7900/AB XXIV. GP

Eingelangt am 17.05.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0079-Pr 1/2011

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 7956/J-NR/2011

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen haben an meine Amtsvorgängerin eine schriftliche Anfrage betreffend „Einflussnahme des Justizministeriums auf einen Strafprozess gegen Lebensschützer“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:


Zu 1:

Die Vorlage des Fortführungsantrages vom 12. Mai 2009 an das damals zuständige Oberlandesgericht Graz unterblieb, weil die Staatsanwaltschaft Graz das Ermittlungsverfahren – auf Anregung der Oberstaatsanwaltschaft Graz vom 25. Mai 2009 – ohnehin fortgeführt hat, womit gemäß § 195 Abs. 3 StPO die Verpflichtung zur Vorlage des Aktes samt Stellungnahme entfiel.

Zu 2:

In diesem unmittelbaren Zusammenhang gab es weder eine Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Graz noch des Bundesministeriums für Justiz. Der Erlass der Oberstaatsanwaltschaft Graz vom 25. Mai 2009 enthielt lediglich eine Anregung, die formlose Fortführung des Verfahrens nach § 193 Abs. 2 Z 1 StPO zu prüfen, um durch ein Ermittlungsverfahren die Grundlage der von der Staatsanwaltschaft Graz vorgenommenen Interessensabwägung zu verbreitern.

Zu 3:

Da bloße Anregungen der Oberstaatsanwaltschaft nicht in den Ermittlungsakt aufzunehmen sind, wurde darüber lediglich ein kurzer Amtsvermerk im Anordnungs- und Bewilligungsbogen verfasst.

Zu 4 und 5:

Die erstmalige Vorlage der Ermittlungsakten an das Bundesministerium für Justiz erfolgte mit dem Bericht der Oberstaatsanwaltschaft Graz vom 26. April 2010 und gründete sich auf die §§ 8 Abs. 1 und 8a Abs. 2 StAG, weil in dieser Causa noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen waren.

Zu 6:

Zunächst verweise ich auf die bereits erwähnte Anregung auf formlose Fortführung des Verfahrens mit Erlass der Oberstaatsanwaltschaft Graz vom 25. Mai 2009. Nach den mir vorliegenden Berichten hat die Oberstaatsanwaltschaft Graz mit weiterem Erlass vom 27. November 2009 die Staatsanwaltschaft Graz unter Bezugnahme auf § 29 Abs. 1 StAG ersucht, von der beabsichtigten Einstellung des Ermittlungsverfahrens Abstand zu nehmen und weitere Ermittlungen in die Wege zu leiten. Da der von der Staatsanwaltschaft Graz mit Bericht vom 6. April 2010 vorgelegte Entwurf des in Aussicht genommenen Strafantrages ergänzungs- bzw. korrekturbedürftig war, hat die Oberstaatsanwaltschaft Graz am 14. April 2010 eine formlose Besprechung abgehalten, an der die zuständigen Referenten der Oberstaatsanwaltschaft Graz sowie der Staatsanwaltschaft Graz teilnahmen und in die der Leiter der Staatsanwaltschaft Graz eingebunden war. Der überarbeitete Entwurf des Strafantrages wurde von der Oberstaatsanwaltschaft Graz mit Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Graz vom 21. April 2010 dem Bundesministerium für Justiz vorgelegt.

Nach Einlangen des Berichtes samt Ermittlungsakt im Bundesministerium für Justiz am 30. April 2010 waren die zuständige Sachbearbeiterin und der Leiter der für Einzelstrafsachen zuständigen Fachabteilung sowie der Leiter der Strafsektion mit der Bearbeitung des Aktes befasst bzw. in den internen Meinungsbildungsprozess eingebunden und wurde der Akt dem Kabinettschef referiert. Das Bundesministerium für Justiz hat das Vorhaben nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zustimmend zur Kenntnis genommen.

Zu 7:

In dem in der Anfrage genannten Zeitraum befanden sich die Ermittlungsakten insgesamt dreimal bei der Oberstaatsanwaltschaft Graz und für einen Zeitraum von rund neun Monaten im Bundesministerium für Justiz. Da eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, nahm der interne Meinungsbildungsprozess längere Zeit in Anspruch.

Zu 8:

Nach den mir vorliegenden Informationen nahm die Oberstaatsanwaltschaft Graz – insgesamt dreimal – auf das gegenständliche Verfahren Einfluss, und zwar mit der Anregung vom 25. Mai 2009, mit der Weisung vom 27. November 2009 sowie im Zuge der formlosen Besprechung vom 14. April 2010.

Zu 9 und 10:

Nach den mir vorliegenden Informationen stellt sich der weitere Gang des Verfahrens nach dem 22. September 2009 (Zustellung der von der Verteidigung begehrten Aktenabschrift) wie folgt dar:

Am 1. Oktober 2009 langte bei der Staatsanwaltschaft Graz der Abschlussbericht des SPK Graz und am 7. Oktober 2009 ein Schriftsatz der Verteidigung samt Urkunden ein. Am 17. November 2009 erstattete die Staatsanwaltschaft Graz einen Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft Graz. Nach der bereits erwähnten Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Graz vom 27. November 2009 wurde das Opfer am 25. Jänner 2010 ergänzend einvernommen. Mit Abschlussbericht vom 15. Februar 2010 berichtete das SPK Graz über die weitere Präsenz zweier Beschuldigter vor der Ordination des Opfers. Am 6. April 2010 legte die Staatsanwaltschaft Graz der Oberstaatsanwaltschaft Graz einen Vorhabensbericht samt Entwurf des Strafantrages vor. Nach der Besprechung vom 14. April 2010 über die Modifikation des Strafantrages erstattete die Staatsanwaltschaft Graz am 21. April 2010 neuerlich einen Vorhabensbericht.

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Anfragesteller davon ausgehen, dass Aktenbestandteile der Verteidigung „gezielt vorenthalten“ worden seien, zumal die Verteidigung auch nach Zustellung der Aktenabschrift am 22. September 2009 grundsätzlich jederzeit ergänzende Akteneinsicht hätte nehmen können. Eine amtswegige Zustellung aller nach einer erfolgten Akteneinsicht eingelangten Aktenbestandteile ist in der StPO nicht vorgesehen. Weiters ist nochmals darauf hinzuweisen, dass Berichte der Staatsanwaltschaft an die Oberstaatsanwaltschaft nicht in den Ermittlungsakt, sondern nur zum Tagebuch zu nehmen sind, das aber nicht der Akteneinsicht unterliegt.

Da es somit keine „Aktenstücke“ gibt, die der Verteidigung „gezielt vorenthalten“ wurden, wird von einer Wiedergabe ihres genauen Wortlautes abgesehen. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass sich die Gewährung von Einsicht in Strafakten und die Erteilung von Auskünften über deren Inhalt – insbesondere in einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren – an den einschlägigen Regelungen der StPO zu orientieren haben und daher nicht im Rahmen der Beantwortung von parlamentarischen Anfragen erfolgen können. Nach meinen Informationen ist der Zugang der Beschuldigten und ihrer Verteidigung zu den ihnen nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zustehenden Informationen gewährleistet.

Zu 11:

Nein.

Zu 12, 13, und 15:

Die Vorgangsweise der staatsanwaltschaftlichen Behörden richtet sich ausschließlich nach den gesetzlichen Vorgaben. Es gehört zum Selbstverständnis der Justiz, sich von niemandem beeinflussen zu lassen.

Zu 14:

In meinem Ressort ist man sich des aktuellen Meinungsstands zur dogmatischen Einordnung der Straflosigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs nach § 97 Abs. 1 Z 1 StGB bewusst.

. Mai 2011

 

(Dr. Beatrix Karl)