748/AB XXIV. GP
Eingelangt am 20.03.2009
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

Frau
Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMGFJ-11001/0013-I/5/2009
Wien, am 18. März 2009
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 658/J der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Fragen 1 bis 4:
Angelegenheiten der Heil- und Pflegeanstalten liegen in der Kompetenz der Länder, auch im Hinblick auf den niedergelassenen Bereich. Die Geltendmachung von Behandlungsfehlern im Klagsweg bei Gericht fällt in die Zuständigkeit des BMJ. Soweit der Schlichtungsweg bei den Patientenanwaltschaften beschritten werden soll, liegt die alleinige Zuständigkeit bei den Ländern. Eine inhaltliche Beantwortung der Fragen 1. bis 4. kann daher nicht erfolgen.
Offizielle Daten liegen für Österreich nicht vor. Experten im Gesundheitswesen (s. z.B. Gutachten für den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger[1],) haben Daten von Studien aus anderen Ländern hochgerechnet.
Es liegt im Ermessen der Patientinnen und Patienten, an wen sie sich bei (vermuteten) Behandlungsfehlern wenden. Bei Eintritt eines Schadensfalls können außergerichtliche Verhandlungen mit der Haftpflichtversicherung der Krankenanstalt oder des niedergelassenen Arztes aufgenommen werden oder man kann sich an die durch Landesgesetze eingerichteten Patientenvertretungen oder an die Schiedsstellen der Ärztekammern (evtl. Zahnärztekammern) in den einzelnen Bundesländern wenden. Natürlich bleibt es den Patientinnen und Patienten auch unbenommen, den gerichtlichen Klageweg (Zivilgericht oder Anzeige bei der Staatsanwaltschaft) zu beschreiten.
Frage 5:
Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmale eines Produktes, eines Prozesses oder einer Dienstleistung, die sie zur Erfüllung vorgegebener Erfordernisse geeignet macht. Aus dieser Definition lässt sich eine Möglichkeit zur Verbesserung der Versorgungsqualität durch eine stärkere PatientInnenorientierung ableiten.
Die zentralen Anliegen im Zusammenhang mit Qualität sind die Optimierung von Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität.
Verbesserungspotential liegt vor allem in einer stärkeren Integration der Behandlungskette (prozessorientierter Ansatz); das heißt die richtige Behandlung soll am richtigen Ort erbracht werden. Ein solch umfassender Qualitätsansatz umfasst in erster Linie auch die Sicht des Patienten/der Patientin (Patientenzufriedenheit) und vermehrte Transparenz über die Behandlungspfade.
Unter der Prämisse, dass viele Fehler durch organisatorische Maßnahmen im Rahmen eines bewussten Umgangs mit Fehlern vermieden werden können, ist davon auszugehen, dass sich konsequente Maßnahmen zur Einführung einer Sicherheitskultur sehr rasch als effizient erweisen.
So schlägt zum Beispiel die WHO vor, sich auf folgende „Patient Safety Solutions“ zu konzentrieren:
- Mehr Sicherheit bei gefährlichen Medikamenten
- Korrekte Patientenidentifikation
- Verbesserte Kommunikation bei Dienstübergaben
- Verhinderung von Seitenverwechslungen bei Operationen
- Management hochkonzentrierter Infusionslösungen
- Medikationssicherheit an Schnittstellen
- Vermeidung von Katheter- und Schlauchfehlverbindungen
- Einmalgebrauch von Injektionsbesteck
- Vermindertes Risiko für nosokomiale Infektionen
In einer Studie in Großbritannien „Adverse Events in British Hospitals“ [2]wurden bei einer Prävalenz von 10,8 % medizinischer Fehler 48% als vermeidbar eingeschätzt.
Frage 6:
Das Bundesministerium für Gesundheit hat in den letzten Jahren Maßnahmen vermehrt in Bereichen gesetzt, wo das Risiko von unerwünschten Ereignissen am größten ist: das sind die krankenhaushygienischen Bereiche und der Umgang mit Medikamenten inklusive des kritischen Einsatzes von Arzneimitteln.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit wurden unter freiwilliger Beteiligung von interessierten Krankenanstalten Projekte zum Thema Patientensicherheit durchgeführt, in deren Rahmen für Krankenhäuser praktikable Modelle zu deren Umsetzung erarbeitet wurden.
Bei der Auswahl dieser Projekte handelt es sich um solche, bei denen die Minimierung von Risiken im Vordergrund stand, insbesondere auch die Vermeidung von Wahrscheinlichkeiten des Eintretens schwerer Risiken.
Eine Initiative in diesem Zusammenhang war ein Fehlermanagement-Projekt, das sich mit der Etablierung einer Sicherheitskultur in Gesundheitseinrichtungen befasste. Das Ziel dabei ist eine neue Kultur im Umgang mit Fehlern in der stationären Patientinnen- und Patientenversorgung, wobei ein systemischer Ansatz verfolgt werden soll. Das Projekt „Fehlermanagement“ befasste sich mit dem wesentlichen Element der Kultur der Sicherheit in den Institutionen und dem Umfeld der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Ziel ist dabei die Etablierung einer neuen Kultur im Umgang mit Fehlern in der stationären Patientinnen- und Patientenversorgung - unter Berücksichtigung eines systemischen Ansatzes.
Das Projekt hat Möglichkeiten zur Verbesserung der „Fehlerkultur“ in Krankenanstalten aufgezeigt. In den sich am Projekt freiwillig beteiligenden Krankenanstalten fanden Trainings in „Systemischem Fehlermanagement und Fehlerkultur im Krankenhaus“ statt.
Des Weiteren wurde ein Pilotprojekt zur Vermeidung und Überwachung von Medication Errors durchgeführt.
Beim Projekt zur Vermeidung und Überwachung von
Medikationsfehlern handelt es sich um einen systemischen Ansatz
zur Selbsteinschätzung der Medikationspraxis in der Organisationsstruktur
einer Krankenanstalt und basiert auf einem validen, vom Institute for Safe
Medication Practices (USA) entwickelten Fragebogen.
Dieser ist so konzipiert, dass die Organisationsstruktur und die Abläufe
der Medikationspraxis (Verordnung, Verschreibung, Verteilung, Ausgabe und
Administration von Medikamenten) in den Fragestellungen abgedeckt werden. Die
Fragen werden entsprechend den Kategorien zehn Schlüsselelementen
zugeordnet (wie Patient/inn/eninformation, Arzneimittelinformation,
Medikamentenkennzeichnung, Medikamentenverordnung, Mitarbeiter/innenkompetenz,
Patient/inn/enschulung u.a.m.).
Im Verantwortungsbereich des BMG wurden (die oben genannten Projekte inkludierend) in den letzten Jahren folgende Projekte durchgeführt:
· Projekte zur Vermeidung und Überwachung von Medication Errors basierend auf dem MEDSAFE-Modell
· Kultur der Sicherheit (Culture of Safety): Fehlermanagement und Fehlerkultur – Machbarkeitsstudie
· Patientensicherheit in Österreich – Analyse Fehlerkultur
· Kultur der Sicherheit: Fehlermanagement und Fehlerkultur – Implementierung
· Multidimensionale Evaluation des Trainingsprogrammes für interprofessionelles und systemisches Fehlermanagement im Krankenhaus
Außerdem gibt es Initiativen auf Trägerebene, als Beispiele werden genannt:
· Einführung des CIRS - Critical Incident Reporting System – im Bereich des Wiener Krankenanstaltenverbundes mit dem Ziel einer systematischen Identifikation, Bewertung und Minderung von Risiken in Krankenhäusern mit Hilfe eines EDV-gestützten anonymen Fehlerberichtssystems
·
AUEL (Aus unerwarteten Ereignissen lernen) – LKH Deutschlandsberg
AUEL ist Modellprojekt an der Interdisziplinären Intensivstation am LKH
Deutschlandsberg. Ziel ist eine Risikominimierung in der Intensivmedizin durch
Vermeidung unerwünschter Ereignisse sowie eine Verbesserung der internen
Qualitätssicherung.
· Fehlermanagement 'CIRPS' (Critical Incident Reporting & Prevention System) wird derzeit bei der AUVA eingeführt, im Februar 2009 teilnehmende Spitäler sind das UKH Graz, UKH Kalwang, UKH Lorenz Böhler und UKH Salzburg, zwei weitere sollen noch heuer folgen.
Frage 7:
Bei den unter Punkt 6 im Verantwortungsbereich des Bundes durchgeführten Studien handelt es sich nicht um Förderungen, sondern um vom BMG initiierte Projekte auf Werkvertragsbasis.
·
Projekte zur Vermeidung und Überwachung von Medication
Errors basierend auf dem MEDSAFE-Modell / Machbarkeitsstudie, Pilot
– Entwicklung eines Österreichischen Modells, Implementierung
MEDSAFE:
€ 133.992,74
· Kultur der Sicherheit (Culture of Safety): Fehlermanagement und Fehlerkultur – Machbarkeitsstudie € 20.100,--
· Patientensicherheit in Österreich – Analyse Fehlerkultur € 14.835,--
· Kultur der Sicherheit: Fehlermanagement und Fehlerkultur – Implementierung € 79.970,--
· Multidimensionale Evaluation des Trainingsprogrammes für interprofessionelles und systemisches Fehlermanagement im Krankenhaus € 21.610,32
Frage 8:
Meinem Ressort liegen derzeit keine Förderansuchen für entsprechende Studien vor.
Frage 9:
Eine fixe Betragsgrenze für spezielle Themen ist nicht vorgesehen, Förderungen werden im Einzelfall entschieden.
Fragen 10 und 11:
Das aktuelle Regierungsprogramm sieht vor, dass das Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen als zentrale unabhängige Qualitätsagentur ausgebaut werden soll. Ein Qualitätsbericht soll erstellt, veröffentlicht und darauf aufbauend sollen messbare Qualitätsziele für sämtliche Versorgungssektoren formuliert werden. Zudem soll für Dienstleistungsanbieter aller Versorgungsebenen ein Qualitätsmanagement vorgesehen werden. Ergänzend dazu sollen Systeme der Qualitätskontrolle und der Fehlervermeidung (Fehlerberichtsysteme) eingerichtet werden. Die Umsetzung derartiger Maßnahmen kann nur in Zusammenarbeit mit allen wesentlichen Partnern im Gesundheitswesen erfolgen und liegt nicht in der alleinigen Kompetenz des BMG.
Auf internationaler Ebene ist mein Ressort in verschiedene Projekte der WHO, des Europarates und der EK eingebunden. Vorrangig wäre hier EUNetPAS zu erwähnen, ein europäisches Netzwerk für Patientensicherheit, das zum Ziel hat, länderübergreifend Modelle für Sicherheitskultur, Medikationssicherheit, Melde- und Lernsysteme und für die Ausbildung in Patientensicherheit zu entwickeln.
Frage 12:
Diese Frage kann nicht beantwortet werden, da solche Maßnahmen in den verschiedensten Bereichen des Gesundheitswesens aufgegriffen werden (z.B Verbesserung der Qualitätsarbeit, Ausbildung von Gesundheitsberufen, Produktsicherheit, rechtzeitiges Erkennen des Auftretens von Epidemien…).
Mit freundlichen Grüßen
Alois Stöger diplômé
Bundesminister