7959/AB XXIV. GP
Eingelangt am 20.05.2011
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

Alois Stöger
Bundesminister
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMG-11001/0117-II/A/9/2011
Wien, am 20. Mai 2011
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 8044/J des Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass vorhandene Studien über die Korrelation zwischen Stress und Schwangerschaftsabbrüchen keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen einem Schwangerschaftsabbruch und psychopathologischen Konsequenzen zeigen, weshalb die Existenz des „Post Abortion Syndroms (PAS)“ nicht immer eindeutig belegt werden kann.
Reaktionen auf einen Abort, vor allem im Hinblick auf die (individuell und sozial) unterschiedlichsten Rahmenbedingungen, sind derart komplex, sodass ein PAS als eigenes Krankheitsbild aus den vorliegenden Erfahrungen schulmedizinisch nicht diagnostizierbar ist. Es fehlen wissenschaftliche Belege für die Existenz eines "Post Abortion Syndroms", die in der Fachwelt als ausreichend angesehen werden
Fragen 1 bis 3:
Mein Ressort verfügt über keine statistischen Zahlen der an PAS leidenden Frauen, da sich weder in der ICD-10 Codierung noch im psychologisch-psychiatrischen Diagnoseschema ein eigener Code eines PAS findet. In der ICD-10 Codierung kann PAS allenfalls unter „F43.1 posttraumatische Belastungsstörung“ (PTSD) subsummiert werden. Auch der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und die österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe - ÖGGG verfügen dazu über keine Daten.
Frage 4:
Bei psychischen Problemen nach einem Abort können gynäkologische Fachabteilungen (Ambulanzen), niedergelassene Fachärzte/-ärztinnen mit entsprechender psychotherapeutischer Ausbildung (Gynäkolog/inn/en, Psychiater/innen etc.), Psychotherapeut/inn/en, Institutionen wie pro mente, psychotherapeutische Einrichtungen der Krankenversicherungsträger usw. aufgesucht werden. Beratende Maßnahmen zu Fragen des Schwangerschaftsabbruchs werden auch von den Familienberatungseinrichtungen und von den Frauengesundheitszentren österreichweit zur Verfügung gestellt.
Frage 5:
Grundsätzlich stehen die nach dem gesetzlichen Leistungsrecht erforderlichen Mittel für Krankenbehandlungen zur Verfügung. Darüber hinaus wurden von meinem Ressort u.a. folgende Organisationen und Vereine im Jahr 2010 gefördert:
· MAIZ (Autonomes Integrationszentrum für Migratinnen, Gesundheitsprävention für Sexarbeiterinnen): EUR 6.600,--
· ARGE d. österr. Frauengesundheitszentren: EUR 103.500,--
· FEMAIL (Fraueninformationszentrum Vorarlberg, Projekt „Frauengesundheiten FEMAIL“): EUR 10.000,--
Im Jahr 2011 werden u.a. folgende Organisationen und Vereine gefördert:
· MAIZ (Autonomes Integrationszentrum für Migratinnen, Gesundheitsprävention für Sexarbeiterinnen): EUR 6.600,--
· ARGE der österr. Frauengesundheitszentren: EUR 135.000,-- (Förderung zur Zeit in Planung, noch kein Vertrag abgeschlossen)
· FEMAIL (Fraueninformationszentrum Vorarlberg, Projekt „Frauengesundheiten FEMAIL): EUR 10.000,--
Fragen 6 bis 8:
Diesbezügliche Schätzungen liegen meinem Ressort nicht vor.
Fragen 9 und 10:
Die psychischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs werden im aktuellen Österreichischen Frauengesundheitsbericht 2010/11 im Kapitel 2.6.2 thematisiert. Schwangerschaft und Mutterschaft sind vom Standpunkt der Psychologie die vielschichtigsten Ereignisse in der Lebenserfahrung der Frauen. So zählen zu den wesentlichen Risikofaktoren für psychische Beeinträchtigungen durch eine Schwangerschaft: der Schwangerschaftsabbruch, die Schwangerschaft während des letzten Trimenons, die frühe postpartale Zeit sowie das Abstillen.
Für PTSD (posttraumatische Belastungsstörung) gibt es zwar einen ICD-Code, welcher allerdings keine Differenzierung hinsichtlich des Auslösers zulässt. Aus diesem Grund kann aus Auswertungen hinsichtlich dieser Diagnose auch kein Rückschluss auf eine unterschiedliche Geschlechterdisposition von PTSD getroffen werden.
Wie die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter mitteilte, zeigt die 12-Monats-Prävalenz psychischer Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung (18 bis 65 Jahre) in Europa einen Überhang von Frauen bei Panikstörungen (3,0:1,7), generalisierter Angststörung (2,1:1,0) sowie bei spezifischen Phobien (10,8:4,5) - (Wittchen und Jacobi 2005).
Somit besteht durchschnittlich ein zwei- bis dreimal so häufiges Auftreten von Angst und Depression bei Frauen. Psychische Erkrankungen werden bei Frauen und Männern unterschiedlich häufig diagnostiziert.
Laut Studienlage[1] ist das Ausmaß des Auftretens von posttraumatischen Belastungsstörungen durch den Schwangerschaftsabbruch selten, daher ist eher nicht mit Auswirkungen auf die Gesamtzahl posttraumatischer Belastungsstörungen zu rechnen, es herrscht jedoch Uneinigkeit über die Existenz dieses Krankheitsbildes:
In einem systematischen Review (Robinson et al.) konnten als konsistenter Prädikator für psychische Erkrankungen nach einer „abortion“ bereits vorhandene Erkrankungen gefunden werden, diese waren wiederum assoziiert mit sexuellem Missbrauch und häuslicher Gewalt. Eine Studie aus 2005 (Broen et al., BMC Med) fand, dass Frauen nach einem geplanten Abort höhere Scores u. a. für Schuld, Vermeidung und Scham (im IES) hatten. Im HADS anxiety score war eine signifikante Erhöhung der Angst-Scores vorhanden, bis teilweise fünf Jahre nach dem Ereignis.
Fragen 11 und 12:
Neben den bereits zu den Fragen 9 und 10 angeführten Studien verweise ich auf den aktuellen Österreichischen Frauengesundheitsbericht 2010/11, in dessen Kapitel 2.6.2 zwei Studien über die psychischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs zitiert werden: Die Studie aus dem Jahre 2008 der American Psychological Association mit dem Titel „Report on the APA Task Force on Mental Health and Abortion“ beinhaltet eine Evaluierung aller seit 1989 publizierten Studien und die österreichische Studie aus dem Jahr 2001 des Ludwig Boltzmann Instituts für Frauengesundheitsforschung.
[1] Russo, N. [Department of Psychology, Arizona State University, Box 871104, Tempe, AZ 87287-1104], Dabul, A. (1997). The Relationship of Abortion to Well-being: Do Race and Religion Make a Difference? Professional Psychology, Research and Practice, 28, 23-31; Lee E. „Abortion, Motherhood and Mental Health: Medicalizing Reproduction in the US and Britain“, AldineTransaction, 2004.