7290/AB XXIV. GP

Eingelangt am 14.03.2011
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

 
Anfragebeantwortung

 

 

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0002-I 3/2011

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                         Wien, am 11. MRZ. 2011

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen

und Kollegen vom 14. Jänner 2011, Nr. 7376/J, betreffend Beendigung

der tierquälerischen Haltung von Schweinen

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen vom 14. Jänner 2011, Nr. 7376/J, teile ich Folgendes mit:

 

Zu den Fragen 1 bis 3:

 

Die österreichische Rechtslage steht im Einklang mit der europäischen Rechtslage. Die Formulierungen der relevanten EU-Rechtsnormen (RL 98/58/EG und RL 2008/120/EG) und jene des österreichischen Tierschutzgesetzes (TschG, BGBl. I Nr. 118/2004 idgF) sowie Anlage 5 der 1. Tierhaltungsverordnung (THVO, BGBl. II Nr. 485/2004 idgF.) sind zum Teil wortident, sodass keine Begründung für eine unterschiedliche Auslegung zu anderen europäischen Ländern besteht. In der RL 2008/120/EG über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen ist in Artikel 7 bestimmt, dass auf Grundlage einer Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von der Kommission dem Rat ein Bericht bis 1.1.2008 vorzulegen war. Dieser hatte unter anderem unter Abs 2 f) dem Aspekt „Weiterentwicklungen von Systemen der Offenstallhaltung von trächtigen und säugenden Sauen, die den Bedürfnissen dieser Tiere gerecht werden, ohne die Überlebenschancen der Ferkel zu beeinträchtigen“ Rechnung zu tragen. Der vorgelegte Bericht hat der EK und dem
Rat keinen Anlass zur Änderung der RL 2008/120/EG gegeben. Es ist daher nach wie vor davon auszugehen, dass diese Vorgabe dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht.

 

Die THVO steht nicht in Widerspruch zu den Regelungen des Tierschutzgesetzes, sieht doch dessen § 24 ausdrücklich die Bedachtnahme auf den „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ und die „ökonomische Auswirkungen“ vor. Zieht man zudem das in § 1 TschG verankerte Ziel des Schutzes des Lebens der Tiere und den Umstand in Betracht, dass durch die Haltung von Sauen im Ferkelschutzkorb zwar die Bewegungsfreiheit der Sau vorübergehend eingeschränkt, gleichzeitig aber den Ferkeln wirksamer Schutz vor dem Erdrücken durch die eigene Mutter gewährt wird, wird das weiter bekräftigt.

 

Die Weiterentwicklung der Haltungseinrichtungen für die Schweinezucht ist dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) ein wichtiges Anliegen. Im Auftrag des BMLFUW werden daher immer wieder Forschungsprojekte durchgeführt, die Aufstallungssysteme dahingehend prüfen, ob sie sowohl den Bedürfnissen der Ferkel als auch denen der Muttersau Rechnung tragen (siehe dazu die Ausführungen zu den Fragen 5 und 6).

 

Das BMLFUW wird daher auch weiterhin entsprechende Fachexpertisen im Hinblick auf die in § 24 TschG bei der Festlegung von Mindestanforderungen für die Haltung gebotene Bedachtnahme auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die ökonomischen Auswirkungen veranlassen.

 

Die Vertreter der österreichischen Schweinebranche (VÖS) haben mit der Landwirtschaftskammer Österreich die Einrichtung einer Expertenrunde mit nationalen und internationalen Fachleuten, Branchenvertretern, Tierschützern und Rechtsexperten angeregt.

 


 

Zu Frage 4:

 

Es wird darauf hingewiesen, dass die Behauptung, dass Kastenstände in Großbritannien verboten wären, nicht der dortigen Gesetzeslage und damit nicht den Tatsachen entspricht.

Strengere nationale Regelungen im Alleingang dürfen nicht zum Export von Tierleid führen. Die Anforderungen und damit Kosten in Österreich dürfen sich zum Beispiel nicht so stark von jenen in anderen Staaten abheben, dass der österreichische Konsument dann zum billigeren Lebensmittel greift, ohne nach Herkunft und Produktionsweise zu fragen. Es fände nur ein Austausch der heimischen Erzeuger durch Erzeuger in anderen Mitgliedstaaten statt. Verbesserungen der Tierschutzstandards müssen daher auf europäischer Ebene nach dem aktuellen Stand des Wissens stattfinden.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

 

Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und des BMLFUW wurde ein Forschungsprojekt mit dem Titel: „Beurteilung von serienmäßig hergestellten Abferkelbuchten in Bezug auf Verhalten, Gesundheit und biologische Leistung der Tiere sowie im Hinblick auf Arbeitszeitbedarf und Rechtskonformität“ in den Jahren 2005 bis 2008 von namhaften Experten der Veterinärmedizinischen Universität und der Universität für Bodenkultur durchgeführt. Der erstellte Forschungsbericht umfasst sämtliche tierschutzrechtliche, arbeitswirtschaftliche und ökonomische Aspekte im Vergleich verschiedener Abferkelsysteme. Aus dieser Studie geht klar hervor, dass ein Kompromiss zwischen Sauen- und Ferkelschutz zu treffen ist, und dass während der gesamten Säugeperiode der Ferkelschutz in den Vordergrund zu stellen ist. Die Studie zeigt, dass in der freien Abferkelung im Durchschnitt 1,5 bis 2 Ferkel je Sau und Jahr mehr durch die eigene Muttersau erdrückt werden als in Systemen mit Ferkelschutzkörben. Dies würde auf Basis von Berechnungen der Studie bedeuten, dass in Österreich bei der Umsetzung des vorliegenden Entwurfes ca. 500.000 Ferkel durch Erdrücken zu Tode kommen würden. Ähnliche Berechnungen liegen aus Deutschland vor. Untersuchungen von Lücker/Haus Düsse bestätigen zum Beispiel, dass die Haltung von Muttersauen im Ferkelschutzkorb Ferkelverluste deutlich mindert. Die Todesangst und die Qualen der betroffenen Ferkel beim Erdrückt werden durch die eigene Muttersau sind jedenfalls stärker zu bewerten als die vorübergehende Bewegungseinschränkung der Muttersau, so die wissenschaftlichen Erkenntnisse.


 

Wie in § 24 Abs. 1 TschG festgelegt, müssen Weiterentwicklungen im Tierschutz „unter Bedachtnahme auf den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die ökonomischen Auswirkungen“ erfolgen. Die Einrichtung einer Expertenrunde mit nationalen und internationalen Fachleuten, Branchenvertretern, Tierschützern und Rechtsexperten wird seitens des BMLFUW als sinnvoll erachtet und unterstützt. Um zukunftsweisende Lösungen zu finden, bedarf es aber auch der Erfahrungen und Erkenntnisse anderer Produktionsländer. Dies kann nur gemeinschaftlich auf europäischer Ebene erfolgen

 

Der Bundesminister: