7411/AB XXIV. GP

Eingelangt am 24.03.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0020-Pr 1/2011

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 7497/J-NR/2011

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Genossinnen und Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Unverhältnismäßige und existenzvernichtende Kostenexplosion im Tierschützerverfahren“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 3:

Anknüpfend an die Beantwortung der Frage 1 der schriftlichen Anfrage zur Zahl 1925/J-NR/2009 vom 30. Juni 2009 ist zu berichten, dass bis zur Einbringung des Nachtragsstrafantrages am 1. Februar 2010 bzw. im nach wie vor anhängigen Ermittlungsverfahren weitere Kosten für Sachverständige in Höhe von 19.271,08 Euro, Dolmetschgebühren in Höhe von 263,60 Euro, Gebühren für eine Telefonüberwachung von 102,84 Euro sowie sonstige Kosten in Höhe von 925,96 Euro anfielen. Eine einigermaßen seriöse Einschätzung  wäre nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich, weil die in der Causa tätig gewordenen Justizbediensteten nicht ausschließlich in der Causa „Tieraktivisten“ tätig waren bzw. sind und daher auch eine exakte Zuordnung der von diesen Beamten und Vertragsbediensteten in der anfragegegenständlichen Causa erbrachten Leistungen mit vertretbarem Aufwand nicht erhoben werden kann.

Zu 4:

Neben dem zuständigen Staatsanwalt, den im Vorverfahren und in den Beschwerdeverfahren tätigen Richtern und der Richterin des Hauptverfahrens wurden auch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und die Abteilungen meines Hauses im Bereich der Fach- und Dienstaufsicht tätig; dazu kommen Beamte und Vertragsbedienstete aus dem Kanzleibereich und aus dem Schreibdienst.

Die im kriminalpolizeilichen Bereich einschreitende „SOKO Bekleidung“ setzte sich nach den mir vorliegenden Informationen durchgehend aus rund fünf Personen zusammen. Wie viele weitere Polizeibeamte mit Ermittlungen betraut waren, ist mir nicht bekannt.

Zu 5:

Zunächst erlaube ich mir, auf die Beantwortung der Fragepunkte 3 bis 5 der schriftlichen Anfrage zur Zahl 1925/J-NR/2009 zu verweisen. Darüber hinaus wurde im noch anhängigen Ermittlungsverfahren am 5. Oktober 2009 die Erteilung einer Auskunft über Verkehrsdaten, Zugangsdaten und Standortdaten einer beschuldigten Person angeordnet. Dafür fielen Gebühren in Höhe von 102,84 Euro an.

Zu 6:

Ergänzend zur Beantwortung der Frage 2 der schriftlichen Anfrage zur Zl. 1925/J-NR/2009 am 30. Juni 2009 sind noch zwei weitere Gutachten über molekulargenetische Untersuchungen anzuführen, deren Kosten mit 765,48 Euro bestimmt wurden.

Zu 7 und 8:

Diesbezüglich kann ich zur Gänze auf die Beantwortung der Fragepunkte 6 bis 9 der schriftlichen Anfrage zur Zl. 1925/J-NR/2009 verweisen. Nach diesem Zeitpunkt wurden keine derartigen Maßnahmen mehr angeordnet.

Zu 9:

Laut dem mir vorliegenden Bericht betrugen die Kosten für zwei vom gerichtlichen Sachverständigen für forensische Linguistik über Auftrag der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt erstellte Gutachten insgesamt 34.528 Euro.


Zu 10:

Nach den mir vorliegenden Informationen wurde die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt erstmalig zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2007 von der Leitung der „SOKO Bekleidung“ im Rahmen einer Besprechung vom Einsatz einer verdeckten Ermittlerin (ohne Bekanntgabe ihrer Identität) zum Zwecke der Gefahrenabwehr nach dem Sicherheitspolizeigesetz informiert. Weitere verdeckte Ermittler waren laut Auskunft der Kriminalpolizei nicht eingesetzt. Zum Zwecke der Informationsgewinnung im Bereich militanter Tieraktivisten bzw. zur Aufklärung von schweren Sachbeschädigungen zum Nachteil der Firma Kleider Bauer bediente sich die Kriminalpolizei nach dem mir vorliegenden Bericht zwischen 8. Mai 2007 und 2. November 2007 einer der Tierrechtsszene zuzuordnenden Vertrauensperson. Die hiefür aufgelaufenen Kosten sind dem Bundesministerium für Justiz nicht bekannt. Der Einsatz weiterer Vertrauenspersonen ist der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt nicht bekannt.

Zu 11:

§ 393a StPO sieht für den Fall, dass ein Angeklagter freigesprochen wurde, eine Verpflichtung des Bundes vor, diesem einen Beitrag zu den Kosten seiner Verteidigung zu erstatten.

Dieser Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Angeklagten auch tatsächlich geleisteten Barauslagen (z.B. Kosten für Aktenkopien oder Fahrtkosten) und einen Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung, es sei denn, der Angeklagte hat zufolge Wirksamkeit der Bestimmung des § 61 Abs. 2 StPO (Verfahrenshilfeverteidiger) die Verteidigungskosten nicht zu tragen.

Im Falle einer ungerechtfertigten Haft, also wenn jemand wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung festgenommen oder in Haft gehalten und in der Folge durch ein inländisches Strafgericht in Ansehung dieser Handlung freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt wurde, gebührt ein Ersatzanspruch nach dem StEG 2005, wobei sich der Gegenstand und der Umfang des Ersatzes nach den Bestimmungen des ABGB richten.

Der Ersatzanspruch wegen des Entzugs der persönlichen Freiheit umfasst auch eine angemessene Entschädigung für die durch die Festnahme oder die Anhaltung erlittene Beeinträchtigung.

Zu 12:

In der Causa BUWOG wurden bisher über 50 Beschuldigteneinvernahmen durchgeführt, rund 100 Zeugen einvernommen, Hausdurchsuchungen an rund 30 Standorten in Österreich und im Ausland vollzogen, 40 Bankkonten geöffnet und zahlreiche Telefongespräche überwacht.

In der Causa Hypo-Alpe-Adria wurden bisher 95 Anordnungen gemäß § 116 StPO bewilligt. 18 Durchsuchungen von Räumlichkeiten, zwei Festnahmen, eine Observation und fünf Sicherstellungen wurden durchgeführt. Zehn Anordnungen auf Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung sowie Überwachung von Nachrichten wurden bewilligt und weitere 27 Ermittlungsanordnungen erteilt. Rund 200 Zeugeneinvernahmen (teils mehrtägig) und rund 100 Beschuldigteneinvernahmen (ebenfalls teils mehrtägig) wurden durchgeführt, zahlreiche Rechtshilfeersuchen an mehrere Länder gerichtet und eine gemeinsame Ermittlungsgruppe gemäß Art. 13 des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit der Staatsanwaltschaft München I gebildet.

Zu 13:

Nach den mir vorliegenden Berichten ist das Ermittlungsverfahren BUWOG seit Oktober 2009 bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängig. Das Ermittlungsverfahren in der Causa Hypo-Alpe-Adria wurde von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt am 10. Dezember 2009 eingeleitet.

Zu 14:

Wie bereits zu den Fragepunkten 1 bis 3 ausgeführt, wäre eine einigermaßen seriöse Einschätzung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich. Im Fall BUWOG stehen wegen der noch nicht abgeschlossenen Sachverständigengutachten derzeit noch nicht einmal diese Kosten fest.

In der Causa Hypo-Alpe-Adria belaufen sich die Kosten für Telefonüberwachungs­maßnahmen derzeit auf rund 33.000 Euro; an die vier bestellten Sachverständigen wurden bisher knapp 380.000 Euro ausbezahlt. Im Zusammenhang mit Kontoöffnungen und Hausdurchsuchungen sind Scan- und Kopierkosten in Höhe von rund 16.000 Euro angefallen.

Zu 15:

In der Causa BUWOG sind derzeit zwei Staatsanwälte mit den Ermittlungen betraut. Hinzu kommen zahlreiche Hilfskräfte (Kanzlei, Zusteller, Kopier- und Medienstelle).

Im Verfahren Hypo-Alpe-Adria sind derzeit vier Staatsanwälte, eine Bankexpertin und insgesamt vier Mitarbeiter in der Geschäftsstelle tätig.


Zu 16:

Der Straftatbestand der Kriminellen Organisation (§ 278a StGB) wurde mit der Strafgesetznovelle 1993 eingeführt. Abs. 1 bestrafte die Gründung einer kriminellen Organisation und die Beteiligung als Mitglied an einer solchen Organisation, während Abs. 2 die Geldwäscherei in Ansehung von Bestandteilen des Vermögens einer kriminellen Organisation, mithin einen Sonderfall der Geldwäscherei iSd § 165 StGB pönalisierte. Das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 schränkte den Anwendungsbereich des § 278a StGB dahingehend ein, dass schon im Gesetzestext die essentiellen Merkmale einer kriminellen Organisation normiert werden und verdeutlichte damit das qualifiziert Eigenständige einer derartigen Organisation. Das Strafrechtsänderungsgesetz 2002 nahm die bis dahin in § 278a Abs. 2 StGB normierte Regelung zur organisationsbezogenen Geldwäscherei heraus und integrierte diese in § 165 StGB.

Abschließend weise ich den Vorwurf der missbräuchlichen Anwendung des § 278a StGB durch die Strafverfolgungsbehörden mit aller Entschiedenheit zurück. Die höchstgerichtliche Kontrolle hat im Zusammenhang mit § 278a StGB bislang keine missbräuchliche Anwendung erkennen lassen.

Zu 17:

Als Bundesministerin für Justiz trete ich für ein offenes und sachliches Diskussionsklima ein, weshalb ich meine Aufgabe nicht darin sehe, Vorwürfe zu unterbinden. Ich habe bereits mit den Vorschlägen zur Erhöhung der Transparenz von Entscheidungen der Justiz im Rahmen des Strafrechtlichen Kompetenzpakets dafür Sorge getragen, dass sich die Öffentlichkeit verstärkt mit den Begründungen des Vorgehens von Staatsanwaltschaften und Gerichten auseinandersetzen kann. Ich denke, dass sich die Staatsanwaltschaften und Gerichte der Verpflichtung zur objektiven Wahrheitsforschung ungeachtet des Ansehens der betroffenen Personen sehr wohl bewusst sind, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass Verfahren durch die Staatsanwaltschaften 2010 gegen 257.903, die Landesgerichte gegen 37.739 und die Bezirksgerichte gegen 37.949 Personen erledigt wurden; schon diese Zahlen belegen eine effiziente und gleichmäßige Strafverfolgung.

. März 2011

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)