7723/AB XXIV. GP

Eingelangt am 29.04.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0061-Pr 1/2011

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 7820/J-NR/2011

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Sexuelle Gewalt: Vergewaltigungen in Österreich – Gerichtsverfahren 2010“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 3 bis 14:

Meine Amtsvorgängerin hat aus Anlass dieser Anfrage umfangreiche Auswertungen aus den elektronischen Registern der Justiz („Verfahrensautomation Justiz“ (VJ)) vornehmen lassen. Auswertungen zum Anfall erfolgten – wie stets – fallbezogen, Auswertungen zu Erledigungen personenbezogen.

Die Rechtskraft von Verurteilungen (Frage 9, 11, 14) wird in der VJ nicht erfasst. Die Gerichtliche Kriminalstatistik der Statistik Austria, die auf die Rechtskraft von Urteilen abstellt, liegt für das Jahr 2010 noch nicht vor.

Im Übrigen verweise ich auf die der Anfrage angeschlossenen Tabellen.


Zu 2:

Die Namen der Opfer werden zwar in der VJ elektronisch erfasst, nicht jedoch deren Geschlecht, sodass eine Auswertung mit vertretbaren Mitteln nicht möglich ist. Das Bundesministerium für Justiz ist im Rahmen des Projektes der Verbesserung der Datengrundlagen bestrebt, in Zukunft sowohl Geschlecht als auch Alter von Opfern strukturiert zu erfassen.

Zu 15:

Daten über eingestellte Verfahren, die später wieder aufgenommen wurden, liegen mir dazu nicht vor.

Zu 16:

Aus den Daten der VJ lässt sich eine Rückfallsquote nicht errechnen, weil Verurteilungen derselben Person aus verschiedenen Jahren nicht in den elektronischen Registern, sondern erst bei der Eintragung im Strafregister „zusammengeführt“ werden.

Die Gerichtliche Kriminalstatistik (GKS) der Statistik Austria enthält eine Wiederverurteilungsstatistik. Aus der GKS 2008 ist zu entnehmen, dass rechtskräftig Verurteilte sowie aus Haft bzw. Maßnahmenvollzug entlassene Personen des „Jahrganges“ 2004, deren „Ausgangsverurteilung“ wegen einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität erfolgte, in den Jahren 2004 bis 2008 in 24 Fällen abermals wegen eines Deliktes gegen die sexuelle Integrität verurteilt wurden. Die GKS 2009 wirft für den „Jahrgang“ 2005 insgesamt 33 rückfällige Sexualstraftäter bis zum Jahre 2009 aus.

Die GKS 2010 liegt – wie gesagt – noch nicht vor. Wie hoch die Rückfallsquote der im Jahr 2009 bzw. 2010 verurteilten Personen war, lässt sich den vorhandenen Daten nicht entnehmen.

Zu 17:

Daten zu Schadenersatzprozessen auf Grund von fehlerhaften psychiatrischen Gutachten über Beschuldigte liegen mir nicht vor.

Zu 18:

Im Jahr 2009 wurden 407 Personen wegen Verleumdung rechtskräftig verurteilt. Welcher strafbaren Handlungen die jeweiligen Opfer falsch verdächtigt wurden, kann nicht ausgewertet werden.


Zu 19:

Insgesamt wurden in den Jahren 2009 und 2010 drei Verfahren wiederaufgenommen, in denen jemand wegen §§ 201f StGB verurteilt wurde. Ein Verfahren mit zwei Beschuldigten (ein Mann und eine Frau) wurde eingestellt, zwei weitere Verfahren mit jeweils einem männlichen Beschuldigten sind noch offen. Freisprüche ergingen bisher keine.

Zu 20:

Die Staatsanwaltschaften haben im Wesentlichen über folgende Wahrnehmungen berichtet:

Problematisch bei der Aufklärung und Aufarbeitung von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung ist die oft schwierige Beweislage. In vielen Fällen ist das Opfer auch zugleich der einzige Zeuge der Tat. Objektivierbare Beweisergebnisse sind meist nicht vorhanden. Im Verfahren steht damit häufig „Aussage gegen Aussage“. Dazu kommt, dass Opfer nach ihrer kontradiktorischen Zeugenvernehmung (§ 165 StPO) meist von ihrem Recht auf Aussagebefreiung (§ 156 Abs. 1 Z 2 StPO) Gebrauch machen und insofern nicht mehr zu sich erst im Zuge der Hauptverhandlung ergebenden Gesichtspunkten bzw. zu einer geänderten Verantwortung des Angeklagten in der Verhandlung als Zeuge befragt werden können. Im Übrigen ist auch zu beachten, dass in jenen (häufigen) Fällen, in denen zwischen dem Beschuldigten und dem Opfer ein Angehörigenverhältnis (§ 72 StGB) besteht, dem Opfer (Zeugen) ein Recht auf Aussagebefreiung  (§ 156 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StPO) zukommt. Insbesondere auch in Fällen, in denen die angezeigten bzw. angeklagten Taten Jahre zurückliegen (vgl. Verlängerung der Verjährungsfrist § 58 Abs. 3 Z 3 StGB), ist die Beweislage oft sehr schwach.

Zu 21:

Der im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz vom Weissen Ring betriebene Opfer-Notruf unter der Telefon-Nummer 0800 112 112 gewährleistet, dass Opfer von Straftaten rasch und unbürokratisch kostenfreie kompetente Beratung erhalten können (s. auch www.opfernotruf.at). Der Opfernotruf ist rund um die Uhr erreichbar und kann damit auch in Krisensituationen Unterstützung bei der Planung der nächsten Schritte bieten.

Entschließt sich das Opfer eines Sexualdeliktes zur Anzeige, besteht die Möglichkeit auf kostenfreie psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, um seine Stellung im Strafverfahren – insbesondere im Hinblick auf die emotionale Belastung – zu stärken (§ 66 Abs. 2 StPO). Diese umfasst die Vorbereitung des Opfers auf das Strafverfahren und die damit verbundenen emotionalen Belastungen sowie die Begleitung zu (kriminalpolizeilichen) Vernehmungen während des Verfahrens und die rechtliche Beratung und Vertretung durch eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt. Im Interesse der reibungsfreien Anwendung in der Praxis ist das Bundesministerium für Justiz ermächtigt, bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen vertraglich zu beauftragen, nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen Prozessbegleitung zu gewähren.

Personen, die durch die vom Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnten, haben darüber hinaus das Recht auf schonende Vernehmung  (§§ 165 Abs. 3 und 4, 250 Abs. 3 StPO). Dadurch wird der besonderen Lage von Opfern von sexueller Gewalt Rechnung getragen und gleichzeitig gewährleistet, dass das erkennende Gericht dennoch einen unmittelbaren Eindruck von dem zugefügten Leid erhält, wodurch auch eine opfergerechte Sanktionierung unterstützt werden kann. Prozessbegleitung gewährleistet auch in dieser Situation, dass die unter besonderem psychischem Druck stehenden Opfer von sexueller Gewalt mit Anerkennung und Würde behandelt werden sowie Unterstützung erhalten, um den Belastungen eines Strafverfahrens besser gewachsen zu sein.

Zu 22:

In meinem Ressort wird kontinuierlich überprüft, ob die bestehenden Bestimmungen gegen sexuelle Gewalt eine wirksame Strafverfolgung gewährleisten. Um den Schutz Minderjähriger vor Sexualdelikten weiter auszubauen, habe ich im Dezember 2010 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches in Begutachtung geschickt, welcher u.a. die Ausweitung der extraterritorialen Gerichtsbarkeit bei Sexualdelikten an Minderjährigen und die Strafbarkeit der Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen (sog. Grooming) vorsieht. Zurzeit wird die Einbringung einer Regierungsvorlage vorbereitet.

. April 2011

 

(Dr. Beatrix Karl)

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfragebeantwortung gescannt) zur Verfügung.