7986/AB XXIV. GP

Eingelangt am 24.05.2011
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

 

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

Beschreibung: Logo-solo

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/0089-III/4a/2011

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, 23. Mai 2011

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 8063/J-NR/2011 betreffend Daten zum funk­tionalen Analphabetismus in Österreich, die die Abg. Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen am 24. März 2011 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Fragen 1 und 2:

Nein, dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur liegen derzeit keine gesicherten aktuellen Daten über die Zahl funktionaler Analphabeten in Österreich vor. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Fragen 3 und 4 sowie 5 und 6 als auch 7 hingewiesen.

 

Zu Fragen 3 und 4:

Aktuell beteiligt sich das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur am PIAAC-Projekt der OECD (Programme for the International Assessment of Adult Competencies), das unter anderem Angaben über die Zahl und Situation der Erwachsenen in Österreich mit keiner oder geringer Lesekompetenz erbringen soll. Die Datenerhebung der PIAAC-Erhebung wird nach dem Sommer 2011 beginnen und bis zum Frühjahr 2012 abgeschlossen sein. Mit der Publi­kation der Ergebnisse wird ab Ende September 2013 gerechnet.


Zu Fragen 5 und 6:

Wie bereits bemerkt, stehen keine authentischen bzw. repräsentativen statistischen Daten zum funktionalen Analphabetismus in Österreich zur Verfügung. Die weithin verbreitete Angabe von 300.000 beruht auf keiner aktuellen Datenerhebung in Österreich, sondern auf Schätzungen. Eine Beurteilung hinsichtlich einer „geschätzten Dunkelziffer“ wäre rein spekulativ.

 

Zu Frage 7:

Die Ergebnisse der PISA 2009 Erhebung zeigen, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler des Geburtsjahrgangs 1993 mit geringen gemessenen Leistungen im Kompetenzbereich Lesen in Österreich überdurchschnittlich hoch ist. Es muss daher angenommen werden, dass es auch unter Erwachsenen erhebliche Anteile von Personen mit geringer Lesekompetenz gibt.

 

Was den schulischen Bereich anbelangt, wird die Vermittlung von Grundkompetenzen als eine Kernaufgabe des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur angesehen. Seit einigen Jahren wird verstärkt der Fokus auf die sprachliche Förderung gelegt. Es gilt sicherzustellen, dass alle Kinder in Österreich gleiche Startbedingungen beim Schul­eintritt haben.

 

Die frühe sprachliche Förderung ist nicht nur eine Starthilfe für Kinder mit anderer Erstsprache als Deutsch, sondern auch für Kinder, die zu Hause nicht ausreichend sprachlich gefördert werden. Kinder, die im Herbst ihr letztes Kindergartenjahr beginnen, werden im Hinblick auf ihre Sprachkenntnisse beobachtet. Kinder- und Entwicklungspsychologinnen und
-psychologen, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Erziehungswissenschaftlerinnen und
-wissenschaftler haben Instrumente und Programme entwickelt, mit deren Hilfe festgestellt werden kann, ob sich ein Kind sprachlich seinem Alter entsprechend ausdrücken kann. Das im Bereich der Länder liegende verpflichtende letzte Kindergartenjahr ist eine wichtige Maßnahme, um allen Kindern einen fairen Schulstart zu ermöglichen: Ihre sprachliche Entwicklung kann über einen längeren Zeitraum im Kindergarten, also in einer gewohnten Umgebung, beobachtet werden.

 

Ein Sprachförderbildungsplan für Kinderbetreuungsinstitutionen ist erstmals in Österreich entwickelt worden: Er ist seit 2009 im Einsatz und bietet den Pädagoginnen und Pädagogen wertvolle Orientierung. In der Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen und
-pädagogen werden entsprechende Maßnahmen gesetzt: Methoden der frühen sprachlichen Förderung und Fächer wie „Deutsch als Zweitsprache“ oder „Kinderliteratur und Spracherziehung“ sind Teil der Ausbildungsoffensive.

 

Für den Eintritt in die Volksschule entwickelten Expertinnen und Experten Deutschstandards, um einen möglichen Förderbedarf rechtzeitig feststellen zu können. Ziel ist, dass alle Kinder gleichermaßen dem Unterricht folgen können. Die Entwicklung und Anwendung von Deutschstandards für die allgemein bildenden Pflichtschulen und die weiterführenden Bildungswege (inkl. Berufsbildung) sind für Pädagoginnen und Päda­gogen eine wertvolle Hilfe bei ihrer Bildungsarbeit. Der Deutsch-Förderunterricht an den Schulen wird weitergeführt.

 

Auch die Leseförderung ist ein wichtiger Ansatzpunkt in der pädagogischen Arbeit. Unter dem bildungspolitischen Aspekt der Stärkung der Grundkompetenzen, der Qualitäts­entwicklung an Schulen und der Berücksichtigung der von neuen Medien geprägten Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen wurde seit 2006 ein neues Konzept einer umfassenden Leseförderung entwickelt, das so ausgerichtet ist, dass


-      Leseförderung die mediale Bezugswelt der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt,

-      Leseförderung an den Schulen gegenstandsübergreifend betrachtet wird,

-      auch die Familien unterstützt werden, da die Lesekompetenz der Kinder und Jugendlichen in hohem Maß von der Lesekompetenz im familiären Umfeld abhängig ist und in dem

-      notwendige strukturelle Maßnahmen vor allem im Bereich der Lehrkräfteaus- und -fort­bildung gesetzt werden.

Weiters erfolgte eine Intensivierung der Kooperation mit traditionellen Einrichtungen der Lese­förderung wie dem Buchklub der Jugend und dem Österreichischen Jugendrotkreuz, die mit ihren Medien einen starken Zugang zu den Schülerinnen und Schülern vor allem im Bereich der Grundstufe und der Sekundarstufe I haben.

 

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

-      fördert darüber hinaus Leseinitiativen in den Regionen,

-      setzt flächendeckend an österreichischen Schulen in mehreren Schulstufen das Salzburger Lesescreening (SLS) ein,

-      stellt in Homepages (http://www.lesenetzwerk.at, nunmehr http://www.literacy.at) Informationen bereit, um den medialen Aspekt stärker zu berücksichtigen,

-      lässt den Bereich etwa hinsichtlich der „Konzepte multimodaler Leseförderung in Österreich“ oder der „Family Literacy“ entsprechend beforschen,

-      bietet mit Initiativen wie „Medienpuzzle“ für Schulklassen der 7. bis 13. Schulstufe aller Schultypen österreichweit aktuelle Informationen aus der Medienkunde und thematisiert anhand wechselnder Schwerpunkte die Mediennutzung und die Einflüsse der Medien,

-      veranstaltet Fortbildungsveranstaltungen für Lehrende aller Schularten,

-      macht Lese- und Textkompetenz zum Thema aller Unterrichtsgegenstände,

-      produziert Materialien zum Einsatz im Unterricht wie etwa die Praxismappe Lesen, Lesestrategien in Chemie, Lesestrategien in Mathematik,

-      setzt Zeichen, wie etwa die Mitwirkung an Buchmessen, Finanzierung von Workshops für Schülerinnen und Schüler, die Mitwirkung an „Buchliebling“ (Wahl der beliebtesten Bücher Österreichs, Bereich: Kinder- und Schulbücher),

-      bietet bundesweite Lehrkräftefortbildung an, die durch zwei Zentren (Koordinationsstelle für Literacy und Koordinationsstelle Lesen) organisiert werden,

-      betreut alle österreichischen Schulbibliotheken – in Kooperation mit dem Bibliotheken­service in Wels – mit.

 

Beim Schwerpunktprojekt „Family Literacy“ gilt es die Herausforderungen anzunehmen, die sich aus der Rezipierung der Ergebnisse der PISA-Studie ergeben. Aufbauend auf schon bisher durchgeführte Projekte sollen sämtliche Maßnahmen in einer breiter gefassten und strukturierten Strategie gebündelt werden. Damit soll in den nächsten Jahren die Rolle der Familie bei der Lesesozialisation zunehmend gestärkt werden. „Family Literacy“ verbindet Elemente der Vor- und Grundschulerziehung, der Elternbildung und der Lehrkräftefortbildung; sie stützt sich auf mehrere akademische Traditionen, unter ihnen die der frühkindlichen Entwicklung, der kognitiven Psychologie und Elternbildung und fokussiert auf eine Reihe von neutralen und objektiven Fähigkeiten unabhängig vom sozialen Kontext oder Ideologie (Street, 1995; Verhoeven & Snow, 2001). Das geplante Maßnahmenpaket setzt an den bisherigen Family-Literacy-Aktivitäten des Buchklubs an (Pilotprojekt LesepartnerInnen, Modelle Lesebuddy und Lesetutoren, Aktionen zur Information von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern zur Schuleinschreibung zum Schulstart; Auslobung eines Award zur schulischen und außerschulischen Prämierung von Leseprojekten). Eine Bestandsaufnahme, begleitende (nationale) Forschung und ein Masterplan bilden den Auftakt, ein Expertinnen- und Experten-Roundtable im September 2011 soll die Aufmerksamkeit für den Bereich erhöhen und die Durchführung der Veranstaltungen zum Lese-Award soll die Verbindung zu den nächsten, ab 2012 geplanten, Schritten herstellen.

 

Mein Ressort hat ferner von 2000 bis 2006 im Rahmen des Ziel-3-Programms der Europäischen Union Maßnahmen zur Basisbildung und zur Nachholung grundlegender Bildungsabschlüsse jährlich mit einem Betrag von 2 Mio. EUR (inkl. ESF-Mittel) gefördert. Auf Basis einer Evaluierung der Ergebnisse wurde ein umfassendes Förderprogramm erarbeitet, das im Rahmen des ESF-OP Beschäftigung, des Phasing Out Programmes Burgenland und im Rahmen von nationalen Projekten von 2007 bis 2013 durchgeführt wird. In einer ersten Phase stellt das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 30 Mio. EUR von 2007 bis 2013 für Angebote zur Basisbildung, grundlegende Bildungsabschlüsse und Maßnahmen zur Vorbe­reitung auf die Berufsreifeprüfung zur Verfügung.

 

In den Jahren 2008, 2009 und 2010 wurden Maßnahmen zur Basisbildung pro Jahr mit je 3 Mio. EUR (BMUKK-Mittel, ESF-Mittel und andere nationale Mittel) gefördert. Neben Angeboten für Betroffene werden Entwicklungsprojekte gefördert, die der Sensibilisierung der Öffentlichkeit, der Entwicklung neuer Modelle und Curricula, der Vernetzung der Anbieter sowie der Erarbeitung von Qualitätsstandards dienen.

 

Derzeit wird die Bund-Länder-Initiative zur Förderung grundlegender Bildungsabschlüsse für Erwachsene mit den Ländern verhandelt. Der Beginn der Initiative wird mit Herbst 2011 angestrebt. Die Grundlage für das Fördermodell, ein Programmplanungsdokument, wurde mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder, von Forschungseinrichtungen und Sozialpartnern finalisiert und liegt vor.

 

Die exemplarisch benannten Maßnahmen können insgesamt auch als ein Beitrag zur Inklu­sionsleistung des österreichischen Bildungssystems erachtet und es soll damit auch dem funk­tionalen Analphabetismus präventiv entgegengewirkt werden.

 

 

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.