeben (Mutter-Kind-Kontakt, Nestbauverhalten, etc) können einen wesentlichen Beitrag zur Aufzuchtleistung leisten.

 

Welfare Quality, ein von der EU finanziertes Forschungsprojekt, welches die Integration von Tierschutz in die Nahrungsmittelkette zum Thema hat, hat sich im Rahmen eines Teilprojektes mit dem Schwerpunkt der Entwicklung praktischer Strategien zur Verbesserung des Tierschutzes in der Landwirtschaft unter anderem mit der Sterblichkeit von neugeborenen Ferkeln auseinandergesetzt. Auch in diesem Projekt wird klar festgehalten, dass die Haltung von Sauen im Kastenstand einen enormen Stress für die Sau bedeutet und es hat sich deutlich gezeigt, wie wichtig neben den Eigenschaften der Ferkel (frühzeitige Vitalität durch rasches Finden des Gesäuges in Kombination mit körperlichen Merkmalen, wie dem richtigem Körpergewicht und der richtigen Körperform) die Eigenschaften der Muttersau (positives mütterliches Verhalten) für das Überleben der Ferkel sind. Darüber hinaus ergab die Forschung von Welfare Quality, dass sich eine Verbesserung des Überlebens auch durch selektives Züchten erreichen lässt und dies auch dem Landwirt dabei hilft, erhebliche wirtschaftliche Einsparungen zu erzielen. Den Ausführungen zufolge lässt sich das Überleben der Ferkel unter Haltungsbedingungen ohne Kastenstand bereits innerhalb von einer Generation verbessern. Nicht zuletzt verweist die wissenschaftliche Untersuchung auf die Möglichkeit der langfristigen Abschaffung von Kastenständen.


Eine schweizer Studie (FAT-Berichte Nr. 656/2006, Weber et al) zeigt beispielsweise auf,  dass sich die darin verglichenen Abferkelsysteme zwar bei den einzelnen Verlustursachen unterscheiden, nicht aber bei den Gesamtverlusten der Ferkel. Die Erdrückungsverluste waren zwar in den Kastenstandsystemen geringer, allerdings bestand in diesen ein höheres Risiko für andere Verlustursachen (zB Kümmerer). In Summe lagen die Ferkelverluste zum Zeitpunkt des Absetzens der Ferkel in beiden Systemen, solchen mit Kastenstand und freien Abferkelsystemen, bei rund 12%. In dieser Studie wurden über 60.000 Würfe in den Jahren 2002 und 2003 untersucht. Alle in der Studie untersuchten freien Abferkelbuchten hatten eine Mindestgröße von 5m².

 

Aus den genannten Gründen ist es offensichtlich, dass sowohl zum Schutz der Ferkel als auch für die Bedürfnisse des Muttertieres das Platzangebot in der Bucht entsprechend zu vergrößern ist, um eine entsprechende Lösung anbieten zu können. Erfahrungsberichten aus der Schweiz zufolge sollen praxistaugliche Buchten, in denen sich die Sau frei drehen kann, eine Fläche von mindestens 5,5m² aufweisen. Eine Vergrößerung der Abferkelbuchten bedeutet wiederum bauliche Eingriffe in die bereits bestehenden Stallanlagen. Daher bedarf es auch der Berücksichtigung dieser ökonomischen Belastungen für die betroffenen Tierhalter/innen und entsprechender Übergangsfristen.

 

In den bisher in der Sache abgehaltenen Gesprächen zwischen meinem Ressort und Vertreter/inne/n der Landwirtschaft und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft konnte leider keine einvernehmliche Lösung erzielt werden.

 

Einen aus meiner Sicht sowohl dem Tierschutz als auch dem Anliegen der Volksanwaltschaft Rechnung tragenden – und auf die ökonomischen Auswirkungen auf Landwirte/innen Bedacht nehmenden – Entwurf zur Änderung der 1. Tierhaltungsverordnung habe ich daher am 3. März 2011 dem allgemeinen Begutachtungsverfahren zugeleitet.

 

Ich beabsichtige nach weiteren noch zu führenden Konsultationen mit Vertreter/inne/n der Landwirtschaft und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie Vertreter/inne/n des Tierschutzes eine entsprechende Verordnung zu erlassen, um so im Sinne des Tierschutzes und der Tiergesundheit weitere Verbesserungen erzielen zu können.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber darauf hinweisen, dass für die Erlassung einer Änderung der 1. Tierhaltungsverordnung ein Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erforderlich ist.

 

Ich bzw. mein Ressort wird sich weiterhin für Verbesserungen im Tierschutz einsetzen und ist bemüht, in dieser Frage einen Konsens mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft herzustellen.


Abschließend möchte ich anmerken, dass der Tierschutz auch bei den Konsumenten/innen zunehmend eine immer größere Rolle spielt, wie auch eine seitens der EU veröffentlichte Eurobarometer-Umfrage gezeigt hat. Demnach ist die Mehrheit der Konsumenten/innen bereit, für tierschutzfreundliche Produkte mehr zu zahlen und gegebenenfalls die Kaufgewohnheiten zu ändern. Neben ethischen Überlegungen wird Tierschutz häufig mit Qualitäts- und Gesundheitskriterien in Verbindung gebracht. Mehr als die Hälfte der Befragten halten der Umfrage zufolge Lebensmittel, die nach Tierschutzstandards produziert werden, für gesünder als andere Lebensmittel.

 

Gleichzeitig fühlte sich jedoch eine weitere Mehrheit der Befragten nicht ausreichend informiert, um gezielt tierschutzfreundliche Produkte auszuwählen. Eine Kennzeichnung von Produkten durch Logos oder Etiketten wurde von der Mehrheit befürwortet.

 

Ein neues, modernes und umfassendes Gütezeichengesetz, für das ich bereits einen Vorschlag vorgelegt habe, könnte Impulse zur Verbesserung des Konsumentenschutzes setzen.

 

Das Zustandekommen eines umfassenden österreichischen Gesetzes zur einheitlichen Regelung von über die gesetzlichen Mindestvorgaben hinausgehenden Qualitäten von Produkten und deren Auszeichnung am Produkt („Gütezeichengesetz“) als Nachfolgeregelung zur Gütezeichenverordnung aus dem Jahr 1942 ist mir ein großes Anliegen. Im Regierungsprogramm ist im Kapitel „Konsumentenschutz und Verbrauchergesundheit“ ein „Gütesiegelgesetz“ erwähnt, das neue Qualitäts- und Kennzeichnungsregelungen bringen soll, die von einer einzigen unabhängigen Stelle kontrolliert werden. Durch dieses „Gütesiegelgesetz“ sollen insbesondere Maßnahmen zur Unterstützung der Qualitätssicherung und Konsumenteninformation in der Lebensmittelproduktion und –versorgung unter Hervorhebung der Aspekte der menschlichen und tierischen Gesundheit, des Tierschutzes sowie ernährungsphysiologischer und gesundheitsförderlicher Aspekte geschaffen werden.

 

Frage 6:

In Österreich gelten im internationalen Vergleich gesehen sehr hohe Tierschutzstandards. Österreich wird weiterhin im Rahmen der europäischen Arbeitsgruppen sowie in diversen Konferenzen und Workshops für den verbesserten Schutz von Nutztieren eintreten. Die Europäische Kommission wird Ende 2011 einen Neuen Tierschutzaktionsplan für den Zeitraum 2011 bis 2015 vorlegen. Die europäischen Mitgliedstaaten sind in die Erstellung des Aktionsplans im Rahmen eines Konsultationsverfahrens eingebunden; Österreich wird in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Verbesserung der Tierschutzstandards hinweisen und sich für dieses Ziel einsetzen.


Auch bei freiwilligen EU-weit einheitlich geregelten Kennzeichnungs- und Qualitätsthemen (biologische Lebensmittel, geschützte Ursprungsbezeichnungen, geografisch geschützte Angaben) arbeitet mein Ressort zusammen und in Abstimmung mit den betroffenen Verkehrskreisen in Österreich kontinuierlich an Verbesserungen im Sinne der Konsumenten/innen ebenso wie der österreichischen Erzeuger/inne/n. Ich unterstütze hier beispielsweise auch die Arbeiten hinsichtlich eines EU-weit einheitlichen „Animal Welfare-Labels“.